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Fake News über Lockdown Keine Urlaubssperre bei der Bundeswehr

Stand: 17.08.2020 11:04 Uhr

In sozialen Medien werden Gerüchte verbreitet, die Bundeswehr habe ab September eine Urlaubssperre verhängt, um einen Lockdown durchzusetzen. Dafür gibt es keine Belege. Das Verteidigungsministerium und Soldaten dementieren zudem.

In YouTube-Videos, Facebook-Gruppen, Messenger-Nachrichten und in einer Anfrage auf der Plattform "Frag den Staat" tauchen Gerüchte auf, bei der Bundeswehr gebe es ab dem 1. September eine generelle Urlaubssperre. Hintergrund sei ein Lockdown, der angeblich seit Monaten von der Regierung geplant sei.

"Ministerium tief betroffen"

Obwohl die Geschichte von einem angeblich seit Monaten geplanten Lockdown nicht plausibel ist und überhaupt kein belastbares Indiz vorliegt, wird das Gerücht nun um eine weitere Facette erweitert. In Messenger-Nachrichten heißt es beispielsweise, jemand habe von einem "guten Bekannten", der "bei der Bundeswehr an höherer Stelle arbeitet", erfahren, dass alle Soldaten ab dem 1. September eine Urlaubssperre hätten und einsatzbereit sein sollten.

Auf Anfrage des ARD-faktenfinder kommentierte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums die unbelegten Gerüchte ironisch: Man sei "seitens des Bundesministeriums der Verteidigung zutiefst betroffen", dass man "offensichtlich (von wem auch immer) nicht von der Planung rund um einen mutmaßlichen Lockdown ab dem 1. September 2020 in Kenntnis gesetzt" worden sei.

Dass es eine Urlaubssperre gebe, dementierte der Sprecher: "Umso mehr freuen wir uns aber für jeden der insgesamt rund 264.000 Beschäftigten der Bundeswehr, dass sie oder er auch am 1. September und den folgenden Tagen ganztägig den geplanten Freizeitaktivitäten nachkommen darf, sofern Urlaub oder anderweitiger Dienstzeitausgleich für diesen Zeitraum gewährt wurde." Auch in sozialen Medien meldeten sich Soldaten zu Wort und widersprachen der Darstellung.

Amtshilfe zur Krisenbewältigung

Zur Rolle der Bundeswehr erklärte der Sprecher des Ministeriums, die Bundeswehr unterstütze im Rahmen der Amtshilfe nach §35 Abs. 1 GG verantwortliche Behörden bei der "Krisenbewältigung" rund um die Pandemie. Dies sei seit dem Ausbruch der Krise bereits in 475 Fällen geschehen. "Da wir es mit einer 'Corona-Krise' zu tun haben und keiner 'Corona-Katastrophe'", so der Sprecher weiter, "bleibt es seitens der Bundeswehr auch zukünftig bei der Durchführung von Amtshilfe im Rahmen der Krisenbewältigung".

Hilfe bei Sichtung von Karten

16 Soldaten unterstützen beispielsweise am Hamburger Flughafen die Gesundheitsbehörde: Sie sollen täglich von 6 bis 23 Uhr die Aussteigekarten von Reiserückkehrern aus Risikogebieten sichten.

Den Antrag auf Amtshilfe habe die Stadt Hamburg am 10. August gestellt, sagte Kapitän zur See Michael Giss. Von Mitte April bis Ende Juni waren bereits 50 Bundeswehrsoldaten unter dem Motto "Helfende Hände" in elf Hamburger Pflegeheimen im Corona-Einsatz. Auch die Testungen in Gütersloh hatte die Bundeswehr unterstützt.

Enge Grenzen gesetzt

Im Frühjahr hatte die Bundeswehr bei der Beschaffung von Material geholfen oder Reservisten aufgefordert, sich für den Einsatz in Bundeswehrkrankenhäusern zu melden. Damals war kurzzeitig die Frage aufgekommen, ob Soldaten auch eingesetzt werden könnten, um die Polizei zu unterstützen. Doch sowohl Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer als auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, äußerten sich sehr zurückhaltend. Zorn sagte: "Es braucht sich keiner Sorgen machen, dass die Bundeswehr Corona-Partys auflöst oder Ausgangsbeschränkungen überwacht."

In der Tat sorgt das Grundgesetz dafür, dass ein Einsatz der Bundeswehr im Inland nur in sehr engen Grenzen möglich wäre. "Bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall", heißt es in Artikel 35, Absatz 2, könne ein Land Streitkräfte anfordern. Es muss dann allerdings nachgewiesen sein, dass die Polizei absolut außerstande ist, die Aufgaben selbst zu übernehmen.

Gerüchte sollen verunsichern

Für die Gerüchte über eine Urlaubssperre bei der Bundeswehr sowie einen geplanten Lockdown gibt es also keine Belege. Im Gegenteil: Sie basieren auf angeblichen Aussagen von nicht genannten Personen, sind weder plausibel noch glaubwürdig und sollen offenkundig die Menschen in der Corona-Krise verunsichern.