
Bluttest-Affäre in Heidelberg Geschäfte mit der Wissenschaft
Stand: 16.07.2019 22:29 Uhr
Forscher präsentieren einen Bluttest, um Brustkrebs zu erkennen - doch der Test ist noch gar nicht marktreif. Ein Einzelfall? Oder ist das deutsche Wissenschaftssystem reformbedürftig?
Von Julia Henninger und Sebastian Deliga, SWR
Eine PR-Aktion, eine chinesische Chemiefirma, ein umtriebiger Investor: Die Zutaten der Bluttest-Affäre in Heidelberg klingen nicht nach seriöser Wissenschaft, sondern eher nach einem Wirtschaftskrimi.
Darum geht es: Im Februar dieses Jahres präsentieren die Professoren Christof Sohn und Sarah Schott aus Heidelberg auf einer Pressekonferenz einen angeblichen "Meilenstein". Gemeint ist der Bluttest, der Brustkrebs erkennen soll. Die "Bild"-Zeitung berichtet exklusiv, eine PR-Firma sorgt für Publicity. Problem: Der Bluttest ist gar nicht marktfähig. Strittig ist, ob überhaupt ein Prototyp existiert.
Firmengeflecht zur Vermarktung
Allerdings sind schon Investoren an Bord und auch das Uniklinikum würde mitverdienen - über eine eigene Transferfirma. Ein Firmengeflecht, das so aussieht: Dem Uniklinikum Heidelberg gehört die Transfergesellschaft TTH. Sie soll helfen, Forschungsergebnisse auf den Markt zu bringen. Die TTH ist beteiligt an einem weiteren Unternehmen: Der Heiscreen GmbH. Der TTH gehört etwa die Hälfte dieser Firma. Auch die beiden Professoren Sohn und Schott halten Anteile. Knapp 40 Prozent der Firma gehören Investor Jürgen Harder, bekannt als Lebenspartner von Franziska van Almsick und Freund von Sohn.
Zur gleichen Zeit wurde ein zweites Unternehmen gegründet: Heiscreen NKY. Es soll den Bluttest auf den chinesischen Markt bringen. Anteile hält neben der TTH und den beiden Medizinern die chinesische Chemie- und Pharmafirma NKY Medical Holdings. Die Chinesen wollen hohe Summen in den Test investieren.
Vermeintlicher Meilenstein gegen Brustkrebs wird zum Skandal
tagesthemen 22:15 Uhr, 07.05.2019, S. Deliga/J. Henninger, SWR
"Durch wirtschaftliche Interessen korrumpiert"
Transfergesellschaften, mit denen Erfindungen vermarktet werden, sind üblich in der Welt der Wissenschaft. Wolfgang Wodarg von Transparency International sieht das kritisch: "Aufgabe der Wissenschaft ist es, nach Wahrheit zu suchen. Dieses Ziel wird durch wirtschaftliche Interessen korrumpiert." Dadurch verspiele die Wissenschaft das in sie gesetzte Vertrauen. So werde ein Professor daran gemessen, wieviel Drittmittel er aus der Industrie an Land ziehe.
"Der Staat fordert die Universitäten geradezu auf zur Prostitution", so Wodarg. Universitäten, die von der Bundesregierung als Leuchtturmprojekte gefördert würden, zeichneten sich dadurch aus, "dass sie sich gut vermarkten können und besonders viel privates Kapital an Land ziehen", sagt Wodarg. "Das wird belohnt. Aber es wird nicht belohnt, ob sie nach Wahrheit suchen. Das ist aber ihre Aufgabe."
Forderung nach unabhängiger Forschung
Wodarg fordert eine klare Trennung der Interessen: Alles müsse dokumentiert und genehmigt werden. Professoren sollten unabhängig forschen und nicht über Geldgeber entscheiden. Auch dürften sie keine Anteile an Firmen haben, die ihre eigenen Forschungsergebnisse vermarkten. "Wir brauchen eine unabhängige staatliche Stelle an den Universitäten, die das kontrolliert - und zwar transparent."
Bevor in Heidelberg Heiscreen entstand, hat am Uniklinikum eigentlich eine Chinesin am Bluttest geforscht: Rongxi Yang. Sie wurde vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert, um ein Start-up zu gründen und ihre Forschung zu vermarkten. Sie war es, die die Kontakte zu der chinesischen Firma NKY knüpfte. Bei den Verhandlungen mit den Investoren hatte es Zerwürfnisse zwischen Yang und der TTH gegeben. Yangs Vertrag wurde aufgelöst. Damit war sie raus. Als Geschäftsführer wollte sie zuvor den erfahrenen Start-up-Gründer Andreas Schmidt beteiligen.
"Forschung muss Menschen zugutekommen"
Schmidt ist Biotech-Gründer, lebt in Singapur und Köln. Als Unternehmer sieht Schmidt Gründungen naturgemäß positiv. "Die Forschung muss auch den Menschen zugutekommen. Dafür brauchen wir die Wirtschaft, die die Erfindungen auf den Markt bringt." Auch er sagt: Klare Spielregeln und Transparenz seien bei Gründungen in der Wissenschaft essentiell. Das ist an deutschen Universitäten seiner Ansicht nach auch gegeben. Heidelberg sei ein Einzelfall. Dort habe es an Erfahrung gefehlt.
"Was schwierig ist: Wenn bei einer Gründung Angehörige der Uni gleichzeitig auch aktive Geschäftsführer des Unternehmens sind. Das muss getrennt sein. Diese Schnittmenge war komisch vermengt in Heidelberg. Das habe ich auch so noch nirgends gesehen", so Schmidt. Sohn war von 2017 bis Februar 2019 gleichzeitig Professor, Geschäftsführer und Anteilseigner der Heiscreen GmbH, die den Bluttest auf den Markt bringen wollte.
Auch einer der Geschäftsführer der TTH, gleichzeitig am Uniklinikum für Recht und Drittmittelmanagement verantwortlich, war als Angehöriger des Uniklinikums ebenfalls Geschäftsführer von Heiscreen bis zum 15. Juni 2018. Er wurde mittlerweile freigestellt.
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