Mehrere Kindergartenkinder sitzen auf einer Bank.
Exklusiv

Umweltbundesamt Kinder mit gefährlichen Chemikalien belastet

Stand: 14.11.2020 05:00 Uhr

Sie stecken in Weichspülern, Wandfarben oder Spielzeug: Chemikalien, die Allergien auslösen können. Eine Studie des Umweltbundesamtes zeigt, dass fast alle Kinder Reste davon im Körper haben.

Von Sophie von der Tann, ARD Berlin

Juckende Haut, Rötungen und Bläschen - das können die Merkmale einer Kontaktallergie sein. Jeder fünfte in Europa leidet darunter. Verantwortlich dafür können Duft- und Konservierungsstoffe wie zum Beispiel Lysmeral, MIT, CIT oder Bisphenol A sein.

Das Umweltbundesamt hat den Urin von 2500 Kindern und Jugendlichen im Alter von drei bis 17 Jahren auf Abbauprodukte solcher Chemikalien getestet. Das Ergebnis: Bei fast allen Kindern wurden Stoffe nachgewiesen, die allergen wirken oder im Verdacht stehen, Allergien auszulösen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor, die dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vorliegt.

"Man kann den Stoffen nicht ausweichen"

Für Marike Kolossa-Gehring vom Umweltbundesamt ist das ein Alarmzeichen: "Das bedeutet, dass Stoffe, von denen wir wissen, dass sie Gesundheit und Wohlbefinden beeinträchtigen können, so breit verwendet werden, dass man ihnen praktisch nicht ausweichen kann." Häufig sind Kinder und Jugendliche mit einer Mischung der Chemikalien belastet und man weiß nicht, wie die Stoffe in Kombination wirken. Klar sei jedenfalls, im menschlichen Körper hätten sie nichts zu suchen, sagt Kolossa-Gehring.

Das Bundeswirtschaftsministerium weist mit Blick auf Spielzeug darauf hin, dass Hersteller sich an Grenzwerte für bestimme Chemikalien halten müssten. Dass trotz solcher Grenzwerte, Abbauprodukte bei fast allen Kindern nachgewiesen wurden, sieht Kolossa-Gehring kritisch. Denn bei allergieauslösenden Chemikalien sei das Problem: "Wenn ein Stoff im Prinzip eine Allergie auslösen kann, dann kann er das bei sehr unterschiedlichen Konzentrationen tun und einige Leute sind sehr empfindlich." Allergische Hautausschläge kann man behandeln, die Allergien sind aber in der Regel nicht heilbar.

Grüne fordern Verbot bestimmter Chemikalien

Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Bettina Hoffmann, fordert einen "Aktionsplan Allergien". Dabei soll es darum gehen, besser vorzubeugen und die Bevölkerung von vornherein vor schädlichen Chemikalien zu schützen. Man brauche eine bessere Kennzeichnung von Allergenen. Stoffe wie MIT, allergene Duftstoffe und Chrom in Kinderkosmetik, Bastelmaterialien, Beißringen, Schnullern und weiteren Produkten, die für Kinder bestimmt sind, müssten verboten werden, sagt Hoffmann. Sie fordert außerdem eine gerechtere Bezahlung von Diagnose und Behandlung von Allergien. In der Regel würden die Kosten etwa für Pflegeprodukte für Jugendliche und Erwachsene nicht übernommen.

Probleme, die auch die SPD-Gesundheitspolitikerin Martina Stamm-Fibich sieht. Sie räumt ein, dass es beim Thema Allergien Nachholbedarf gebe. Sie hält die Abbauprodukte auch für bedenklich. Man habe sich zwar auf EU-Ebene für das Verbot von Weichmachern und anderen Stoffen eingesetzt, aber das sei noch nicht durch.

Regelungen auf EU-Ebene nötig

Das Bundeslandwirtschaftsministerium teilt mit, dass die Liste von verbotenen bzw. kennzeichnungspflichtigen Duftstoffen bei Spielzeugen erweitert werden soll. Regulierung auf EU-Ebene hält Hoffmann von den Grünen für sinnvoll, aber die Bundesregierung dürfe dieses Argument nicht nutzen, um sich komplett aus der Verantwortung zu ziehen. Ein Blick nach Frankreich etwa zeige, dass Länder auch vorangehen könnten beim Verbot von möglicherweise gesundheitsschädlichen Chemikalien.

Bis dahin gilt wohl: Aufpassen beim Einkaufen. Auf Produkte wie Raumsprays zum Beispiel verzichten, rät Kolossa-Gehring vom Umweltbundesamt. Denn letztlich sei es auch eine Entscheidung der Verbraucher.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 14. November 2020 um 09:50 Uhr.