Bundestag konstituiert sich Was tun die denn jetzt die ganze Zeit?

Stand: 22.10.2013 02:44 Uhr

Noch gibt es keine neue Regierung, doch der Bundestag kommt bereits zur ersten Sitzung zusammen. Was machen die Abgeordneten denn nun die ganze Zeit? Und könnten sie einfach schnell ein Gesetz beschließen? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Von Zusammengestellt von Sarah Welk, tagesschau.de

Die neue Regierung steht ja noch gar nicht. Womit beschäftigen sich die Parlamentarier denn bis zum Ende der Koalitionsverhandlungen?

"Der Bundestag ist arbeitsfähig, auch wenn es noch keine Regierung gibt", sagt die Sprecherin des Bundestags, Silke Dierkes, im Gespräch mit tagesschau.de. Nach der Konstituierung des Parlaments würden Ausschüsse gebildet. "Dort treffen sich die Abgeordneten dann bereits zu Beratungen", so Dierkes weiter. Im Plenum kommen die Volksvertreter vorerst nicht mehr zusammen. Zur zweiten Sitzung treffe sich der Bundestag erfahrungsgemäß erst wieder, wenn die Wahl des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin auf der Tagesordnung steht.    

Könnte der Bundestag einfach schnell ein Gesetz beschließen, bevor es eine Regierungskoalition gibt?

Theoretisch wäre das laut Bundestagssprecherin Silke Dierkes möglich: "Wenn die Mehrheit der Abgeordneten dafür stimmt, dann kann eine Gesetzesvorlage verabschiedet werden." Einen entsprechenden Vorstoß hatte die Linkspartei kürzlich unternommen: Sie forderte SPD und Grüne auf, die Zeit ohne neue Regierungskoalition zu nutzen, um schnell einen flächendeckenden Mindestlohn zu verabschieden. "Es steht 319 zu 311 für den Mindestlohn. Das müssen wir nutzen", sagte Parteichefin Katja Kipping.  SPD und Grüne lehnten den Vorschlag jedoch ab.

Einen vergleichbaren Fall gab es im Jahr 2008 in Hessen. Gegen den Willen der geschäftsführenden Regierung von Roland Koch (CDU) schafften SPD, Grüne und Linkspartei die Studiengebühren ab, obwohl sie nicht miteinander koalierten.

Was darf eine geschäftsführende Bundesregierung?

Kurz nach der ersten Parlamentssitzung überreicht Bundespräsident Joachim Gauck Kanzlerin Angela Merkel und den Mitgliedern des schwarz-gelben Kabinetts ihre Entlassungsurkunden. Die Regierung bleibt aber geschäftsführend im Amt, bis die Koalitionsverhandlungen beendet sind.

Grundsätzlich besitzt eine geschäftsführende Regierung laut einem Bundestagsgutachten dieselben Befugnisse wie eine "reguläre" Bundesregierung. Theoretisch dürfte sie also auch Gesetzesinitiativen starten oder den Haushalt einbringen. Verfassungsrechtler gehen allerdings davon aus, dass eine solche Regierung ihr Amt mit größtmöglicher Zurückhaltung ausüben sollte.

Ein Austausch von Personen ist allerdings nicht mehr möglich, hier gilt das "Versteinerungsprinzip". Sollte also ein Ministeramt frei werden, muss ein anderes Regierungsmitglied die Aufgaben zusätzlich übernehmen. So wurde Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) bereits verabschiedet, da sie das Amt der bayerischen Wirtschaftsministerin übernommen hat. Ihr Ressort verwaltet vorübergehend Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

Eine geschäftsführende Regierung darf zudem keine Vertrauensfrage stellen, auch ein Misstrauensantrag des Parlaments ist ausgeschlossen.

Und was ist mit den FDP-Ministern?

Auch die Minister der FDP bleiben vorerst geschäftsführend im Amt, obwohl die Liberalen künftig nicht mehr im Parlament vertreten sind. Ob sie allerdings noch öffentlich auftreten werden, ist unklar. Entsprechende Termine würden mit einer gewissen Zurückhaltung geprüft, hieß es bei den Liberalen. 

Wie lange darf die geschäftsführende Bundesregierung im Amt bleiben?

Eine rechtliche Frist für die Neuwahl des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin gibt es nicht. Festgelegt ist lediglich, dass der Bundespräsident dem Parlament innerhalb einer "angemessenen Frist" einen entsprechenden Vorschlag vorlegen muss. So könnte er bei übermäßig langen Koalitionsverhandlungen theoretisch das Wahlverfahren in Gang setzen.  Sollte im dritten Wahlgang kein Bewerber die absolute Mehrheit erhalten, entscheidet der Bundespräsident, ob er den mit einfacher Mehrheit Gewählten zum Kanzler ernennt oder den Bundestag auflöst. In diesem Fall muss das Parlament innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden. 

Wie lange dauerten Koalitionsverhandlungen nach Bundestagswahlen in der Vergangenheit?

Am schnellsten einigten sich SPD und FDP nach der Bundestagswahl 1969 und CDU, CSU und FDP im Jahr 1983: Vom Tag der Wahl bis zur Vereidigung des Kabinetts dauerte es jeweils nur 24 Tage. Im Jahr 2005 benötigten CDU und SPD 65 Tage, um sich zu einigen. Der Rekord für Regierungsbildungen in der Bundesrepublik liegt allerdings bei zweieinhalb Monaten. 1976 dauerte es 73 Tage, bis SPD-Kanzler Helmut Schmidt nach seinem Erfolg gegen CDU-Herausforderer Helmut Kohl vom Bundestag wiedergewählt wurde.