Eine Frau wird von einer Arzthelferin geimpft.
Hintergrund

Immunschutz nach Impfung Warum nicht alle Antikörper bilden

Stand: 17.06.2021 11:26 Uhr

Die Ständige Impfkommission (STIKO) geht davon aus, dass manche Menschen trotz vollständiger Impfung gegen SARS-CoV-2 keine normale wirksame Immunität aufbauen. Warum ist das so?

Seit mehr als einem halben Jahr wird in Deutschland gegen Covid-19 geimpft. Mittlerweile haben bereits mehr als 27 Prozent der Menschen eine vollständige Grundimmunisierung. Aber nicht alle haben auch Antikörper gebildet.

Es gebe immer mehr Studien, die die Immunantwort der Geimpften überprüfen, sagt Thomas Mertens, der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO), im Gespräch mit tagesschau.de. Bei einigen Menschen, deren Immunsystem medikamentös gebremst wird - die also immunsupprimierende Therapien bekommen -, wirkten die Impfungen weniger gut.

Seit Jahren sei bekannt, dass einige Menschen eine schlechtere Immunantwort aufbauen als andere. Das sei nichts, was mit den Corona-Impfstoffen zusammenhänge, sondern gelte auch für andere Impfstoffe. Immundefizienz nennen Fachleute diese Schwäche des Immunsystems.

Wer ist besonders betroffen?

Nach einer Impfung müssten sich Immunzellen im Körper durch Zellteilung vermehren, um Antikörper zu bilden, erklärt der Dortmunder Immunologe Carsten Watzl im Gespräch mit tagesschau.de. Diesen Mechanismus wenden zum Beispiel auch Krebszellen an. Deshalb bekommen Krebspatienten Medikamente, die die Zellteilung verlangsamen. Damit teilen sich nicht nur die Krebszellen langsamer, sondern auch die Immunzellen, die nach der Impfung Antikörper bilden. So sehe man gerade bei Menschen, die unter einer starken Chemotherapie stehen, dass sie nach einer Impfung kaum Antikörper bildeten, sagt Watzl.

Ähnlich sei es nach Organtransplantationen. Damit der Körper das Spenderorgan nicht abstößt, bekämen auch diese Patienten Medikamente, die das Immunsystem herunterfahren.

Auch einige Menschen, die unter Autoimmunerkrankungen - wie Multiple Sklerose oder Rheuma - leiden, können ähnliche Probleme haben. Bei ihnen, erläutert Watzl, sei das Immunsystem selbst das Problem, denn es kämpfe gegen den eigenen Körper.

Auch bei diesen Patienten werden Medikamente gegeben, die das Immunsystem unterdrücken. Und auch hier gibt es einige wenige Medikamente, die einen Impferfolg schmälern können.

Auch das Alter spielt eine Rolle

In einer kleinen Untersuchung in einem Altenpflegeheim in Dortmund überprüfte Watzl den Antikörperspiegel Geimpfter. Das Ergebnis: Bei manchen war der Antikörperspiegel gering. Die Fähigkeit, eine normale Immunantwort aufzubauen, nehme mit dem Alter ab, sagt STIKO-Chef Mertens. Das sei auch der Grund, warum ältere Menschen manchmal keine stabile Immunantwort mehr aufbauen.

Um genau herauszufinden, welche Menschen eine schlechtere Immunantwort auf die Corona-Impfstoffe haben, müssten jetzt Studien folgen. Erste Untersuchungen hätten bereits begonnen. Die Immunsuppression, also die Unterdrückung des körpereigenen Abwehrsystems, hänge von vielen Faktoren ab und sei sehr unterschiedlich. Dazu gehörten neben der Art der Erkrankung die eingenommenen Medikamente und eben das Alter.

Auffrischungsimpfungen könnten eine Lösung sein

Wenn es erste Studienergebnisse gebe und die verschiedenen Gruppen genau definiert seien, so Mertens, dann müsse man darüber nachdenken, ob und wann eine Auffrischungsimpfung nötig sei. Dafür spricht sich auch Immunologe Watzl aus. Vielleicht müsse bei Menschen mit einer Organtransplantation ein anderer Impfstoff gegeben werden. Bei Krebspatienten könne man abwarten, bis die Chemotherapie beendet ist, danach erhole sich das Immunsystem in den meisten Fällen.

Individuelle Lösungen müssten her, sagen beide Wissenschaftler. Eine pauschale Antwort auf die Frage nach der Immunantwort gebe es nicht. Dafür sei die Reaktion auf die Impfung zu unterschiedlich - hier müsse jetzt die Forschung weiterhelfen.

Wie funktioniert eine Immunantwort?

Durch die Impfung wird der Körper dazu angeregt, Antikörper zu bilden. Sie entstehen innerhalb von Tagen und Wochen durch spezialisierte Blutzellen. Immunologe Carsten Watzl nennt die Antikörper eine "Armee", die durch Zellteilung möglichst schnell anwachsen müsse. Wenn der echte Erreger erneut in den Körper eindringt, sei dieser gewappnet. Die Antikörper blockierten die Bindestelle des Virus, und dann könne dieses die Körperzellen nicht mehr infizieren.

Bereits infizierte Zellen werden durch T-Zellen, umgangssprachlich auch T-Killerzellen, einfach zerstört. Eine Ausbreitung der Krankheit im Körper wird verhindert.

Der zweite wichtige Teil der Immunreaktion sind sogenannte Gedächtniszellen. Solche gibt es sowohl bei den für Antikörperbildung verantwortlichen B-Zellen als auch bei den T-Zellen. Nach einer Infektion bildet der Körper diese Gedächtniszellen, die Information über einen Erreger wie SARS-CoV-2 in sich tragen. Bei einer erneuten Infektion können sie innerhalb eines Tages die Immunreaktion starten, Antikörper produzieren und spezifische T-Zellen bilden. So kann das Virus schnell bekämpft werden. Auch bei SARS-CoV-2 scheint das so zu sein, vermuten Forscherinnen und Forscher. Sie konnten zeigen, dass Genesene T-Gedächtniszellen bilden, die lange im Körper verbleiben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. Juni 2021 um 16:00 Uhr.