Bundestag debattiert über EU-Haushalt In welcher Verfassung ist Europa?

Stand: 21.02.2013 11:13 Uhr

Noch ist unklar, ob das EU-Parlament dem EU-Budget zustimmen wird. Insofern war die heutige Debatte im Bundestag ein Vorgeschmack auf das anstehende Ringen in Brüssel. So sprach Kanzlerin Merkel von einem guten Kompromiss, ihr SPD-Herausforderer Steinbrück erkannte dagegen einen Etikettenschwindel.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Bundestag die Einigung der EU-Chefs auf die mittelfristige Finanzplanung der Europäischen Union als guten Kompromiss gelobt. Der Finanzrahmen für 2014 bis 2020 ermögliche mehr Wettbewerb sowie eine nachhaltige Stabilisierung des Euro und sei ein klares Signal für mehr Wachstum und Beschäftigung, sagte Merkel in einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel von Anfang Februar.

Die Bundesregierung habe auf dem Gipfel alle ihre Ziele erreicht, betonte Merkel. Insbesondere hob sie hervor, dass erstmals ein Finanzrahmen kleiner ausfalle als der vorherige. Es sei niemandem zu vermitteln gewesen, wenn ganz Europa sparen müssen, die EU aber nicht.

Für den Kompromiss seien aber Zugeständnisse erforderlich gewesen, räumte die Kanzlerin ein. So werde es künftig weniger Rückflüsse aus EU-Mitteln nach Deutschland geben. Auch steige die Nettolast für Deutschland. Insgesamt sei die Lastenverteilung zwischen den Nettozahlern aber nun fairer.

Merkel appellierte an das EU-Parlament, den Finanzrahmen nicht scheitern zu lassen. Sie verwies darauf, dass der EU-Rat dem Parlament bei der flexiblen Gestaltung des Haushalts entgegengekommen sei und rief die EU-Abgeordneten auf, sich auf das Gemeinsame anstatt das Trennende zu konzentrieren.

Die Opposition ist nicht einverstanden

In seiner Entgegnung bezeichnete SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück den EU-Haushalt als "Etikettenschwindel" mit großer politischer Sprengkraft. Steinbrück wies auf die dramatische Arbeitslosigkeit in vielen Ländern Europas und auf die zunehmende Verelendung großer Teile der Bevölkerung vor. Hier fehle eine Wachstumsperspektive, betonte Steinbrück und bemängelte, dass die Kanzlerin bei den Verhandlungen die Position des britischen Premiers und EU-Skeptikers David Cameron unterstützt hatte.

Steinbrück kritisierte, dass die Bundesrepublik durch ihre Exportüberschüsse für einen Teil der Probleme in Europa verantwortlich sei. Deutschland brauche deshalb mehr Lohngerechtigkeit, um über mehr Kaufkraft zu einer stärkeren Inlandsnachfage zu kommen.

Merkel bezeichnete der Herausforderer als "Last-Minute-Kanzlerin", die die "Niederungen der Politik" scheue und eine "Neigung zum Nicht-Handeln" habe.

Mehrjähriger EU-Finanzrahmen

Mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) legt die EU Obergrenzen und Schwerpunkte ihrer Haushalte fest. Für einen Zeitraum von sieben Jahren werden unter anderem die maximalen Gesamtausgaben und die Verteilung auf wichtige Aufgabenbereiche vereinbart. Innerhalb dieser Vorgaben müssen sich später die jährlichen Etats bewegen.

Wie der MFR zustande kommt, ist im Vertrag von Lissabon festgelegt. Es handelt sich im Kern um eine Verordnung. Den Vorschlag dafür legt die EU-Kommission vor. Im nächsten Schritt verhandeln die Regierungen der EU-Staaten über einen Kompromiss, sie können die MFR-Verordnung nur einstimmig beschließen. Zuvor muss aber auch das Europaparlament zustimmen. Wegen des drohenden Vetos beeinflussen die Änderungswünsche der Parlamentarier die Beratungen der Regierungen der EU-Staaten. Kommt es nicht rechtzeitig zu einer Einigung, gelten die Obergrenzen des letzten Jahres aus dem vorangegangenen MFR zunächst weiter.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle griff Steinbrück frontal an, lobte zunächst aber erst einmal eine "hohe Staatskunst" von Merkel. Auf dem EU-Gipfel sei es ihr gelungen, die Nettozahler bei der Stange zu halten, sagte Brüderle unter Verweis auf die anfangs starre Haltung Großbritanniens.

Er sei froh, dass die Kanzlerin in Brüssel verhandelt habe, und nicht Peer Steinbrück, "der schon mal als 'diplomatische Neutronenbombe' bezeichnet wurde". Steinbrücks Kritik am deutschen Exportüberschuss bezeichnete er als "irreal".

Scharfer Widerspruch kam von den Linken. Fraktionsvize Sahra Wagenknecht bemängelte, statt den Euro langfristig zu stabilisieren und die Zukunft der EU-Bürger zu sichern, habe es in den vergangenen Jahren nur ein "Großbanken-Subventionsprogramm" mit einer milliardenschweren "Vollkasko-Verlustversicherung" gegeben.

Die Grünen nannten den Sparhaushalt eine falsche Weichenstellung in Zeiten einer anhaltenden Wirtschaftskrise. Statt zu investieren werde weiter subventioniert und Klientelpolitik betrieben, klagte Fraktionschef Jürgen Trittin. Er erinnerte daran, dass Deutschland vor wenigen Jahren mit kreditfinanzierten Investitionen genau den anderen Weg beschritten habe. Nun aber solle in der EU auf Sparen gesetzt werden. Das sei "weniger Europa" und unverantwortlich.

Der neue EU-Haushalt hat eine Obergrenze von 960 Milliarden Euro. Damit hatte der EU-Gipfel erstmals einen Etat ohne inflationsbereinigten Zuwachs beschlossen. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hatte nach dem Gipfel damit gedroht, den Finanzrahmen im Parlament scheitern zu lassen.