Fragen und Antworten Wie wird der Bundespräsident gewählt?

Stand: 16.03.2012 03:13 Uhr

Am Sonntag (18. März) wird der neue Bundespräsident gewählt. Aber wer wählt ihn eigentlich, wie läuft die Wahl ab und wo findet sie statt? tagesschau.de beantwortet Fragen rund um die Wahl des deutschen Staatsoberhauptes.

Wer wählt das deutsche Staatsoberhaupt?

Die Bundesversammlung ist nach Artikel 54 Grundgesetz das Gremium, dessen einzige verfassungsrechtliche Aufgabe es ist, ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Dabei setzt sich die Bundesversammlung zu gleichen Teilen aus den Mitgliedern des Bundestages und Abgesandten der Länderparlamente zusammen. Man spricht bei den Bundestagsabgeordneten von "geborenen" Mitgliedern, da sie automatisch Wahlrecht genießen.

Die Wahlleute der Landtage werden als "gekorene" Mitglieder bezeichnet. Da in der aktuellen 17. Wahlperiode 620 Abgeordnete im Bundestag sitzen, stellen die Landtage die gleiche Anzahl an Wahlleuten. Insgesamt gehören der Bundesversammlung damit 1240 Mitglieder an.

Wen nominieren die Landtage?

Für die 15. Bundesversammlung entsenden die 16 Landtage jeweils nach der Größe des Bundeslandes eine bestimmte Anzahl Wahlleute nach Berlin; insgesamt sind es 620.

Bayern schickt beispielsweise 95 Delegierte nach Berlin, Sachsen-Anhalt 19 und das kleine Saarland nur acht Wahlleute. Die von den Landtagen nominierten Wahlleute müssen demzufolge weder ein Landtagsmandat haben, noch in dem betreffenden Bundesland wohnen.

15. Bundesversammlung
Land Sitze
Baden-Württemberg 79
Bayern 95
Berlin 25
Brandenburg 20
Bremen 5
Hamburg 13
Hessen 45
Mecklenburg-Vorpommern 13
Niedersachsen 61
Nordrhein-Westfalen 133
Rheinland-Pfalz 31
Saarland 8
Sachsen 33
Sachsen-Anhalt 19
Schleswig-Holstein 22
Thüringen 18
Bundesländer gesamt 620
Bundestag 620
Bundesversammlung gesamt 1240

Wählen nur Berufspolitiker das Staatsoberhaupt?

Schon bei früheren Wahlen haben die Parteien regelmäßig Prominente oder Vertreter wichtiger Institutionen in die Bundesversammlung geschickt.

2012 werden unter anderem die Schauspieler Senta Berger und Jan Josef Liefers sowie der Comedian Ingo Appelt von der SPD zur Abstimmung gebeten. Die CDU wählte den neuen Hertha-BSC-Trainer Otto Rehhagel und den Moderator Frank Elstner aus, die Grünen den Regisseur Sönke Wortmann.

Eine Konstante unter den 1240 Delegierten ist die frühere FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher, die 1994 als Bundespräsidenten-Kandidatin gegen Roman Herzog antrat. Und wie schon bei der Wulff-Wahl vor zwei Jahren wird sie erneut nicht für die Liberalen kommen: Sie wurde von den Grünen nominiert.

Es sind aber nicht nur Prominente, die neben den Berufspolitikern in die Bundesversammlung entsandt werden. Gamze Kubasik ist die Tochter eines der Opfer der Neo-Nazi-Mordserie. Sie wurde von den Grünen zur Delegierten bestimmt.

An welchem Ort findet die Wahl statt?

Die Wahl findet im Plenarsaal des Bundestages, im Reichstagsgebäude in Berlin statt. Damit alle 1240 Wahlmänner und -frauen Platz finden, wird der Saal umgerüstet. Die erste Bundesversammlung fand 1949 im Bonner Bundeshaus statt. Zwischen 1954 und 1969 wurde vier Mal die Ostpreußenhalle in Berlin als Tagungsort auserkoren. Die Bundesversammlungen zwischen 1974 und 1989 fanden in der Beethovenhalle am Bonner Rheinufer statt. Seit der Wahl Roman Herzogs 1994 zum siebten Bundespräsidenten tritt die Bundesversammlung jeweils im Reichtstagsgebäude zu Berlin zusammen.

Wer leitet die Bundesversammlung?

Sitzungspräsident der Bundesversammlung ist der Hausherr des Wahlortes, Bundestagspräsident Lammert. Der Bundespräsident wird ohne vorherige Aussprache der Delegierten von der Bundesversammlung gewählt. Laut Gesetz ist der Parlamentspräsident für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Versammlung zuständig. Den Ablauf regelt eigens ein Bundespräsidentenwahlgesetz.

Wann findet die Wahl statt?

Christian Wulff trat am 17. Februar 2012 zurück. Gemäß Artikel 54 des Grundgesetzes tritt die Bundesversammlung spätestens 30 Tage nach dem Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung der Amtszeit zusammen - in diesem Fall also spätestens am 18. März 2012. Diesen Zeitrahmen schöpfte Bundestagspräsident Lammert voll aus.

Wer ist bis zu diesem Datum Staatsoberhaupt?

Bis zur Vereidigung des neuen Staatsoberhauptes führt Horst Seehofer, Ministerpräsident Bayerns, die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten weiter. Seehofer ist momentan Präsident des Bundesrates, der Kammer aller 16 deutschen Landesparlamente. Damit ist er gemäß Artikel 57 Grundgesetz Stellvertreter des Bundespräsidenten. Turnusgemäß wird alle zwölf Monate der Vorsitz im Bundesrat weitergegeben. Seehofer hatte den Vorsitz zum 1. November 2011 von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft übernommen.

Seehofers Amtszeit in der Länderkammer endet am 31. Oktober 2012. Ihm wird der neue Ministerpräsident oder die neue Ministerpräsidentin aus Baden-Württemberg folgen. Die Reihenfolge der Länder beginnt mit dem einwohnerstärksten Nordrhein-Westfalen und endet mit dem bevölkerungsschwächsten Bundesland Bremen.

Welche Kandidaten haben wessen Unterstützung?

Zur Bundespräsidentenwahl am 18. März 2012 haben die in der Bundesversammlung vertretenen Parteien folgende Kandidaten nominiert:

CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und die FDP: Joachim Gauck, der parteilose Rostocker Pastor, Politiker und Publizist, war zehn Jahre lang nach der Wende Chef der Stasi-Unterlagenbehörde. Die Union verfügt über 486 Wahlleute. Die SPD über 332, Die Grünen 146 und die FDP über 136.

Die Linke: Beate Klarsfeld, die Journalistin wurde bekannt durch ihr Engagement bei der Aufklärung und Verfolgung von NS-Verbrechen. Die Linke ist mit 124 Wahlleuten in der Bundesversammlung vertreten, von denen allerdings einer erkrankt ist.

NPD: Olaf Rose (NPD); Seit Anfang 2007 ist der Historiker nach Angaben der NPD als Berater der rechtsextremen Fraktion im Sächsischen Landtag tätig. Er kann auf drei Stimmen der NPD aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zählen.

Die Freien Wähler (FW), die im Bayerischen Landtag sitzen, haben zehn Wahlleute. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), Vertretung der dänischen Minderheit im Kieler Landeshaus, ist mit einer Wahlfrau in der Bundesversammlung vertreten. Die Piraten sind mit zwei Wahlleuten vertreten. Diese Parteien haben auf die Nomierung eigener Kandidaten verzichtet.

Wie wird gewählt?

Erhält ein Kandidat oder eine Kandidatin schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit, also mehr als 50 Prozent der Stimmen der Mitglieder der Bundesversammlung, ist er zum neuen Bundespräsidenten oder zur neuen Bundespräsidentin gewählt. Wenn nicht, folgt ein zweiter Wahlgang. Auch hierbei muss ein Kandidat die absolute Mehrheit erreichen um gewählt zu werden. Ist noch immer kein Wahlsieger ermittelt, kommt es zum entscheidenden dritten Wahlgang.

Im dritten Wahlgang reicht jedem Kandidaten die einfache Mehrheit, also die größte Zahl an abgegebenen gültigen Stimmen. Nun ist spätestens ein neuer Bundespräsident oder eine neue Bundespräsidentin gewählt.

Was passiert nach der Wahl?

Der Gewinner der Abstimmung wird am 23. März 2012 in einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat vereidigt. Er wäre damit der elfte Bundespräsident.

Kann man während der Bundesversammlung auf die Reichstagskuppel?

Nein, schon am Vortag wird die Kuppel des Reichstagsgebäudes ab Mittags für Besucher geschlossen. Ein Besuch der Kuppel ist erst am Montag nach der Bundesversammlung wieder möglich.