Dunkle Straßen in Venezuela (Archivbild)

Stromausfall in Venezuela War es ein "elektromagnetischer Angriff"?

Stand: 24.07.2019 17:36 Uhr

Venezuelas Regierung macht einen "elektromagnetischen Angriff" auf das größte Kraftwerk des Landes für den jüngsten Stromausfall verantwortlich. Ist eine solche Attacke überhaupt möglich?

Es produziert den größten Teil des Stroms für Venezuela: das Guri-Wasserkraftwerk im Bundesstaat Bolivar. 2006 war das 1963 begonnene Prestigeprojekt vom damaligen Staatschef Hugo Chavéz eingeweiht worden. Jetzt soll das Kraftwerk Ziel eines "elektromagnetischen Angriffes" geworden sein - so heißt es in einer Erklärung der venezolanischen Regierung.

Stefan Tenbohlen, Professor an der Universität Stuttgart und Experte für Energieversorgung, hält diese Erklärung für nicht besonders glaubwürdig. Ein solcher elektromagnetischer Angriff sei mit erheblichem Aufwand verbunden, der kaum verdeckt zu bewerkstelligen sei, erklärte er gegenüber tagesschau.de.

Wasserkraftwerk in Guyana (Archivbild)

Das Guri-Wasserkraftwerk liefert den größten Teil des Stroms in Venezuela.

"Daher müsste es eindeutige Beweise geben, die aber nicht gezeigt wurden." Es gebe sicherlich deutlich einfachere, unauffälligere Möglichkeiten, den Kraftwerksbetrieb zu unterbrechen, meint Tenbohlen, zum Beispiel durch direkte Sabotage an den entsprechenden Schaltschränken. "Ein solcher Angriff ist im Nachhinein meistens nicht eindeutig nachweisbar." Eine detaillierte Analyse der Störprotokolle könnte natürlich schon Hinweise auf die Ausfallursache liefern.

USA besitzen elektromagnetische Waffen

Tatsächlich wird in den USA schon länger an sogenannten elektromagnetischen Impulswaffen gearbeitet. So gibt es seit 2012 gibt es das Counter-Electronics High Power Microwave Advanced Missile Project (Raketenprojekt für Hochleistungs-Mikrowellenanwendungen gegen Elektronik, CHAMP).

Dort werden unbemannte Flugkörper entwickelt, die einen starken elektromagnetischen Impuls erzeugen, der mit Mikrowellen sämtliche elektronische Bauteile an seinem Ziel zerstören sollen. Im Gegensatz zu früher entwickelten Systemen, die einen elektromagnetischen Impuls durch eine Nuklearwaffenexplosion produzieren, soll das CHAMP-System Gebäude intakt lassen und auf Lebewesen keinen Einfluss haben. Nach dem Einsatz sind sie in der Lage, sich selbst zu zerstören.

Eine Vertreterin des Forschungslabors der US-Luftwaffe bestätigte im Mai 2019 gegenüber der "Daily Mail", dass inzwischen 20 dieser speziellen Marschflugkörper einsatzbereit seien. Die Raketen müssten jedoch von einem Flugzeug aus abgeschossen werden und hätten eine Reichweite von 700 Meilen (1130 Kilometer) - daher hätte sich ein US-Flugzeug mindestens auf diese Distanz dem Kraftwerk nähern müssen.

Stromausfälle seit Jahren Problem

Schon seit Jahren gibt es in Venezuela immer wieder regionale, aber auch landesweite Stromausfälle. Die Regierung traf deshalb teilweise drastische Maßnahmen zum Stromsparen. Zeitweise wurde die Arbeitswoche auf bis zu zwei Tage reduziert, um Energie zu sparen.

Als Ursachen für die Stromausfälle nennt die Regierung von Präsident Nicolás Maduro meist gezielte Sabotageakte gegen die Infrastruktur. So machte sie beim Blackout im März einen Cyberangriff auf das Regulierungsmodul des Wasserkraftwerks verantwortlich. Die Staatsanwaltschaft leitete deshalb Ermittlungen gegen den selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó ein. Allerdings musste sie auch mehrfach zugeben, dass der Stausee am Guri-Wasserkraftwerk unter ein kritisches Niveau gesunken war.

Opposition sieht Ursachen woanders

Die Opposition sieht Misswirtschaft, mangelnde Wartung und Korruption als Hauptgründe für die Versorgungsprobleme. Der regierungskritische Energieexperte José Aguilar sagte, das Stromnetz in Venezuela sei an einem Kapazitätslimit angelangt und könne die Nachfrage nicht mehr decken. "Die Grenzen für einen sicheren Betrieb werden überschritten, um einige Regionen Venezuelas mit etwas mehr Strom zu versorgen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 23. Juli 2019 um 12:00 Uhr.