
Überlastete Intensivstationen Erste Corona-Patienten werden verlegt
Die Lage in den Kliniken spitzt sich vielerorts weiter zu. Wegen der Überlastung der Intensivstationen wurden nun Corona-Patienten aus Thüringen nach Niedersachsen gebracht. Auch Sachsen und Bayern bereiten Verlegungen vor.
Die ersten Intensivpatienten mit Covid-19 sind auf Grundlage des sogenannten Kleeblatt-Konzepts von Thüringen nach Niedersachsen verlegt worden. Ein Rettungshubschrauber sei mit einem Patienten aus dem südthüringischen Suhl am frühen Abend am Klinikum Siloah in Hannover gelandet, bestätigten Steffen Ellerhoff, Pressesprecher des Klinikums Region Hannover, und ein Sprecher des Zentralklinikums Suhl der Nachrichtenagentur dpa.
Ein zweiter Patient wurde nach Beobachtungen eines dpa-Reporters kurze Zeit später mit einem sogenannten Intensivtransportwagen aus Suhl zu dem Klinikum gefahren. Laut Zentralklinikum Suhl handelt es sich bei beiden Kranken um beatmete Covid-19-Patienten.
Nach Angaben des Thüringer Intensiv-Koordinators Michael Bauer sollen am Freitag weitere Verlegungen nach Niedersachsen folgen. Unter anderem sollen Patienten aus Eisenach und Bad Langensalza nach Hildesheim kommen. Außerdem ist eine Verlegung von Saalfeld nach Hannover geplant. Laut einer Sprecherin des Gesundheitsministeriums sind derzeit acht Thüringer Patienten für eine Verlegung vorgesehen.
Neun Bundesländer nehmen Intensivpatienten auf
Thüringen zählt mit Bayern und Sachsen zu den am stärksten von der vierten Corona-Welle betroffenen Bundesländern. Die drei Länder bereiten sich seit heute auf die Verlegung von insgesamt 54 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen in aktuell weniger stark betroffene Gebieten im Norden und Westen Deutschlands vor. Die Patienten, die aus medizinischer Sicht für eine Verlegung infrage kommen, waren den Angaben zufolge am Mittwoch ausgewählt worden. 30 von ihnen kommen aus Bayern, 10 aus Thüringen und 14 aus Sachsen.
Wie der zuständige Arbeitskreis der Innenministerkonferenz mitteilte, erklärten sich Krankenhäuser in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland bereit, Patienten aufzunehmen.
Verlegung nach Kleeblatt-Prinzip
Zuvor waren für insgesamt rund 80 Erkrankte Anträge für eine Verlegung nach dem sogenannten Kleeblatt-Konzept geprüft worden. Das 2020 als Folge der Corona-Pandemie beschlossene Konzept sieht vor, dass zunächst innerhalb von fünf Regionen - West, Nord, Ost, Süd, Südwest - verlegt wird. Gibt es in einer dieser Regionen absehbar zu wenige freie Plätze auf den Intensivstationen, wird die Verlegung auch in andere Gebiete organisiert.
Der Beginn der Verlegung war bereits erwartet worden: "Erste Verlegungen dieses bisher größten Intensivverlegungseinsatzes in Deutschland werden voraussichtlich heute nach der Kontaktaufnahme zwischen den abgebenden und den aufnehmenden Kliniken erfolgen", hieß es nach einer Besprechung des Steuerungsgremiums . In Sachsen stehen nach Angaben von Landesgesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) die ersten Patientenverlegungen kurz bevor.
Bayerns Kliniken warnen vor nicht dagewesener Notlage
In Bayern fürchten die Kliniken mit Blick aufs Jahresende eine bislang nicht dagewesene Notlage in der Versorgung. Die Verlegung von Patienten in andere Bundesländer werde nur kurzfristig Abhilfe schaffen, warnt Roland Engehausen, der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. "Alle Prognosen gehen in die Richtung, dass die Zahl der Patienten weiter steigen wird und wir in Bayern keine ausreichenden Intensivkapazitäten haben", sagte er der dpa. "Die momentan noch vorhandenen Intensivkapazitäten im Norden werden uns nur einige Wochen helfen können, weil auch dort die Belegung steigt."
Derzeit werde jeden Tag eine zweistellige Zahl von zusätzlichen Intensivpatienten in den Kliniken aufgenommen, allein am Mittwoch waren es über 40. "Wir müssen in Bayern mit den Zahlen der Neuinfizierten runter", sagte Engehausen. "Sonst geraten wir zwischen Weihnachten und Neujahr in ein Drama hinein, das es so noch nicht gegeben hat."
Luftwaffe bereitet Start von Flügen für Freitag vor
Die Luftwaffe hält in Köln zwei Flugzeuge für einen Hilfseinsatz zur Verlegung von Intensivpatienten bereit. Dazu gehört der Airbus A310 MedEvac, die fliegende Intensivstation, sowie eine umgerüstete Spezialmaschine, das Überwachungsflugzeug A319OH. In dieses seien am Vortag zwei Plätze zur Intensivbehandlung eingebaut worden, sagte ein Luftwaffen-Sprecher. Über sechs Intensivplätze verfüge der Airbus A310 MedEvac.
Nach Informationen der dpa bereitet die Bundeswehr den Start der Verlegungsflüge am Freitag vor. Auf dem Tisch liegen demnach Planungen, die einen Transport vom bayerischen Flughafen Memmingen nach Nordrhein-Westfalen vorsehen. Vorgesehen ist eine Landung auf dem Flughafen Münster-Osnabrück.
"Uns ist sehr klar, dass es sehr, sehr ernst ist"
Wegen der sich zuspitzenden Corona-Lage in weiten Teilen Deutschlands sollen planbare Operationen nach dem Willen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern bundesweit verschoben werden. In vielen Bundesländern ist dies schon der Fall.
Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Bayerns Ressortchef Klaus Holetschek, berichtete nach einer Schaltkonferenz, darüber seien sich die Länder einig gewesen. Es brauche zudem Freihaltepauschalen für die Kliniken, wenn sie Intensivbetten und Klinikpersonal für Covid-19-Patienten frei halten.
"Uns ist allen sehr klar, dass es sehr, sehr ernst ist", sagte Holetschek der Nachrichtenagentur (dpa). Es herrsche eine große Solidarität zwischen allen Bundesländern, betonte der CSU-Politiker. Holetschek dankte den Ländern, die nun Patienten aus anderen Landesteilen aufnehmen.
Das 2020 beschlossene Kleeblatt-Konzept sieht vor, dass zunächst innerhalb von fünf Regionen - West, Nord, Ost, Süd, Südwest - verlegt wird. Gibt es in einer dieser Regionen absehbar keine freien Plätze mehr, wird im Austausch mit dem Gemeinsamen Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) die Verlegung auch in andere Gebiete organisiert. Zu der Sondersitzung der Gesundheitsminister wurden auch das Bundesamt und die Bundesministerien für Inneres und Verteidigung eingeladen.