
Studie der Uni Leipzig Der rechte Rand wird stärker
Stand: 07.11.2018 17:30 Uhr
Eine wachsende Zahl von Deutschen teilt laut einer Studie ausländerfeindliche Ansichten - vor allem im Osten. Eine politische Heimat haben sie bei der AfD gefunden.
Von Philipp Reichert, ARD-Hauptstadtstudio
Fast jeder vierte Deutsche ist ausländerfeindlich. In Ostdeutschland lehnt sogar fast jeder Dritte Ausländer ab. Das sind zentrale Ergebnisse der Studie, die Elmar Brähler von der Universität Leipzig durchgeführt hat.
Zwar seien in Ostdeutschland die Werte 2012 vor der sogenannten Flüchtlingskrise höher gewesen, "dennoch gibt es seit 2016 wieder einen deutlichen Anstieg der ausländerfeindlichen Einstellungen in den neuen Ländern und wir haben damit auch einen signifikanten Unterschied zwischen Ost und West."
"Lehnen Sie Ausländer ab?"
Zusammen mit seinem Kollegen Oliver Decker hat Brähler im Frühjahr dieses Jahres etwa 2400 Menschen befragt. Ihnen haben sie insgesamt 18 Aussagen zu klassischen rechtsextremen Einstellungen vorgelegt: von der Verharmlosung des Nationalsozialismus, über Antisemitismus, darüber, ob man eine Diktatur befürwortet, bis hin zu der Frage, ob man Ausländer ablehnt.
Zwei Beispiele: Ausländer kommen nur nach Deutschland, um den Sozialstaat auszunutzen. Dieser Aussage stimmte bei der Studie etwa jeder dritte Deutsche zu. Ebenfalls jeder Dritte glaubt, dass Deutschland durch zu viele Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet werde. "Dazu muss man sagen: Wir haben geprüft, ob die Beantwortung dieser Frage zusammenhängt mit dem Migrantenanteil im Bundesland. Wir können sagen: Je geringer der Migrantenanteil im Bundesland ist, desto mehr fühlt man sich im gefährlichen Maße überfremdet", so Brähler.
Langzeitstudie: Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland nehmen zu
tagesschau 20:00 Uhr, 07.11.2018, Andreas Jöhrens, RBB
Eine Frage von Gehorsam und Anerkennung
Darüber hinaus benennen die Forscher in ihrer knapp 300-seitigen Studie zwei entscheidende Faktoren, die rechtsextreme Einstellungen begünstigen. Erstens, ob man autoritär denkt, dazu neigt, Andersdenkende auszugrenzen, und bereit ist, sich Autoritäten zu unterwerfen. Und zweitens, ob man sich als Bürger und als Mensch anerkannt und wertgeschätzt fühlt.
"Es geht hier darum: Wie erleben sich Menschen im Kontakt mit staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen? Fühlen sie sich hilflos ausgeliefert, dann neigen sie eher rechtsextremen Einstellungen zu." Ähnlich sei das auch, wenn sie sich im persönlichen Umfeld nicht anerkannt fühlten.
Abwertung bestimmter Gruppen gestiegen
Ablehnung und Anfeindungen bekämen derzeit vor allem Flüchtlinge, Muslime sowie Sinti und Roma zu spüren. Und die Aggression gegen sie nimmt offenbar zu.
Die Zahl der Antisemiten, also derer, die judenfeindlich sind, sei hingegen gesunken - obwohl in den vergangenen Monaten viel über Antisemitismus geredet werde. Aber: "Die Gewaltintention ist bei Antisemiten höher als bei anderen Menschen. Das heißt, die Wahrnehmung einer Zunahme des Antisemitismus hängt nicht zusammen mit einer Zunahme von Antisemiten, aber mit einer zunehmenden Gewalt- und Handlungsbereitschaft von Antisemiten."
Und noch etwas hat sich geändert: Die Studie hat ergeben, dass sich Rechtsextreme zunehmend der AfD zuwenden.
"Wir haben dort tatsächlich mehr als 40 Prozent Ausländerfeindlichkeit, wir haben den höchsten Anteil an antisemitischen Einstellungen in dieser Wählergruppe. Bei der AfD ist jetzt tatsächlich das Wählerpotenzial, das bisher bei CDU, CSU und SPD gebunden war, angekommen und hat dort eine neue Heimat gefunden. Das ist eine deutliche Bewegung."
Autoritarismus-Studie: Mehr Ausländerfeindlichkeit in Deutschland
Philipp Reichert, ARD Berlin
07.11.2018 16:37 Uhr
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels wurde der Studienautor Brähler falsch zitiert. Im vierten Absatz stand fälschlicherweise "desto weniger fühlt man sich im gefährlichen Maße überfremdet", es muss aber heißen "desto mehr fühlt man sich im gefährlichen Maße überfremdet"
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