Abstimmung über Griechenland-Verhandlungen Bundestag sagt "Nai"

Stand: 17.07.2015 16:50 Uhr

Der Bundestag hat die Voraussetzungen für ein drittes Griechenland-Hilfspaket geschaffen. In der Abstimmung sagten 439 Abgeordnete "Nai" - also "Ja" zu Verhandlungen mit Athen. 119 Parlamentarier stimmten dagegen. In der Union war der Widerstand größer als erwartet.

Der Bundestag hat sich eindeutig für Verhandlungen über neue Griechenland-Kredite ausgesprochen. In der namentlichen Abstimmung votierten 439 Abgeordnete für, 119 gegen die Gespräche. Durch die Zustimmung des Parlaments hat die Regierung nun das Mandat, über ein drittes Hilfspaket für Griechenland zu verhandeln.

Insgesamt gaben 598 der 631 Abgeordneten ihre Stimme im Bundestag ab. Sie waren eigens für die Abstimmung aus der Sommerpause geholt worden.

Abstimmung über Griechenland-Verhandlungen
Ja-Stimmen 439
Nein-Stimmen 119
Enthaltungen 40

65 Unionsabgeordnete gegen Merkels Kurs

Innerhalb der Union war der Widerstand gegen die Kanzlerin größer als erwartet. 65 Abgeordnete von CDU und CSU verweigerten Angela Merkel die Gefolgschaft. 60 stimmten mit Nein, fünf enthielten sich. 241 votierten mit Ja. Vor der Abstimmung hatten 48 Unionsabgeordnete angekündigt, gegen den Antrag stimmen zu wollen. Nein-Stimmen kamen unter anderem von Wolfgang Bosbach (CDU), Klaus-Peter Willsch (CDU) und Peter Ramsauer (CSU).

Im Vergleich zur letzten Griechenland-Abstimmung im Februar verdoppelte sich die Zahl der Abweichler bei der Union. Damals wurde über die Verlängerung des inzwischen ausgelaufenen zweiten Kreditprogramms abgestimmt. 29 Unionsabgeordnete stimmten mit Nein, drei weitere enthielten sich.

Linkspartei dagegen, Grüne unentschieden

Die SPD-Fraktion stimmte bei 175 Ja-Stimmen und vier Nein-Voten nahezu einhellig für die neuen Verhandlungen. Unter den Gegner neuer Gespräche war auch der frühere Kanzlerkandidat Peer Steinbrück.

Die Linkspartei als größte Oppositionsfraktion lehnte die Verhandlungen mit 53 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen rundweg ab. Die Grünen gaben ein gemischtes Bild ab: Von ihnen gab es 23 Ja- und zwei Nein-Stimmen bei 33 Enthaltungen.

"Unverantwortlich - diesen Weg nicht zu versuchen"

In der emotional geführten Debatte vor der Abstimmung hatte Kanzlerin Merkel für Unterstützung ihrer Linie geworben und gesagt: "Wir würden grob fahrlässig, ja unverantwortlich handeln, wenn wir diesen Weg nicht wenigstens versuchen würden." Ohne neue Kredite für Griechenland drohe "Chaos", sagte die Kanzlerin.

Auf die Frage, ob die Vorteile der getroffenen Vereinbarung die Nachteile überwiegen, "lautet meine Antwort aus voller Überzeugung Ja", sagte Merkel. "Wir tun dies für die Menschen in Griechenland, aber wir tun es genauso für die Menschen in Deutschland."

Gabriel will helfen - aus "Mitmenschlichkeit"

Für SPD-Chef Sigmar Gabriel steht fest: Ein drittes Hilfspaket für Griechenland muss aufgesetzt werden. Das wichtigste Argument für die Hilfe sei die Mitmenschlichkeit: "Wir können und dürfen diese Menschen in Griechenland nicht im Stich lassen", sagt der Vizekanzler. Es gebe in Europa keinen Platz für hungernde Kinder, bettelnde Rentner und Suppenküchen.

Opposition greift Schäuble an

Die Opposition griff vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble an. Er habe mit seiner Drohung eines "Grexit auf Zeit" den Ruf Deutschlands zerstört, kritisierte der Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi. "Sie sind dabei, die europäische Idee zu zerstören", sagt er. Schäubles Politik sei unsozial, undemokratisch und anti-europäisch.

Auch die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf der Bundesregierung eine Spaltung Europas vor. Die Drohung mit einem Grexit gegen Griechenland sei fatal gewesen. Sie forderte eine Schuldenerleichterung und zusätzliche Investitionen in Griechenland.

Fahrplan für Griechenland

Auf dem Weg zu einem dritten Hilfspaket hat Griechenland erste Hürden genommen. Diese Schritte stehen nun an:

Am 20. Juli muss Athen rund 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. EZB-Präsident Mario Draghi ging zuletzt davon aus, dass die Rate gezahlt wird. Auch sollen die geschlossenen Banken in Griechenland an dem Tag wieder öffnen, wie Vize-Finanzminister Dimitris Mardas ankündigte. Beschränkungen für Bargeldabhebungen und Überweisungen dürften aber länger bestehen bleiben. Griechenland soll am 20. Juli auch einen ersten Vorschlag zur Modernisierung der Verwaltung vorlegen. Deren Ineffizienz gilt als eines der größten Hindernisse bei der Umsetzung von Reformen.

Am 22. Juli muss Griechenland weitere Reformen beschließen. So sollen Gerichtsverfahren beschleunigt und die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken umgesetzt werden. In diesen Tagen muss die EZB auch beraten, wie es mit den Ela-Notkrediten für griechische Banken weitergeht. Die EZB hatte die Nothilfen am 16. Juli um 900 Millionen Euro für eine Woche erhöht.

Bis Mitte August könnte dass dritte Hilfspaket ausgehandelt sein. Viele Parlamente müssen dem Paket dann noch zustimmen, etwa in Spanien, Portugal und Deutschland. Wann der Bundestag entscheiden könnte, ist noch offen.

Quelle: dpa