
Kramp-Karrenbauer überzeugt CDU Heute die Siegerin
Stand: 22.11.2019 18:09 Uhr
CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer geht beim Parteitag in Leipzig volles Risiko und gewinnt - zumindest vorerst. Die Delegierten versammeln sich hinter ihrer Chefin. Konkurrent Merz reiht sich ein - oder bleibt er nur in Lauerstellung?
Von Wenke Börnsen, tagesschau.de, zzt. Leipzig
Gerade als es etwas mau wird und die Luft im Saal knapp, holt sie aus zu einem starken Ende. Annegret Kramp-Karrenbauer redet bereits eine gute Stunde, als sie plötzlich die Vertrauensfrage stellt. Sinngemäß: Wenn ihr nicht mit mir auf diesem Weg gehen wollt, dann sprecht es jetzt aus. Und dann lasst es uns hier und heute beenden. Wenn ihr aber doch mit mir gehen wollt: dann Ärmel hochkrempeln und an die Arbeit.
Mit diesem einen Satz kommt Kramp-Karrenbauer aus der Defensive - zumindest vorerst. Die gut 1000 Delegierten versammeln sich hinter ihrer Chefin und ihrem Kurs. Minutenlang applaudieren sie ihrer Vorsitzenden.
"AKK ist zurück im Spiel", sagt Tina Hassel, ARD Berlin, zzt. Leipzig
tagesschau 20:00 Uhr, 22.11.2019
Führungsfrage beantwortet
Dabei stand der Steuerfrau einer Partei in schwerer See bis dahin das Wasser bis zum Hals. Seit knapp einem Jahr kämpft sie darum, die Partei wieder in ruhigere Gewässer zu steuern. Aber sie ist nicht allein auf der Brücke. Die für die Partei ungewohnte Trennung von Kanzleramt und Parteivorsitz bringt für sie Autoritätsprobleme, und dann sind da noch diejenigen, die sich für bessere Steuermänner halten. Und weil Führungsfragen bei der CDU immer auch gleich Kanzlerfragen sind, ging es sofort um das große Ganze.
In Leipzig hat sich Kramp-Karrenbauer Luft verschafft. Die Führungsfrage ist bis auf Weiteres beantwortet - das wird spätestens klar, als Friedrich Merz, der Hoffnungsträger der Unzufriedenen in der Partei, das Wort ergreift. Kurze 14 Minuten redet der Ex-Fraktionschef, Ex-Bundestagsabgeordnete und Ex-Vorsitz-Bewerber, heute einfacher Delegierter. Von Showdown ist keine Rede mehr, keine Kampfansage, dafür Loyalität zur Vorsitzenden und das Angebot zur Mitarbeit. Er wolle sich weiter für die Partei engagieren und sie nach vorn bringen. Es war keine programmatische Rede, eher ein "Ich-bin-auch-noch-da-Kurzbeitrag". Nach dem Motto: Denkt an mich, wenn es nächstes Jahr um die Kanzlerkandidatur geht.
Merz als Reserve
Denn Merz hat auch in Leipzig nicht beantwortet, was er eigentlich will. Bislang hat er es trotz Aufforderung abgelehnt, sich in die Parteiarbeit einbinden zu lassen. Er bleibt der Mann an der Seitenlinie. Einwechselspieler, Führungsreserve, Kanzlerreserve. Für Kramp-Karrenbauer dürften daher die nächsten Monate kaum ruhiger werden, der Showdown mag abgesagt sein, aber das Schaulaufen für die Kanzlerkandidatur geht weiter.
Die CDU-Chefin hat aber in Leipzig klar gemacht, dass mit ihr zu rechnen ist. Kampflos räumt sie das Feld nicht. Ihre Rede ist zwar nicht überragend und vor allem ist sie lang - sie beginnt stark und verliert sich dann doch im Klein-Klein einer typischen Vorsitzendenrede. Und dann der Höhepunkt am Schluss.
Kramp-Karrenbauer stellt die Vertrauensfrage und gewinnt
tagesthemen 21:45 Uhr, 22.11.2019, Tom Schneider, ARD Berlin, zzt. Leipzig
Das C verpflichtet
Aber ihr gelingt es, ein paar Ideen für Deutschland zu skizzieren. Deutschland solle nicht länger Reparaturbetrieb sein, sondern Zukunftswerkstatt. Sie spricht über Digitalisierung als Chance, über Glasfaser und die Sicherheitsstandards bei 5G, über weniger Bürokratie und schnellere Baugenehmigungen. "Ich habe die Nase voll, dass wir immer die langsamsten sind."
Und natürlich geht es auch wieder ums große C. Das C im Namen der Partei sei eine Verpflichtung für den Klimaschutz. Die CDU habe hier eine Verantwortung. Klimaschutz sei keine Erfindung der Grünen oder von Greenpeace, sagt sie unter Applaus. Kramp-Karrenbauer spricht vom Sozialstaat, plädiert für einen Perspektivwechsel in der Familienpolitik, für eine bessere Bildungspolitik, für einen starken Staat und höhere Verteidigungsausgaben.
Abgrenzung nach links und rechts
Deutlich wie selten zuvor grenzt Kramp-Karrenbauer die CDU ab von links und rechts. Nur eine starke Mitte schwäche die Ränder. Auch wenn linke Repräsentanten noch so harmlos daherkommen: "Die träumen vom Sozialismus." Ähnliches gelte für die "Apokalyptiker von rechts". "Das sind die Brandstifter und wir dürfen nie die Biedermänner sein, die ihnen die Streichölzer reichen", ruft Kramp-Karrenbauer unter Beifall. Für die CDU müsse Menschenfreundlichkeit auch in Zukunft das Markenzeichen bleiben.
Kramp-Karrenbauer hat die CDU in schwieriger Verfassung übernommen. Inhaltlich leer und ausgelaugt nach 14 Jahren Dauerregierung in verschiedenen Koalitionen. Jetzt gibt es zumindest Anhaltspunkte, wohin Kramp-Karrenbauer die Partei führen will. Die ganze Partei, alle Flügel eingeschlossen. Kritiker, sie spricht charmant von "Querdenkern", ruft sie auf, mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie wolle ein starkes Team um sich herum - freilich mit ihr als Chefin, mag sie sich still gedacht haben.
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