
BGH zu Eigenbedarf Gerichte müssen Härtefälle genau prüfen
Stand: 22.05.2019 15:36 Uhr
Melden Vermieter Eigenbedarf an, müssen Mieter aus der Wohnung raus. Es sei denn, sie sind zu alt oder zu krank. Solche Härtefälle müssen Gerichte gründlich prüfen, entschied nun der Bundesgerichtshof.
Bei Kündigungen wegen Eigenbedarfs dürfen Gerichte in entsprechenden Verfahren nicht pauschal urteilen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Demnach müssen Gerichte genau klären, ob ein Härtefall vorliegt.
In bestimmten Fällen müssen Gerichte einen Gutachter befragen. Das ist laut BGH notwendig, wenn der Mieter eine Verschlechterung seiner Gesundheit geltend macht und ein ärztliches Attest vorliegt. "Allgemeine Fallgruppen, etwa ein bestimmtes Alter des Mieters oder eine bestimmte Mietdauer, in denen generell die Interessen einer Partei überwiegen, lassen sich nicht bilden", so der BGH. Er hob deshalb zwei Urteile auf.
BGH-Urteil: Eigenbedarfskündigungen und Härtefallregelungen
tagesthemen 23:00 Uhr, 22.05.2019, Tina Alfes, SWR
Kläger bekommen Recht
Damit war in einem Fall ein Vermieter mit seiner Revision erfolgreich. Der Familienvater hatte für seine Berliner Wohnung Eigenbedarf angemeldet. Die 80 Jahre alte Mieterin sollte nach 45 Jahren ausziehen - trotz des hohen Alters und ihrer Demenz-Erkrankung. Ob die Frau die Wohnung nun verlassen muss, hängt davon ab, ob sie in einem neuen Prozess negative gesundheitliche Folgen bei einem Umzug nachweisen kann.
Im zweiten Fall entschied der BGH zugunsten von zwei Mietern einer Doppelhaushälfte in Kabelsketal in Sachsen-Anhalt. Die Eigentümerin wollte mit ihrem Freund einziehen - ursprünglich, um der pflegebedürftigen Großmutter näher zu sein, die aber in der Zwischenzeit starb. Die Mieter hielten einen Umzug aus gesundheitlichen Gründen aber für unzumutbar. Auch hier muss ein neuer Prozess klären, wie sich ein Umzug auf die kranken Mieter auswirken würde.
Viele Eigenbedarfskündigungen
Nach dem Gesetz kann ein Vermieter einem Mieter kündigen, wenn er Eigenbedarf für sich, seine Familie oder Angehörige seines Haushalts geltend macht. Der Mieter kann sich unter Verweis auf einen Härtefall dagegen wehren. Weil viele Wohnungen fehlen und es immer mehr ältere Mieter gibt, müssen sich die Gericht mit immer mehr Härtefällen beschäftigen.
Laut Deutschem Mieterbund (DMB) ist Eigenbedarf der häufigste Kündigungsgrund. Geschäftsführer Ulrich Ropertz geht von jährlich 80.000 Fällen aus. "Die Gerichte haben in den letzten Jahren die Eigenbedarfskriterien stark aufgeweicht." Dagegen warnte der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland vor "einseitiger Stimmungsmache".
Aktenzeichen: VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17
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