
Kramp-Karrenbauer zu Kritik "Das verkrampfteste Volk der Welt"
Stand: 06.03.2019 20:02 Uhr
Karneval ist vorbei, doch die Rede vor dem "Narrengericht" beschäftigte CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer auch beim politischen Aschermittwoch. In Demmin beschwerte sie sich über die Kritik an ihrem Auftritt.
Diese Kritik will Annegret Kramp-Karrenbauer nicht auf sich sitzen lassen. Im Streit um ihre Äußerungen vor dem Stockacher "Narrengericht" zur Einführung von Toiletten für das dritte Geschlecht ist die CDU-Vorsitzende zum Gegenangriff übergegangen. Sie könne die Aufregung nicht verstehen, sagte Kramp-Karrenbauer beim politischen Aschermittwoch in Demmin (Mecklenburg-Vorpommern). Die Dinge seien künstlich hochgepuscht worden, kritisierte sie.
Wenn man ihre Rede auf dem "Narrengericht" in Gänze hören würde, werde klar, dass sie sich nicht über Intersexuelle, sondern über Männer habe lustig machen wollen, sagte sie. Die Christdemokratin wies darauf hin, dass das "Narrengericht" sie scherzhaft der "Entmannung der CDU" angeklagt habe.
Kristin Schwietzer, ARD Berlin, zum Auftritt der neuen CDU-Chefin
tagesschau24 19:00 Uhr, 06.03.2019
Kein Fall für die "Goldwaage"
Kramp-Karrenbauer zeigte Unverständnis für die Art und Weise, wie über ihre Äußerungen diskutiert wurde. Die Tradition von Fastnacht bedeute gerade, dass man "nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen muss" erklärte sie. Wenn man weiter "so verkrampfe", bestehe die Gefahr, das "ein Stück Tradition und Kultur in Deutschland" kaputtgehe.
Dass manche politischen Gegner und der Koalitionspartner SPD ihre Äußerungen zu einem Thema gemacht hätten, "zeigt, wie schlimm die Situation bei denjenigen sein muss", sagte Kramp-Karrenbauer. Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 seien die Deutschen das glücklichste Volk auf der Welt gewesen. "Heute habe ich das Gefühl, wir sind das verkrampfteste Volk, das überhaupt je auf der Welt rumläuft. Das kann doch so nicht weitergehen."
Die Parteichefin hatte bei einer Fastnachtsrede in Stockach zu der Einführung von Toiletten für das dritte Geschlecht gesagt: "Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür, dazwischen, ist die Toilette."
Dafür war sie sowohl von der SPD-Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Katarina Barley, als auch vom Grünen-Parteichef Robert Habeck scharf kritisiert worden. Barley sagte, Kramp-Karrenbauer habe "billige Punkte" sammeln wollen mit "Flachwitzen über Menschen mit intersexueller Identität". Grünen-Chef Habeck sagte, man könne ja mal "ins Klo greifen" mit einer Aussage. "Aber es wäre ein leichtes gewesen, sich dafür zu entschuldigen", fügte er hinzu.
Nichts gegen Indianer-Kostüme
Vor ihren Parteifreunden in Mecklenburg-Vorpommern kritisierte die CDU-Chefin auch scharf die Debatte darüber, ob Kinder als Indianer oder Scheichs verkleidet Karneval feiern dürfen, nachdem diese Kostüme in einer Hamburger Kita für unerwünscht erklärt worden waren. Wenn sie an Kinder denke, dann "weniger daran, welche Empfehlung man ausgeben muss, ob ein Kind als Indianer oder Scheich in den Kindergarten kommen darf".
Unter großem Beifall rief sie, sie wünsche sich ein Deutschland, in dem Kinder Cowboy und Indianer spielen dürften und "in dem sie im Kindergarten wahlweise mit der Puppe oder mit Lego spielen dürfen, wie sie es wollen. Ohne dass man ihnen mit drei Jahren schon sagt, dass sie kultursensibel sein müssen."
Reiben am Koalitionspartner
Mit Blick auf den Koalitionspartner SPD beharrte die Christdemokratin auf einer Bedürftigkeitsprüfung bei der Grundrente. Auch die CDU sei für eine Grundrente. Sie solle aber so zielgerichtet vergeben werden, dass sie bei denen ankomme, die sie bräuchten. Daher sei eine Bedürftigkeitsprüfung nötig.
Zugleich attackierte sie die Amtsführung von Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz. Es gehe nicht, dass man in einer Koalition als Finanzminister bei Haushaltsgesprächen nur "schwarze Ministerien bluten" lasse und für SPD-Vorhaben Geld habe. Auch der frühere Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe auf die Einhaltung eines ausgeglichenen Haushalts geachtet - ohne aber einseitig Geld für die Vorhaben nur des einen Koalitionspartners zur Verfügung zu stellen.
Ebenso deutlich stellte sie sich gegen eine restriktive Linie in der Rüstungsexporten. Wenn man sich dafür entscheide, eine Rüstungsindustrie zuzulassen, dann dürfe man nicht "hintenrum versuchen", durch eine enge Auslegung der Richtlinien Rüstungsexporte zu verhindern.
Das Thema Europa
Ihre Partei forderte sie zu einem engagierten Europawahlkampf auf. Es gehe darum, ob man mit den Werten, die man in Deutschland und Europa für wichtig halte, in der Welt noch eine Rolle spiele.
Kramp-Karrenbauer forderte die Europäische Union auf, sich um die wichtigen Themen und "nicht um jede Trinkwasserverordnung, nicht um jede Kleinigkeit" zu kümmern. Der Schutz der Außengrenze sei "die große Frage" - dieser müsse gewährleistet werden.
Kommentar zu Kramp-Karrenbauer: Souverän ist anders
U. Lueb, ARD Berlin
07.03.2019 13:26 Uhr