UN-Beratungen über den Migrationspakt

Kritik am UN-Migrationspakt Von "Breitbart" in die Weltpolitik

Stand: 29.11.2018 09:58 Uhr

Die Behauptung, der UN-Migrationspakt untergrabe die nationale Souveränität, tauchte zuerst in rechten US-Medien auf. Die AfD entdeckte das Abkommen im Frühjahr für sich.

Die Vorbehalte gegen den UN-Migrationspakt beschäftigen die Öffentlichkeit seit Wochen. Mittlerweile haben eine ganze Reihe von Staaten erklärt, sie wollten das Abkommen nicht mehr unterstützen.

Damit folgen sie einer Entscheidung von US-Präsident Donald Trump vom Dezember 2017. Diese Entscheidung soll laut übereinstimmenden Medienberichten gegen den Willen von der US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, gefallen sein.

"Nicht mit der Souveränität vereinbar"

Die USA betonten in einer Erklärung, sie würden selbst entscheiden, "wie wir unsere Grenzen am besten kontrollieren und wer in unser Land einreisen darf". Der globale Ansatz sei "nicht mit der Souveränität der USA vereinbar".

Zahlreiche Experten meinen hingegen, genau dies sei nicht der Fall, denn in dem Text zu dem Abkommen heißt es unter anderem, der Pakt wahre "die Souveränität der Staaten und ihre völkerrechtlichen Pflichten".

Verschwörungslegenden auf "Breitbart"

Vor der Entscheidung Trumps hatten große rechte Medien in den USA Stimmung gegen das Abkommen gemacht. So berichtete "Breitbart" im Juli 2017 über Äußerungen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, der gewarnt habe, Europa wolle Migrationspläne umsetzen, die von dem US-Milliardär George Soros entworfen worden seien.

Der Name Soros taucht fast immer auf, wenn es um Verschwörungstheorien und Falschmeldungen über Migration und Flucht geht. Zuletzt wurde beispielsweise behauptet, der Milliardär finanziere gemeinsam mit Mastercard Flüchtlinge auf der Balkanroute.

Transparenter Prozess

Im September 2017 meldete "Breitbart" dann, das italienische Außenministerium habe eingeräumt, dass die internationale Gemeinschaft "daran arbeitet, einen globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration zu entwickeln".

Damit wurde der Eindruck erweckt, das Abkommen sollte im Geheimen ausgehandelt werden. Tatsächlich war der Prozess transparent: Die Absicht war in der "New Yorker Erklärung" formuliert worden. Dort hieß es, es sollten Verhandlungen beginnen, um einen globalen Pakt auf den Weg zu bringen, mit dem Migration sicher und geregelt werden soll.

Die UN-Vollversammlung nahm die New Yorker Erklärung am 19. September 2016 an. Der Vorgang an sich und die entsprechenden Dokumente sind öffentlich und einsehbar, zudem wurde in der Resolution festgelegt, dass der weitere Prozess ebenfalls transparent sein müsse. Das geplante Abkommen war also nie geheim, so wie "Breitbart" es suggerierte.

"Souveränität untergraben"

Aber das rechte Nachrichtenmagazin ging noch weiter und brachte erneut Orban und Soros ins Spiel. Orban erklärte demnach, dass die EU und Soros jährlich eine Million Migranten nach Europa bringen wollten, um die nationale Souveränität der Mitgliedstaaten zu untergraben.

"Breitbart" kritisiert Trump

Im Dezember 2017 organisierten die UN in Mexiko dann eine Konferenz zum Migrationspakt, um sich über den Zwischenstand auszutauschen. Im Vorfeld dieser Konferenz, am 30. November 2017, thematisierte "Breitbart" die Haltung Trumps zu dem Migrationspakt.

Es sei inkonsequent, kritisierte "Breitbart", einerseits durch eine strikte Einwanderungspolitik und dem versprochenen Bau einer Mauer bei den Bürgern zu punkten, aber andererseits den UN-Plänen zuzustimmen. Wenige Tage später erklärte Trump den Rückzug von den Plänen.

Kaum Interesse in Deutschland

In Deutschland spielte das Thema zu dieser Zeit kaum eine Rolle. Das Auswärtige Amt thematisierte das Vorhaben im Dezember 2017, um die "wichtigen" deutschen Impulse zu betonen.

Im Frühjahr 2018 diskutierte das EU-Parlament über das Abkommen. Die "Wiener Zeitung" berichtete von einer "verhaltenen Debatte". EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos erklärte demnach, 27 der 28 EU-Staaten würden den Migrationspakt unterstützen. 

AfD: "Koordiniertes Vorgehen"

Zu dieser Zeit entdeckte die AfD das geplante Abkommen als Kampagnenthema. AfD-Funktionär Martin Hebner veröffentlichte eine Präsentation, in der es heißt:

Weder die etablierten Parteien noch unsere "Qualitätsmedien" greifen das Thema auf. Hier liegt unsere Aufgabe und Chance.

Nun sei ein koordiniertes Vorgehen zwischen Fraktion, Partei und FPÖ notwendig, schrieb der Bundestagsabgeordnete - und listete Fragen auf, in denen auch von George Soros die Rede war - und die größtenteils in einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung auftauchten. Die Regierung antwortete darauf am 19. April:

Der Globale Migrationspakt soll rechtlich nicht bindend und damit kein völkerrechtlicher Vertrag im Sinne von Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz sein. Nationale Hoheitsrechte werden durch den Globalen Migrationspakt weder eingeschränkt noch übertragen. Rechtliche Verpflichtungen werden nicht begründet. Eine förmliche Befassung des Bundestages ist daher nicht erforderlich. Gleichwohl hat die Bundesregierung die Fraktionen des Bundestages jeweils über die Möglichkeit informiert, im Zuge der Erarbeitung des Globalen Migrationspakts an bisher stattgefundenen Konsultationen maßgeblicher Interessensträger in Genf und New York teilzunehmen.

Bundespartei schließt sich an

In der "Jungen Freiheit" veröffentlichte Hebners Mitarbeiter Matthias Moosdorf einen langen Artikel zum Migrationspakt, der in Teilen der erwähnten Präsentation ähnelt. Das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND) zeichnete nach, wie sich Moosdorf in den folgenden Monaten vernetzte: Ab Mai habe sich das Abgeordnetenbüro Hebner international ausgetauscht - mit der FPÖ in Österreich, mit der SVP in der Schweiz, mit dem polnischen Botschafter, mit Italienern. Bundesweit hielt Moosdorf Vorträge in den Kreisverbänden.

Screenshot

Kampagne der AfD gegen den Migrationspakt

Im Juli beschloss dann die UN-Generalversammlung den 34-seitigen Text für den Pakt. Nur die USA scherten aus. In Deutschland war das Abkommen weiterhin kein großes Thema.

Im Herbst schloss sich die AfD-Bundespartei der Kampagnen an. Es habe, berichtet das RND, zunächst Skepsis im Bundesvorstand gegeben. Das Thema sei zu komplex, zu sperrig. Doch es erweist sich als viraler Hit. Und nachdem auch Ungarn und Österreich erklärten, sie würden das Abkommen nicht mehr unterstützen, nahm die Diskussion in Deutschland weiter Fahrt auf.

Und in einer von der AfD unterstützten Petition an den Bundestag taucht wieder die Behauptung auf, der Pakt sei "ein Verlust deutscher Souveränität".

Antrag im Bundestag

Auch die CDU beschäftigt das Thema bei der Neubesetzung der Parteispitze. Jens Spahn forderte eine Debatte beim Parteitag. Und im Bundestag soll nun ein Antrag beraten und angenommen werden - gemeinsam von Koalitions- und Oppositionsfraktionen.

Der Antrag stellt klar, dass der Migrationspakt "keine einklagbaren Rechte und Pflichten" begründe und "keinerlei rechtsändernde oder rechtssetzende Wirkung" entfalte. Der Pakt solle einen Beitrag dazu leisten, Migration stärker zu ordnen, zu steuern und zu begrenzen sowie gleichzeitig die Rechte von Migranten zu schützen, heißt es in dem Text.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, weiterhin sicherzustellen, dass durch den Pakt die nationale Souveränität und das Recht Deutschlands, "über seine Migrationspolitik selbst zu bestimmen, nicht beeinträchtigt werden und durch den 'Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration' (GCM) keine nationalen Hoheitsrechte übertragen werden". 

Ob dieser Antrag die massive Kritik entschärfen kann, scheint fraglich. Mehr als 180 Länder wollen das Abkommen dennoch auf dem UN-Gipfel am 10. und 11. Dezember im marokkanischen Marrakesch annehmen, darunter Deutschland.