
Nach Antisemitismus-Warnung "Beschämend für unser Land"
Stand: 25.05.2019 19:36 Uhr
Harsche Reaktionen auf die Warnung des Antisemitismus-Beauftragten vor dem Kippa-Tragen: Justizministerin Barley nannte die Situation "beschämend". Die Innenminister aus Bayern und NRW ermutigten, nicht einzuknicken.
Bundesjustizministerin Katarina Barley hat sich angesichts einer Warnung des Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung zum Tragen der Kippa besorgt gezeigt. "Die immer häufigeren Gewalttaten gegen Jüdinnen und Juden sind beschämend für unser Land", sagte sie dem "Handelsblatt". Rechte Bewegungen griffen die Demokratie im Land an und "zielen auf unser friedliches Zusammenleben", beklagte Barley.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ermutigte Juden in Deutschland zum Tragen der Kippa in der Öffentlichkeit. "Jeder kann und soll seine Kippa tragen, egal wo und egal wann er möchte", erklärte Herrmann.
Kippa tragen sei Teil der Religionsfreiheit
Damit widersprach er einer Warnung Felix Kleins. Dieser hatte der Funke Mediengruppe gesagt, er könne es Juden nicht empfehlen, "jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen". Er begründete dies mit der "zunehmenden gesellschaftlichen Enthemmung und Verrohung", die einen fatalen Nährboden für Antisemitismus darstelle. Etwa 90 Prozent der Straftaten seien dem rechtsradikalen Umfeld zuzurechnen, sagte Klein.
Herrmann sagte hingegen, die Kippa zu tragen sei Teil der Religionsfreiheit. "Wenn wir vor dem Judenhass einknicken, überlassen wir rechtem Gedankengut das Feld", so der Minister.
Juden in Deutschland: Antisemitismusbeauftragter warnt vor Kippa-Tragen
tagesthemen 23:30 Uhr, 25.05.2019, Marie von Mallinckrodt, ARD Berlin
Reul: "Nicht einschüchtern lassen!
Unterstützung bekam er von seinem Amtskollege aus Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU). "Ich kann Jüdinnen und Juden nur ermuntern, sich nicht einschüchtern zu lassen und stattdessen stolz und erhobenen Hauptes durch Deutschland zu gehen - selbstverständlich auch mit Kippa", sagte Reul. "Die nordrhein-westfälische Polizei steht dabei immer an ihrer Seite. Es darf in Deutschland nie wieder No-Go-Areas für Mitbürger jüdischen Glaubens geben."
Friedman: "Das ist ein Offenbarungseid"
Auch Publizist Michel Friedman kritisierte die Warnung. "Das ist ein Offenbarungseid des Staates", sagte Friedman. Er verwies auf Artikel 4 des Grundgesetzes, der unter anderem die Religionsfreiheit garantiert. "Anscheinend versagt der Staat, dies allen jüdischen Bürgern im Alltag zu ermöglichen", sagte er. Wenn ein Beauftragter der Bundesregierung offiziell der jüdischen Gemeinschaft mitteile, sie sei nicht überall in Deutschland vor Judenhass und Gewalt sicher, dann sei "das ein Armutszeugnis für den Rechtsstaat und die politische Realität in Deutschland."
Dort, wo man nicht sicher sei, habe der Staat dies mit allen Mitteln sicherzustellen, sagte der frühere Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. "Der Staat muss gewährleisten, dass Juden sich überall angstfrei zu erkennen geben können."
Diskussion um das Tragen der Kippa in Deutschland
Ulrike Drevenstedt, NDR
26.05.2019 06:34 Uhr
Video
Audio
Aus dem Archiv
Weitere Meldungen aus dem Archiv vom 25.05.2019
- Alle Meldungen vom 25.05.2019 zeigen