Mann mit einer FFP2-Maske sitzt in einer U-Bahn | dpa

Diskussion über Corona-Maßnahmen "Sollten weiter rücksichtsvoll sein"

Stand: 27.12.2022 09:24 Uhr

Nachdem der Virologe Drosten die Corona-Pandemie für überwunden erklärt hat, wird in der Ampel-Koalition über das weitere Vorgehen diskutiert: Während FDP-Politiker alle Schutzmaßnahmen abschaffen wollen, mahnen die Grünen zur Vorsicht.

Angesichts von Äußerungen des Virologen Christian Drosten, der die Corona-Pandemie als "vorbei" bezeichnet hat, wird in der Ampel-Koalition über den weiteren Umgang mit dem Virus diskutiert. Während sich FDP-Politiker für das sofortige Ende der Schutzmaßnahmen aussprachen, äußerte sich der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen vorsichtiger.

Dem "Tagesspiegel" sagte Dahmen: "Zurzeit spricht vieles dafür, dass sich das Coronavirus kaum noch verändert und seine zurzeit noch starke Verbreitung mit dem Ende dieses Winters endlich deutlich zurückgehen wird." Bis zum Frühjahr sollte man aber wegen der aktuell noch starken Verbreitung des Virus, damit einhergehenden Personalausfällen und der Belastung des Gesundheitswesens "weiter rücksichtsvoll sein und in Innenräumen deshalb Maske tragen, Händehygiene einhalten und auf regelmäßiges Lüften achten."

Kühnert für Einhaltung des Infektionsschutzgesetzes

Der Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, plädierte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF für das Einhalten des Infektionsschutzgesetz. Das sieht bis 7. April 2023 besondere Schutzmaßnahmen vor wie etwa eine Maskenpflicht im öffentlichen Personenfernverkehr sowie beim Zutritt zu bestimmten Einrichtungen wie Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen oder Arztpraxen.
In dem Gesetz seien, so Kühnert, gegenüber dem, "was wir in den letzten drei Jahren hatten, nur noch ganz wenige Maßnahmen drin."

Ärzte-Präsident plädiert für mehr Freiwilligkeit

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, setzt auf einen freiwilligen Schutz, hält daher auch einen Abbau der rechtlich verbindlichen Corona-Schutzmaßnahmen für vertretbar. Mit großer Wahrscheinlichkeit könne gesagt werden, dass die Pandemie derzeit in eine Endemie übergehe, also nur noch kleinere Infektionswellen auftreten, sagte Reinhardt im Deutschlandfunk.

Er sieht darin einen Anlass, beim Schutz vor Infektionen stärker auf Freiwilligkeit zu setzen. Wer einen Infekt habe, solle mit Umsicht und Nachsicht darüber nachdenken, ob er sich in Menschenansammlungen begibt. Wer krank ist, der solle zu Hause bleiben, sagte der Ärztepräsident. Das habe schon immer gegolten.

Montgomery: Maskentragen nicht zur "Grundrechtsfrage" stilisieren

Der Weltärztebund mahnt ebenfalls zur Vorsicht. Dessen Präsident, Frank Ulrich Montgomery, sagte im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk: "Entspannung heißt ja nicht, dass man alle Vorsichtsmaßnahmen fahren lassen kann, man muss noch ein kleines bisschen auf sich und seine Umwelt achten."

Das belegten auch Erfahrungen aus dem Ausland, wo es teilweise auch noch Schutzmaßnahmen gebe. Montgomery sprach sich für das Tragen von Masken in Arztpraxen aus - ebenso in engen und schlecht belüfteten Innenräumen. Als Beispiel nannte er U- und S-Bahnen im Berufsverkehr. Er setze dabei nicht auf Gesetze, sondern auf die Vernunft der Menschen:

Wer zum Beispiel das Tragen einer Maske in öffentlichen Verkehrsmitteln zu einer Grundrechtsfrage stilisiert, dem kann ich nicht mehr helfen.

Er glaube, das sei den Menschen zuzumuten. "Am schönsten wäre es, wenn das über Vernunft ginge." Das Wichtigste sei aber für ihn, weiter zu impfen.

Kubicki fordert Stopp der Maßnahmen

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki sieht hingegen keinen Grund mehr für Corona-Schutzmaßnahmen. Mit der Erklärung von Drosten werde "jeglicher Grundrechtseinschränkung zur Eindämmung des Coronavirus die Grundlage entzogen", sagte Kubicki dem "Tagesspiegel". Er erwarte, dass die Koalitionspartner im Bund so schnell wie möglich zusammenkämen und eine entsprechende gesetzliche Änderung des Infektionsschutzgesetzes angingen. "Dies ist verfassungsrechtlich geboten." Auch die Länder müssten jetzt ihre jeweiligen Maßnahmen beenden, forderte der FDP-Politiker.

Ähnlich hatte sich auch schon Bundesjustizminister Marco Buschmann geäußert. "Christian Drosten gehörte in der Pandemie zu den vorsichtigsten Wissenschaftlern", schrieb der FDP-Politiker auf Twitter. "Nun lautet sein Befund: Die Pandemie ist vorbei. Wir sind im endemischen Zustand. Als politische Konsequenz sollten wir die letzten Corona-Schutzmaßnahmen beenden", forderte Buschmann.

Drosten: Erleben erste endemische Welle

Drosten hatte zuvor im "Tagesspiegel" erklärt: "Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-CoV-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei." Die Immunität in der Bevölkerung werde nach diesem Winter so breit und belastbar sein, dass das Virus im Sommer kaum noch durchkommen könne, sagte der Leiter der Virologie an der Berliner Universitätsklinik Charité. Als einzige Einschränkung nannte der Virologe einen weiteren Mutationssprung. "Aber auch das erwarte ich im Moment nicht mehr."

Rückblickend hält der Virologe die ergriffenen Corona-Maßnahmen für weitgehend gerechtfertigt. "Hätte man gar nichts gemacht, dann wäre man in Deutschland in den Wellen bis zu Delta auf eine Million Tote oder mehr gekommen", sagte Drosten. 

Über dieses Thema berichteten am 27. Dezember 2022 Deutschlandfunk um 06:00 Uhr in den Nachrichten und MDR aktuell um 06:05 Uhr.