Ein Arzt in Hessen impft einen jungen Mann gegen Corona. (Archivbild vom 12.06.2021)
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Debatte über Impfungen Nebenwirkungen treten nicht erst spät auf

Stand: 25.10.2021 12:33 Uhr

Fußball-Nationalspieler Kimmich möchte Langzeitstudien abwarten. Skeptiker verweisen auf die Impfung gegen die Schweinegrippe, bei der es Langzeitfolgen gab. Doch die traten nicht erst spät auf.

Von Von Patrick Gensing, Redaktion ARD-faktenfinder

Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO), Thomas Mertens, hat die Bedenken von Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich wegen fehlender Langzeitstudien bei Impfstoffen zurückgewiesen. Kimmich sei sicher "ein ausgewiesener Fachmann in Fragen des Fußballs, aber kein Fachmann in Fragen der Impfung und der Impfstoffe", sagte Mertens. Dennoch habe er "mit seinen Bedenken einem Problem Ausdruck verliehen, das sicher bei manchen Menschen in unserer Gesellschaft so gesehen wird", sagte Mertens der dpa.

Bayern-Profi Kimmich hatte am Samstag gesagt, er habe "persönlich noch ein paar Bedenken, gerade, was fehlende Langzeitstudien angeht".

Wenn ein Impfstoff zur Verwendung an Menschen freigegeben wird, gebe es begleitende Studien, die genau untersuchten, ob es bei der Anwendung zu schwerwiegenden Nebenwirkungen kommen könne, erwiderte Mertens. "Man muss bedenken, dass mittlerweile sieben Milliarden Dosen an Menschen mit Covid-19-Impfstoff verimpft worden sind", sagte er. "Dass es bei der Anwendung eines Impfstoffes über knapp ein Jahr keine Zehnjahres-Beobachtungsstudien geben kann, ist klar." Das gelte aber nicht nur für jeden anderen Impfstoff auch, der neu angewendet werde, sondern auch für jedes neue Medikament.

"Neben den Zulassungsstudien wissen wir aus den begleitenden Studien, dass es nur zu einigen Nebenwirkungen gekommen ist, die alle recht kurze Zeit nach der Impfung aufgetreten sind", sagte Mertens. In der Wissenschaft sei man sich einig, dass spät auftretende Nebenwirkungen nach einer Impfung "nicht vorkommen, beziehungsweise eine extrem seltene Rarität bei einzelnen Impfstoffen" gewesen seien.

Nebenwirkungen zeitnah aufgetreten

Kritiker verweisen in Debatten über mögliche Langzeitfolgen immer wieder auf die Impfung gegen Schweinegrippe, bei der es Spätfolgen gegeben habe. Allerdings sind Langzeitfolgen nicht Nebenwirkungen, die erst spät auftreten, sondern die länger anhalten können.

So hatte es tatsächlich Nebenwirkungen gegeben, die nach dem Ausbruch der Influenza und den Impfungen bald gemeldet und in der Folge erforscht wurden. Ursache soll ein Impfverstärker gewesen sein, der mittlerweile nicht mehr benutzt wird - bei den mRNA-Impfstoffen ohnehin nicht.

Diese sehr seltene Nebenwirkung war in den klinischen Tests nicht gefunden worden. Der Vorteil bei den Corona-Impfungen sei, dass es nie so viele Ressourcen bei der Forschung und so viele Teilnehmerinnen sowie Teilnehmer bei Studien gab. Dadurch könnten mögliche Nebenwirkungen besser erkannt werden, erklärte die Chemikerin und Journalistin Mai Thi Nguyen-Kim im faktenfinder-Podcast.

Nebenwirkung bei AstraZeneca

Generell sei es bei Impfstoffen so, "dass die meisten Nebenwirkungen innerhalb weniger Stunden oder Tage auftreten, in seltenen Fällen auch mal nach Wochen". Nebenwirkungen, die erst nach Jahren auftreten, seien "bei Impfstoffen nicht bekannt", sagt Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, auf Anfrage von tagesschau.de.

So wurden beispielsweise eine sehr seltene aber schwerwiegende mutmaßliche Nebenwirkungung von AstraZeneca nach Beginn der Impfkampagne entdeckt und Empfehlungen für den Impfstoff angepasst. Eine schwere Nebenwirkung wie zum Beispiel die Narkolepsie bei der Schweinegrippe-Impfung wäre bei Milliarden Impfungen weltweit demnach längst aufgefallen.

Verdachtsfälle werden dokumentiert

Zudem ist die öffentliche Aufmerksamkeit für die Corona-Pandemie und die Impfstoffe immens, Hinweise auf Verdachtsfälle bei Nebenwirkungen werden über verschiedene Wege gesammelt und ausgewertet, um die Sicherheit der Stoffe zu gewährleisten. Dabei ist die bloße Anzahl der Verdachtsmeldungen allerdings noch kein Hinweis auf ein tatsächliches Risiko, so wie es in einigen Medienberichten dargestellt wurde.

"Der große Vorteil bei den Covid-19-Impfungen ist ja, dass wir diesen Impfstoff in kurzer Zeit bei vielen Menschen angewendet haben", betont Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Allein in Deutschland seien es mehr als 100 Millionen Dosen, weltweit viele Milliarden. "Daher kennen wir die seltenen Nebenwirkungen wie Sinusvenenthrombosen, Myokarditis und andere bereits."

"Nebenwirkungen treten immer innerhalb von wenigen Wochen auf"

Die Covid-19-Impfstoffe seien in Bezug auf seltene Nebenwirkungen somit bereits besser erforscht als andere Vakzine, meint Watzl. Dazu kommt: "Nebenwirkungen einer Impfung treten immer innerhalb von wenigen Wochen nach der Impfung auf", betont er. "Dass ich heute geimpft werde und nächstes Jahr eine Nebenwirkung auftritt, das gibt es nicht, hat es noch nie gegeben und wird auch bei der Covid-19-Impfung nicht auftreten."

Was allerdings passieren kann: Sehr seltene Nebenwirkungen werden erst später mit einem Impfstoff in Verbindung gebracht. Doch je mehr Menschen geimpft werden, umso geringer wird das Risiko, das sehr seltene Nebenwirkungen nicht erkannt werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete am 25. Oktober 2021 Das Erste um 06:08 Uhr im ARD-Morgenmagazin und MDR Aktuell um 07:05 Uhr.