Donald Trump mit Soldaten am Pentagon
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US-Wahlkampf Wie viel Respekt hat Trump für Soldaten?

Stand: 07.09.2020 16:35 Uhr

Verächtliche Äußerungen über Soldaten - US-Präsident Trump düpiert eigene Wähler. Wenn es auch plausibel erscheint, bleibt ein Nachweis schwer, denn Zeugen müssen um Job und Ruf fürchten.

Abstreiten, das Gegenteil behaupten, die Medien als Fake News bezeichnen, Quellen diskreditieren - es sieht nach dem üblichen Spiel aus, wenn US-Präsident Donald Trump Aussagen oder Lügen vorgeworfen werden. Doch diesmal geht es um sehr viel. Mitten im Wahlkampf werden Worte von ihm bekannt, die eine wichtige Wählergruppe verhöhnen und den Patriotismus des Präsidenten erheblich in Frage stellen sollen: Als "Verlierer" und "Trottel" soll er amerikanische Gefallene des Ersten Weltkriegs bezeichnet haben, die auf einem Friedhof in Frankreich beerdigt sind. Dort war seine Teilnahme an einer Gedenkzeremonie geplant, an der er jedoch nicht teilnahm. Darüber berichtet hatte die Zeitschrift "The Atlantic" am Donnerstag.

Soldaten und Veteranen wenden sich ab

Laut einer Umfrage der unabhängigen Medienplattform "Military Times" mit der Syracuse University unter etwa 1000 aktiven Militärangehörigen ergab bereits im Sommer, dass Trumps Ansehen seit 2016 gefallen ist. Fast 50 Prozent hatten demnach eine ablehnende Haltung gegenüber Trump, 38 waren für ihn. 42 Prozent aller Umfrageteilnehmer missbilligten Trumps Präsidentschaft. Eine Umfrage zu seinem Amtsantritt 2016 hatte noch 46 Prozent Zustimmung ergeben.

Hinzu kamen nach dem "Atlantic"-Bericht empörte Tweets von Veteranen. So fragte US-Generalmajor a.D., Paul Eaton, wie irgendjemand Trump unterstützen könne und beschrieb in einem Video, wie sein Vater über Vietnam abgeschossen worden war.

Verteidigung für Trump

Entsprechend nervös reagierte das Trump-Lager. Nicht nur er selbst behauptete, der Bericht sei frei erfunden. Ihm sprang auch John Bolton zur Seite, der sich nach seinem Rauswurf als Nationaler Sicherheitsberater von Trump abgewandt hatte. Bolton sagte, er habe von Trump keine solchen Worte über die in Frankreich begrabenen Soldaten gehört. In seinen kürzlich erschienen Memoiren nennt er technische Gründe für die Absage Trumps, an der Gedenkzeremonie auf dem Friedhof Aisne-Marne teilzunehmen. Demnach erschwerte Regen die Anreise mit einem Helikopter und die Fahrt mit der Präsidentenlimousine wäre zu lang und zu umständlich gewesen.

Die ehemalige UN-Botschafterin der USA und laut Twitter-Account "stolze Amerikanerin", Nikki Haley, attestierte Trump "enorme Liebe und Respekt" für das US-Militär, für dessen Schutz er sich immer eingesetzt habe. Mit Blick auf ihre möglichen Karriereambitionen unter Trump als Präsident erhielt sie allerdings viel Spott. Zu den Unterstützern zählt auch Trumps Frau Melania und seine Ex-Pressesprecherin Sarah Huckabee Sanders.

In einem neuen Beitrag fragt "The Atlantic" nun, wo die hochrangigen Offiziere der US-Streitkräfte im und außer Dienst seien - jene, die am engsten in militärischen Belangen mit Trump zusammengearbeitet hätten, versehrte Soldaten und Angehörige, die für ihn sprechen würden. Das Schweigen sei überwältigend, stellt der Reporter fest.

Zweifel am Bericht streuen

Trump nannte "The Atlantic" ein "sterbendes Magazin", das im Kampf um Aufmerksamkeit eine "Fake Story" produziert habe. "The Atlantic" ist jedoch eine renommierte Zeitschrift. Der Autor des Artikels, Chefredakteur Jeffrey Goldberg, erhielt Preise für seine Auslandsreportagen.

Während das Magazin in seiner mehr als 150-jährigen Geschichte zurückhaltend in seiner politischen Positionierung blieb, empfahl die Redaktion vor der Präsidentschaftswahl 2016, für Trumps demokratische Rivalin Hillary Clinton zu stimmen. Im März 2019 sprach sich ein Kommentator für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump aus.

Durchaus lässt sich die Frage nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung mitten im Wahlkampf stellen, soll Trump doch die Worte bereits 2018 bei seinem Besuch in Frankreich geäußert haben. Der demokratische Herausforderer Joe Biden nutzte den Artikel sogleich gegen Trump, ebenso das "Lincoln Project", eine Initiative von Trump-Gegnern aus dem Lager der Republikaner.

Der Journalist Glenn Greenwald stellte die Arbeit von Goldberg in Frage. Konkret geht es um Goldbergs Quellen, die dieser lediglich mit "vier Personen mit Wissen aus erster Hand über die Diskussionen an diesem Tag" angab. Greenwald will nicht gelten lassen, dass andere Medien zumindest Teile aus Goldbergs Bericht bestätigten - die Nachrichtenagentur AP, "New York Times", "Washington Post" und sogar "Fox News", Trumps langjähriger "Haussender" mit Bezug auf einen hochrangigen Ex-Beamten der Trump-Regierung, der mit dem Präsidenten gereist war. Die "Washington Post" zum Beispiel fügte Details über Trumps Worte hinzu. AP nannte einen "hochrangigen Beamten des Verteidigungsministeriums", der die Ereignisse aus erster Hand kenne und einen Offizier des Marinekorps, der von Trumps Äußerungen erfahren habe.

Greenwald meint, es könnte sich immer um die gleichen Quellen handeln oder andere Personen, die das Behauptete lediglich aus zweiter Hand bestätigten. Greenwald unterstellt "The Atlantic", mit dem Artikel der eigenen Agenda zu entsprechen. Allerdings kann auch Greenwald nicht als neutral gesehen werden, da er sich immer wieder gegen die "etablierten Medien" positioniert.

Furcht um die Karriere

Ein erhebliches Problem nennt er zudem selbst: Personen aus dem US-Regierungsapparat müssen um ihre Jobs und ihre Reputation fürchten, wenn sie in das Fadenkreuz des Präsidenten oder seiner Mitstreiter und Anhänger geraten, die auch vor Todesdrohungen nicht zurückschrecken. Beispiele gibt es zahlreiche.

Dazu zählt Oberstleutnant Gordon Vindman, der seine Bedenken über Aussagen Trumps in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selesnkyj dem Anwalt des Nationalen Sicherheitsrates mitgeteilt und als Zeuge im Amtsenthebungsverfahren gegen Trump aufgetreten war. Er sei einer Kampagne aus Einschüchterung, Mobbing und Vergeltung durch Trump ausgesetzt gewesen, erklärte Vindman, der aus dem Weißen Haus entlassen wurde und den Dienst bei den US-Streitkräften quittierte.

Die hohe Anzahl von Artikeln mit anonymen Quellen und die zahlreichen Bücher ehemaliger Mitstreiter Trumps zeigen jedoch ein großes Bedürfnis, Verhalten und Aussagen des Präsidenten öffentlich zu machen. Zumeist geht es dabei nicht nur um die Frage, ob Trump und seine engsten Mitstreiter Konventionen, sondern auch Gesetze gebrochen und US-Interessen zuwider gehandelt haben.

John Kelly und Donald Trump (Archivbild)

Kelly schweigt zu den möglichen Worten Trumps.

Den Verteidigern des "Atlantic"-Artikels bleibt der Verweis auf Plausibilität: Worte wie "Verlierer" und "Trottel" nutzt Trump häufig, der sich mit ärztlichen Attesten vom Militärdienst befreit hat. Goldberg nennt zudem weitere Beispiele verunglimpfender Äußerungen. Den verstorbenen Senator und Kriegsveteranen John McCain soll Trump demnach einen "verdammten Verlierer" genannt haben.

Überliefert sind auch Worte Trumps am Memorial Day 2017, als er mit dem damaligen Heimatschutzminister John Kelly am Grab von dessen Sohn stand, der 2010 in Afghanistan gefallen war. "Ich verstehe nicht. Was konnte für sie dabei rausspringen?", soll Trump gesagt haben. Kelly schweigt dazu.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 05. September 2020 um 12:00 Uhr.