Blick auf den Untermarkt mit dem Neptunbrunnen in Görlitz

Jahresbericht Deutsche Einheit Wo es läuft, wo es hakt

Stand: 16.09.2020 15:12 Uhr

30 Jahre nach der Wiedervereinigung gleichen sich die Lebensverhältnisse in Ost und West langsam an. Das zeigt der Jahresbericht zur Deutschen Einheit. Doch in einigen Bereichen gibt es Nachholbedarf.

Von Cecilia Reible, ARD Berlin

Das Titelbild des Jahresberichts zum Stand der Deutschen Einheit spricht für sich: Die Fotomontage zeigt die Fassade eines Hauses im sächsischen Görlitz. Links ist der Zustand in den 1980er-Jahren zu sehen: eine Ruine. Rechts ist das Gebäude nach der Sanierung und Rekonstruktion: ein Schmuckstück.

Alle Jahre wieder, meist kurz vor dem 3. Oktober, legt der Ostbeauftragte der Bundesregierung den Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit vor. Der aktuelle Jahresbericht wurde heute vorgestellt.

In den vergangenen 30 Jahren sei viel geschafft worden, sagt der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Marco Wanderwitz. "Manches hat länger gedauert als geplant. Aber wir können bei ganz vielen Bereichen im Grunde genommen sagen: Einheit vollzogen, Einheit hergestellt, Einheit erreicht."

Marco Wanderwitz bei einer Rede vor der Deutschen Bauindustrie

Der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Marco Wanderwitz, sieht Fortschritte bei der Infrastruktur

Wanderwitz sieht Erfolge

Besonders gut vorangekommen ist aus Sicht des CDU-Politikers die Infrastruktur in den neuen Ländern: Straßen, Energienetze und Krankenhäuser sieht Wanderwitz auf Westniveau. Auch bei der Angleichung der Produktivität, dem Lohn- und Rentenniveau und den Einkommen habe es sehr gute Fortschritte gegeben. 

"Auch wenn wir noch nicht bei 100 Prozent sind, aber in der Rente beispielsweise sind wir bei mehr als 97 Prozent", sagt er. "Und wenn man bedenkt, woher wir 1990 gekommen sind, da lagen wir in der Produktivität bei 37 Prozent und im Lohnniveau bei 50 Prozent. Und sind jetzt nah an 100."

Wirtschaftskraft steigt

Die Wirtschaftskraft liegt in den neuen Ländern, Berlin mit eingerechnet, aktuell bei 79,1 Prozent. Die verfügbaren Haushaltseinkommen in Ostdeutschland erreichen dem Bericht zufolge 88,3 Prozent des Bundesdurchschnitts. Ein Vergleich mit den Zahlen des Vorjahres ist nicht möglich, weil sich die Bezugsgrößen geändert haben: Ostdeutschland wird in diesem Bericht nicht mehr mit Westdeutschland verglichen, wie in den Jahren zuvor, sondern mit Gesamtdeutschland.

Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, sieht die Zahlen denn auch mit Skepsis. Sie kritisiert das nach wie vor niedrigere Lohnniveau in Ostdeutschland. "Wir haben immer noch 20 Prozent weniger bei Vollzeitbeschäftigten in Ostdeutschland. Angesichts dieser deutlichen regionalen Unterschiede kann man immer noch nicht von gleichwertigen Lebensverhältnissen ausgehen."

Unterschiede bestehen weiter

Auch der Ostbeauftragte Wanderwitz räumt ein, dass es an einigen Stellen noch hakt. Solche Unterschiede gebe es aber nicht nur zwischen Ost- und Westdeutschland, sondern auch bei Stadt und Land oder bei strukturstarken und strukturschwachen Regionen.

In einigen Bereichen hat der Osten dem Westen auch etwas voraus. Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen, sieht die neuen Länder zum Teil in einer Vorbildfunktion. So seien etwa sehr viel mehr Frauen erwerbstätig. Zudem gebe es eine bessere Abdeckung mit Kinderbetreuung. "Viele westdeutsche Frauen haben zu Recht gefragt, warum das eigentlich im Osten geht und bei uns nicht." Darüber sollte man auch einmal reden, findet Göring-Eckardt.

Nicht vollständig abgeschlossen

Sorgen bereitet den Politikern die geringere Zustimmung zur Demokratie und ihren Institutionen in Ostdeutschland. Während im Westen 91 Prozent der Menschen die Demokratie für die beste Staatsform halten, sehen das im Osten nur 78 Prozent der Befragten so. Unterschiede gibt es auch bei den Einstellungen zu Fremden oder der Verbreitung rechtsextremistischer Organisationen. Der Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit hält dazu fest: Der Prozess der inneren Einheit ist auch nach 30 Jahren noch nicht vollständig abgeschlossen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 16. September 2020 um 11:00 Uhr.