
Verfassungsschutzschef zur AfD "Es geht weiter nach rechtsaußen"
Die AfD driftet nach Einschätzung von Verfassungsschutzchef Haldenwang weiter nach rechtsaußen ab. Es gebe in der Partei kaum Widerstand gegen extremistische Strömungen. Gefahren sieht er auch bei rechtsextremistischen Siedlern und "Reichsbürgern".
Die AfD steuert aus Sicht des Verfassungsschutzes inzwischen nahezu ungebremst in Richtung rechtsaußen. "Kräfte, die versuchen, die extremistischen Tendenzen aus der Partei zu verdrängen, nehmen wir kaum noch wahr", sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Gleichzeitig sei zu beobachten, "dass Rechtsextremisten wie Björn Höcke einen starken Einfluss auf die Partei bekommen haben".
Unterschiede zwischen den Ebenen der Partei
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD im März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft - eine Einschätzung, die in erster Instanz durch das Verwaltungsgericht Köln bestätigt wurde.
Die Partei setzt sich gegen die Einschätzung weiterhin juristisch zur Wehr. Das Verfahren beim Oberverwaltungsgericht in Münster läuft noch. "Ohne eine Prognose hinsichtlich unserer nächsten Prüfung abzugeben, bleibt gegenwärtig ein gewisser Trend erkennbar: Es geht weiter nach rechtsaußen", sagte der Verfassungsschutz-Präsident.
Der Verfassungsschutz beobachte allerdings Unterschiede zwischen den verschiedenen Ebenen der Partei. Auf Bundesebene vermeide man eher klare rechtsextremistische Äußerungen, "je tiefer man aber in die Parteistrukturen blickt, desto sichtbarer werden die fremdenfeindlichen, antisemitischen, völkischen und die Würde von Menschen verletzenden Äußerungen".
Ablehnung der Demokratie eint "Reichsbürger"
Mit Blick auf die jüngsten Festnahmen in der "Reichsbürger"-Szene erklärte der Chef des Inlandsgeheimdienstes, es sei besorgniserregend, wie schnell es diesem Zusammenschluss gelungen sei, sich bundesweit zu vernetzen.
Er rechne damit, dass noch weitere Menschen ermittelt würden, die der Gruppierung zuzurechnen seien, sagte Haldenwang. Es wäre übertrieben, hier von der sprichwörtlichen Spitze des Eisbergs zu sprechen. Doch die Ermittlungen ließen vermuten, dass es weitere Beteiligte gebe.
Zu der "heterogenen Mischszene", die hier zu beobachten sei, zählten sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter, teilweise auch Rechtsextremisten, aktive oder ehemalige AfD-Mitglieder, Anhänger verschiedener Verschwörungserzählungen sowie Menschen, die dem vom Verfassungsschutz im April 2021 eingerichteten neuen Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" zuzurechnen seien. "Die einigende Klammer der Akteure ist die Ablehnung und Überwindung des Systems der Bundesrepublik Deutschland", stellte Haldenwang fest.
Rechtsextremistische Siedlungen im Blick
Der Verfassungsschutz richte seinen Blick auch auf Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten, die sich um die "Schaffung eines autarken Rückzugsgebiets für ein Leben unter Gleichgesinnten" sowie um die "Anschlussfähigkeit der eigenen ideologischen Vorstellungen" bemühten. Zu beobachten sei der Ankauf entsprechender Liegenschaften in einigen ostdeutschen Flächenländern sowie in Norddeutschland.
Einige dieser Kollektive seien geprägt von diffus-esoterischen Vorstellungen, teilweise stünden aber auch "klare rechtsextremistische Ideologien" dahinter. Auch "aktionsorientierte Rechtsextremisten oder Akteure der Neuen Rechten" bemühten sich um die Vereinnahmung von einzelnen Ortschaften oder Regionen. Dabei seien oft "rassistische oder antisemitische Narrative" festzustellen.