Im Regieraum einer Live-Übertragung von Russlands Präsident Wladimir Putin
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Krieg gegen die Ukraine Wie Russland die Lage verschleiern will

Stand: 28.02.2022 13:23 Uhr

Der Kreml versucht, Berichte über den Krieg und Bilder von Verlusten zu zensieren. Dafür wird der Zugriff auf soziale Medien erschwert; der in Deutschland kritisierte Messenger-Dienst Telegram wird noch wichtiger.

Von Patrick Gensing, Redaktion ARD-faktenfinder

In russischen Staatsmedien ist in den vergangenen Tagen ein verzerrtes Bild der Ereignisse in der Ukraine gezeichnet worden, das immer weniger mit der Realität gemein hatte.

Medien ist es sogar untersagt worden, den Begriff Krieg zu verwenden. Stattdessen ist weiterhin von einer "Spezialoperation" die Rede.

Ministerium räumt Verluste ein

Berichte über russische Opfer und Verluste gab es zunächst gar nicht in den russischen Staatsmedien - obwohl zahlreiche Augenzeugenberichte, Videos und Angaben von ukrainischer Seite darüber vorlagen, die allerdings nicht alle geprüft werden können und teilweise übertrieben erscheinen.

Mittlerweile hat das russische Verteidigungsministerium aber eingeräumt: Es habe Tote und Verletzte gegeben, zudem seien "einige wenige" russische Soldaten gefangen genommen worden. Zahlen nannte das Ministerium nicht.

"Tickende Zeitbombe"

ARD-Korrespondent Demian von Osten sagte bereits am Wochenende, für den Kreml ticke eine Zeitbombe, denn wenn das Lügengebäude der Propaganda zusammenstürze, könnte der Widerspruch am Angriff auf die Ukraine in Russland weiter wachsen.

Daher wird in Russland der Zugriff auf soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter erschwert. Ohne Dienste, die eine russische IP-Adresse verschleiern, sei es zeitweise schwer möglich, Bilder und Videos auf den großen Plattformen zu öffnen, berichten russische Bürgerinnen und Bürger im Gespräch mit tagesschau.de.

Der populäre russische Comedian Maxim Galkin, der bislang nicht als kritisch gegenüber Putin galt, sprach sich sehr deutlich auf Instagram gegen den Krieg aus. Galkin hat auf der Plattform mehr als neun Millionen Follower.

Danach veröffentlichte er ein Posting, in dem er bekanntgab, auch er habe nun einen Telegram-Kanal eingerichtet - falls es Probleme auf Instagram geben sollte. Offenkundig eine Reaktion auf die Einschränkung der großen Plattformen.

Telegram wird wichtiger

Auch andere Stimmen aus Russland bestätigen, dass Telegram noch wichtiger wird, um sich über die Lage in der Ukraine zu informieren. Genau dafür war Telegram auch einst gegründet worden. Russische Nutzer schreiben auf ihren Instagram- oder Facebook-Profilen, sie seien nun auf Telegram ebenfalls zu finden.

Zuletzt war in Deutschland über eine mögliche Einschränkung des Dienstes diskutiert worden, was auf Kritik gestoßen war, da dies eben auch die Kommunikation mit Oppositionellen in autoritären Staaten gefährden könnte.

Offenbar Zensur von Bildern

Die oppositionelle Zeitung "Nowaja Gazeta" berichtet über eine Zensur der Berichterstattung. So sollte das Foto eines toten russischen Soldaten nicht mehr gezeigt werden.

Auch Webseiten von oppositionellen Medien werden offenbar gesperrt.

Gleichzeitig haben Hacker der Anonymous-Bewegung zahlreiche Regierungsseiten lahmgelegt. Auch die Seite des staatlichen Auslandssender RT war vorübergehend nicht mehr zu erreichen; wer die Seite jetzt aufruft, muss warten, bis ein Abwehrprogramm prüft, ob es sich um keinen DDoS-Angriff handelt.

Jüngere informieren sich online

Präsident Wladimir Putin kontrolliert zwar weiterhin seine Propagandasender als Waffen im Informationskrieg - doch im Zeitalter der sozialen Medien und Messenger-Diensten ist eine totale Kontrolle von Informationen kaum noch möglich.

Insbesondere jüngere Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind und es insbesondere nutzen, um sich zu informieren, hätten sich oft längst abgewandt von den staatlichen Propagandasendern. Daraus ergibt sich möglicherweise auch ein Generationenkonflikt, so berichten Russen im Gespräch mit tagesschau.de, ihre Eltern und Großeltern würden die "pro-ukrainische" Position ihrer Kinder nicht verstehen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 27. Februar 2022 um 23:00 Uhr und das Morgenmagazin am 28. Februar 2022 ab 05:30 Uhr.