Kai Wegener während seiner Vereidigung

Berliner Abgeordnetenhaus Wegner zum Regierenden Bürgermeister gewählt

Stand: 27.04.2023 20:34 Uhr

Im dritten Anlauf hat es geklappt: Kai Wegner ist zum neuen Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt worden. Auch die AfD-Fraktion will eigenen Angaben zufolge für den CDU-Politiker gestimmt haben.

Kai Wegner ist zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt worden. In den ersten beiden Wahlgängen des Abgeordnetenhauses war der CDU-Politiker gescheitert. Im dritten Anlauf genügte eine einfache Mehrheit. 86 der insgesamt 159 Parlamentsmitglieder stimmten für Wegner und besiegelten so den Wechsel im Amt des Regierungschefs.

70 Abgeordnete votierten im dritten Anlauf gegen Wegner als neuen Bürgermeister und Nachfolger von SPD-Politikerin Franziska Giffey. Drei Parlamentarier enthielten sich. Direkt nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses wurde Wegner als neuer Regierender Bürgermeister vereidigt.

Ole Hilgert, RBB, zum knappen Wahlergebnis für Berlins Bürgermeister Kai Wegner

tagesschau, 27.04.2023 17:21 Uhr

AfD-Fraktion: Haben für Wegner gestimmt

Auch die AfD teilte mit, im dritten Anlauf für Wegner als neuen Regierungschef votiert zu haben, nachdem die Fraktion sich in den ersten beiden Wahlgängen enthalten hatte. Der Schritt sei "nicht leichtgefallen", hieß es in dem Statement der Fraktion, doch "die gesamtstädtische Verantwortung" überwiege. Die AfD kritisierte im Zusammenhang mit der Wahl "die offensichtliche Unfähigkeit" der schwarz-roten Koalition, verlässliche Mehrheiten zu schaffen.

Die Partei hat im Berliner Senat 17 Sitze inne. Wie viele dieser Abgeordneten für Wegner gestimmt haben sollen, ließ die AfD in ihrem Statement offen. Fraktionschefin Kristin Brinker sagte der Nachrichtenagentur dpa, es habe wohl die Hälfte der Fraktionsmitglieder für den CDU-Politiker votiert.

"AfD will chaotisieren"

Wegner selbst zeigte sich überzeugt, dass alle der 86 Stimmen, die er im dritten Wahlgang erhalten hatte, von den insgesamt 86 Abgeordneten der schwarz-roten Koalition stammten. Es sei Taktik der AfD, zu verwirren, sagte der neue Regierende Bürgermeister im rbb-Interview: "Die AfD will chaotisieren."

Doch Wegner räumte auch ein: "Der Start war nicht optimal." Er vermutete, dass es in den ersten beiden Wahlgängen auf beiden Seiten "Abweichler" gegeben habe - sowohl in den eigenen Reihen der CDU als auch bei der SPD. Daher gelte es nun, beide Koalitionsparteien und die Bürgerinnen und Bürger von Berlin "durch gute Arbeit zu überzeugen".

Auch der Chef der Berliner SPD-Fraktion, Raed Saleh, stellte klar infrage, ob Wegner mithilfe von Stimmen aus den Reihen der AfD ins Amt des Regierenden Bürgermeisters gelangt ist. Er gehe "fest davon aus", dass die Mehrheit von 86 Stimmen von der CDU und der SPD stamme.

Saleh übte heftige Kritik an der AfD: "Sie macht, was sie immer macht. Sie spaltet, sie arbeitet mit den Instrumenten der Desinformation und auch der Lüge und ein Stück weit der Heimtücke." Und er betonte nochmals ausdrücklich: "Wir brauchen keine Stimmen von Rechtspopulisten und Nazis - und es gab keine Stimmen von Rechtspopulisten und Nazis."

Kai Wegners Wahl zum ersten Berliner CDU-Bürgermeister gestaltet sich als Zitterpartie

Ole Hilgert, RBB

Merz gratuliert, Ramelow warnt

Vom Chef der Bundes-CDU, Friedrich Merz, kamen Glückwünsche für den neuen Regierenden Bürgermeister. Merz wünschte Wegner "viel Erfolg bei den großen Aufgaben", die in Berlin "in den nächsten Jahren zu bewältigen sind".

Deutlich kritischer blickte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow auf den Wahlausgang in Berlin und zog Parallelen zur Wahl des thüringischen Landeschefs im Februar 2020. Damals war der FDP-Politiker Thomas Kemmerich überraschend mit den Stimmen der CDU und der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Knapp einen Monat später trat er von dem Posten wieder zurück, auf ihn folgte Ramelow in dem Amt.

Die Wahl in Berlin habe erneut gezeigt, dass die AfD "den Parlamentarismus" nutze, "um ihn verächtlich zu machen", kritisierte Ramelow und warnte: "Der schleichende Zersetzungprozess nimmt zu." Für ihn sei es "ein schwerer Tag" - für Berlin und für Thüringen.

tagesschau live: CDU-Kandidat Wegner im dritten Durchgang gewählt

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Keine absolute Mehrheit in den ersten zwei Anläufen

Im ersten Wahlgang hatten 71 der 159 Parlamentarierinnen und Parlamentarier für Wegner gestimmt. CDU und SPD, die sich auf die Bildung einer Koalition in der Bundeshauptstadt geeinigt hatten, verfügen über 86 Stimmen im Abgeordnetenhaus. Im zweiten Anlauf erhielt er in dem geheimen Wahlgang 79 Stimmen und verfehlte damit denkbar knapp die erforderliche Mehrheit von 80 Stimmen.

Vor Beginn des dritten Wahlgangs war auf Antrag von Grünen und Linkspartei der Ältestenrat zusammengekommen, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für die dritte Abstimmung zu klären. Steffen Zillich von der Linkspartei hatte den Antrag damit begründet, dass eine "außergewöhnliche Situation" vorläge, die in Berlin wohl "beispiellos" sei und dass es "erhebliche Unsicherheiten" darüber gäbe, "unter welcher rechtlichen Situation ein solcher dritter Wahlgang stattfinden" könne. Dieser Begründung folgte bei anschließender Abstimmung per Handzeichen eine Mehrheit der Abgeordneten - auch Wegner selbst stimmte dafür, den Ältestenrat zusammenkommen zu lassen.

Grüne und Linke wollten Wahlgang verschieben

Ein weiterer Antrag, mit welchem Grüne und Linkspartei durchsetzen wollten, den dritten Wahlgang zu verschieben, scheiterte jedoch. Sebastian Walter von den Grünen hatte betont: "Berlin braucht eine stabile Parlamentsmehrheit für eine stabile Regierung." Eine solche Stabilität sei aber nicht gegeben, das hätten die ersten beiden Wahlgänge gezeigt.

Heiko Melzer von der CDU hielt dagegen und verwies auf die Berliner Verfassung, die regulär einen dritten Wahlgang mit klaren Regelungen vorsehe. Daher sei eine dritte Abstimmung nicht "instabil oder problematisch", sondern verfassungskonform.

Wegner erster CDU-Regierungschef seit 2001

Der frühere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit war 2006 erst im zweiten Wahlgang mit der denkbar knappsten Mehrheit von einer Stimme wiedergewählt worden. Im ersten Wahlgang war Wowereit durchgefallen. Einen dritten Wahlgang hätte er nicht gemacht, sagte der SPD-Politiker damals.

Wegner ist damit der erste Regierende Bürgermeister aus den Reihen der CDU nach Eberhard Diepgen, der dieses Amt bis Juni 2001 innehatte. Die neue Koalition von CDU und SPD soll das Bündnis aus SPD, Linken und Grünen ablösen, das Berlin seit 2016 regiert hatte.

Knappes Mitgliedervotum bei der SPD

Anders als bei der SPD hatte es bei den Berliner Christdemokraten keine öffentlichen Diskussionen über das schwarz-rote Bündnis gegeben. Bei einem CDU-Parteitag war der Koalitionsvertrag ohne Gegenstimme durchgegangen, bei der SPD fiel die Zustimmung in einem Mitgliedervotum mit 54,3 Prozent deutlich geringer aus. Es war angenommen worden, dass einige Sozialdemokraten aus Ärger über das schwarz-rote Bündnis mit Nein stimmen oder sich enthalten könnten.

Die CDU war als stärkste Partei aus der Wiederholungswahl im Februar hervorgegangen und hatte SPD und Grüne auf die Plätze verwiesen. Die bisherige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey erklärte sich daraufhin bereit, für eine Koalition mit der CDU ihr Amt aufzugeben, das sie bei einer Fortsetzung von Rot-Grün-Rot behalten hätte. Die Abstimmung im Februar war nötig geworden, weil es bei der regulären Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 zahlreiche organisatorische Pannen gegeben hatte.

Leonie Schwarzer, ARD Berlin , tagesschau, 27.04.2023 18:22 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 27. April 2023 um 17:00 Uhr.