Pflegerin in einer Intensivstation betreut einen Kranken
Hintergrund

Zunehmende Resistenzen Warum brauchen wir neue Antibiotika?

Stand: 24.08.2021 11:27 Uhr

Antibiotika gehören zu den wichtigsten Medikamenten, doch ihre Wirkung ist oft begrenzt: Viele Keime entwickeln Resistenzen, so dass die Mittel wirkungslos werden.

Schon 1945 warnte Alexander Fleming, der Entdecker des bekanntesten Antibiotikums, des Penicillins, dass Resistenzen gegen sein Mittel entstehen könnten. Seitdem beobachten Wissenschaftler und Ärzte genau dies immer wieder: Sobald ein neues Antibiotikum eingesetzt wird, entwickeln einige Bakterien Abwehrmechanismen gegen dieses Mittel. Sie schaffen es zu überleben und können sich so vermehren und ausbreiten. Deshalb ist es nötig, immer verschiedene Mittel zur Verfügung zu haben.

Kein Allheilmittel

In den 1950er- und 1960er-Jahren entwickelten Pharmaunternehmen eine ganze Reihe unterschiedlicher Antibiotika. Viele glaubten, damit sei das Problem gelöst. Doch dann verbreiteten sich auf einmal die gefürchteten MRSA-Keime rasant. Es war eine bestimmte Art von Bakterien, sogenannte Staphylokokken, die gleich gegen mehrere Mittel resistent waren.

Eine Reihe großer Pharmakonzerne nahm deshalb in den 1980er-Jahren die Forschung erneut auf. Es kamen einige neue Antibiotika gegen MRSA-Keime auf den Markt. Und dank dem wachsenden Bewusstsein für einen zurückhaltenden Einsatz der Mittel und einer besseren Hygiene in den Kliniken sank die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle durch diese speziellen Bakterien in den vergangenen Jahren wieder in vielen Ländern.

Hunderttausende Tote durch neue Keime

Aber seit einiger Zeit beobachten Ärzte und Wissenschaftler weltweit eine neue, stetig wachsende Bedrohung durch andere Keime als die bekannten MRSA: die sogenannten multiresistenten gram-negativen Bakterien (MRGN). Dazu gehören Keime wie Escheria Coli (E. coli) oder Klebsiella pneumoniae, die lebensbedrohliche Infektionen auslösen können und zunehmend resistent gegen die vorhandenen Antibiotika werden. Sie breiten sich in vielen Ländern der Welt rasant aus und verursachen wohl bereits Hunderttausende Todesfälle im Jahr.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO stufte Anfang 2017 mehrere dieser Bakterien als besonders kritisch eing. Gegen sie würden dringend neue Antibiotika benötigt. Aber ausgerechnet gegen diese Bakterien ist seit mehr als 30 Jahren kein wirklich neuartiger Wirkstoff mehr entwickelt worden. Und die Aussicht, dass sich dies bald ändern könnte, ist schlecht.

Eine Reinigungskraft bei der Arbeit in einem Krankenhausflur.

Hygienemaßnahmen können die Keimaubreitung verringern, aber nicht verhindern.

Kaum Neuentwicklungen

Im vergangenen Jahr analysierten Wissenschaftler für das Magazin "Lancet", ob die Antibiotika, die sich weltweit derzeit in der Entwicklung befinden, gegen diese besonders problematischen Bakterien wirken. Das Ergebnis ist ernüchternd. Zwar testen derzeit verschiedene, vor allem kleine Firmen insgesamt rund 40 Antibiotika in Studien. Doch in der Regel bekommt nur ein kleiner Teil von Medikamenten, die sich in der Entwicklung befinden, am Ende die Zulassung. Im Vergleich: Derzeit werden weit über 1000 neue Wirkstoffe gegen Krebs erprobt.

Und von den etwa 40 Antibiotika-Wirkstoffen können laut der Lancet-Analyse nur elf möglicherweise gegen einige der besonders problematische eingesetzt werden. Und zehn von ihnen sind Weiterentwicklungen bereits vorhandener Mittel. Nur ein einziges wäre ein wirklich neuartiges Präparat. Aber ausgerechnet bei diesem Mittel musste die Firma kürzlich die klinischen Tests abbrechen, weil zu viele Patienten schwere Nebenwirkungen erlitten.

Die Zeit läuft davon

Da die Entwicklung eines neuen Medikaments in der Regel mindestens zehn bis 15 Jahre dauert, ist schon jetzt absehbar, dass Ärzten auch in der kommenden Zeit keine neuartigen Mittel im Kampf gegen die besonders problematischen Keime zur Verfügung stehen werden.

Mehr zu dem Thema auch auf NDR.de/antibiotika

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 12. September 2019 um 07:20 Uhr und um 08:45 Uhr in den Nachrichten.