
Illegale Inhalte im Netz "Da hilft auch jahrelange Erfahrung nicht"
Stand: 10.03.2020 17:32 Uhr
Die Zahl der berechtigten Beschwerden über illegale Inhalte im Netz hat deutlich zugenommen. Bei den meisten Fällen ging es um Kinderpornografie und Hasskriminalität. Für die Prüfer ist das oft schwer zu ertragen.
Von Georg Schwarte, ARD-Hauptstadtstudio
Es klingt so freundlich, aber hinter der Abkürzung Eco verbirgt sich die Beschwerdestelle des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft im Kampf gegen illegale Internetinhalte. Und die Juristen dort vom Electronic Commerce Forum (Eco) müssen einiges aushalten.
"Das erwischt uns nach wie vor immer wieder, dass wir Inhalte sehen und sagen: Mann, das war jetzt echt hart. Da hilft auch jahrelange Erfahrung nicht", sagt Alexandra Koch-Skiba. Sie leitet die Beschwerdestelle und sieht in ihrem Job Kinderpornografie der übelsten Sorte, Hass und Hetze. Seit knapp 25 Jahren gibt es die Stelle, aber noch nie hat es so viele berechtigte Beschwerden von Bürgern, Vereinen oder anonymen Hinweisgebern über mutmaßlich verbotene Inhalte im Internet gegeben wie 2019.


Kritik übte die Leiterin der Beschwerdestelle, Koch-Skiba, an der geplanten Reform des Jugendschutzgesetzes. Der aktuelle Vorschlag konfrontiere "die Anbieter von Telemedien mit einer Mehrfachregulierung und doppelten Aufsichtsstrukturen, anstatt das funktionierende Jugendschutz-System zu modernisieren".
Nutzer sind sensibler geworden
Kein Wunder, sagt die Staatsministern im Bundeskanzleramt, die Digitalisierungsbeauftragte Dorothee Bär: "Wir sind in den letzten Wochen noch wesentlich sensibler geworden, auch wegen des Rechtsterrors, der erkannt wurde, und wegen der Morde in Hanau." Auch die Bürger seien sensibler geworden bei Dingen, die sie früher vielleicht einfach weggeklickt oder ignoriert hätten. "Die Dinge werden jetzt gemeldet."
Mehr als 311.000 Beschwerden gingen 2019 ein, die meisten drehten sich wie in den Vorjahren um Spam-E-Mails. 4654 der Beschwerden stellten sich aber als berechtigt heraus, verstießen also gegen geltende Gesetze. Das waren 50 Prozent mehr als noch im Vorjahr. 4371 von ihnen betrafen kinderpornografische Inhalte. 80 Prozent aller berechtigten Beschwerden haben obendrein einen Auslandsbezug. Die Server stehen in den USA, Russland oder China. Auch deshalb dauert es von der Festsellung einer berechtigten Beschwerde bis zum Löschen dann teilweise vier Wochen. Sitzt der Anbieter in Deutschland, sind es im Schnitt 2,5 Tage.
Vieles bleibt Neuland
Bär sagt, auch der Gesetzgeber habe häufig Schwierigkeiten nachzukommen, weil immer wieder neue Phänomene auftauchten - Stichwort Internet als Neuland, wie es die Kanzlerin einst sagte. "Das wurde ja lange Jahre belächelt. Ich hab das nie ganz verstanden, als die Kanzlerin von Neuland sprach und der Shitstorm losbrach, weil sich ja alle so viel besser auskannten. Ich finde, dass wir bei vielen Dingen, die wir täglich erleben, ganz oft von Neuland sprechen können."
95 Prozent der berechtigten Beschwerden endeten damit, dass Eco die Provider kontaktierte, Staatsanwälte teilweise strafrechtlich ermittelten. Am Ende wurden die meisten Inhalte gelöscht. Das sei auch das Ziel, sagt Koch Skiba: Löschen statt sperren. "Ein Inhalt, der nicht mehr im Internet verfügbar ist, weil der Inhalt gelöscht, die Seite dekonnektiert wurde, kann von keinem mehr aufgerufen werden. Es gibt immer noch Menschen, die nach Sperren rufen. Das verstehen wir nicht, denn Sperren sind wie ein Vorhang, die verbotenen Inhalte sind immer noch verfügbar."
Alexandra Koch-Skiba, eco - Verband der Internetwirtschaft, zur Arbeit der Meldestelle für illegale Internetinhalte
tagesschau24 11:00 Uhr, 10.03.2020
Geschmacklos - aber legal
Aber was ist verboten? In der Bevölkerung wächst offenbar das Unbehagen bei vielem, was am Ende dann doch der Meinungsfreiheit unterliegt, zum Beispiel bei verfassungsfeindlichen Inhalten im Netz. Rund 1000 Beschwerden dazu gingen 2019 ein. Am Ende stellten sich ganze 56 als berechtigte Klage heraus. Nicht alles, was Geschmack und Anstand verletzt, ist also strafbar.
Das sei trotzdem schwer zu ertragen, sagt die Juristin. "Manche Sachen sind schwer aushaltbar. Manche Entscheidung kann man auch mit juristischem Background nicht eins zu eins nachvollziehen. Wir nennen das K-Fälle. Kritische Fälle, wo sich unsere Juristen noch mal zusammen drüber beugen."
K-Fälle, Volksverhetzung, Verunglimpfung von Verfassungsorganen: ein Graubereich. Dass sich aber immer mehr Menschen an die Beschwerdestelle des Verbandes der Internetwirtschaft wenden, ist für die Staatsministerin ein ermutigendes Zeichen für mehr Respekt, aber kein Zeichen gegen die Meinungsfreiheit. Die gelte, sagt Bär. Mit dieser Einschränkung: "Hass ist keine Meinung."
Hass ist keine Meinung - Immer mehr Verbotenes im Netz
Georg Schwarte, ARD Berlin
10.03.2020 17:20 Uhr
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