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AfD-Russland-Kongress Experte mit fragwürdiger Vergangenheit

Stand: 12.08.2017 10:42 Uhr

Die AfD lädt zu einem Russland-Kongress nach Magdeburg. Es geht um Verständigung, Sanktionen und Kritik an der NATO. Zu Gast ist auch ein Experte, der offenbar einst mit der Stasi kollaborierte.

Von Silvia Stöber, tagesschau.de

Die AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt hat zum Russland-Kongress nach Magdeburg gerufen. In welche Richtung es gehen soll, gibt die Ankündigung vor: Die Beziehungen zu Russland sollen verbessert und die EU-Sanktionen aufgehoben werden. Kritisiert werden die NATO und mit ihr das transatlantische Bündnis zwischen Europa und Nordamerika.

Als Redner eingeladen, um diese Kritik mit Expertise zu belegen, ist Algis Klimaitis. Er stamme aus Litauen und habe in den 90er-Jahren den litauischen Präsidenten Algirdas Brazauskas beraten, steht in der Einladung.

Der 68-Jährige wirbt für ein "Europa der Vaterländer" wie einst der französische Präsident Charles de Gaulle. Es soll ein "Europa von Lissabon bis Wladiwostok" sein - eine geografische Verortung, die nicht nur Wladimir Putin, sondern auch Kanzlerin Angela Merkel schon verwendet hat, als sie der russischen Führung einen gemeinsamen Handelsraum im Gegenzug für eine friedliche Lösung in der Ostukraine anbot.

In einer 2014 veröffentlichten Schrift beschreibt Klimaitis die Vision eines "Europäischen Kontinentalismus", bei dem Russland die Rolle eines wichtigen Partners übernehmen soll. Dieses Modell will er dem transatlantischen Bündnis entgegenstellen, das in erster Linie für die Entwicklung hin zu einem neuen Kalten Krieg verantwortlich sei.

Lob von weit rechts

Doch geht Klimaitis über eine Kritik an der NATO und ein Werben um Verständigung mit Russland hinaus.

So stellte die rechtsextreme "Identitäre Bewegung" Klimaitias in eine Reihe mit Vertretern der Neuen Rechten wie den Franzosen Alain de Benoist und den Russen Alexander Dugin, der antiwestliche und neofaschistische Positionen vertritt. Klimaitis' Buch sei eine "Alternative zu US-Hegemonie und EU in Europa".

Auch die rechte Zeitung "Junge Freiheit" besprach seine Schrift. Vertrieben wird sie derzeit über den Verlag "Antaios" des rechtsextremen Publizisten Götz Kubitschek.

Dass Klimaitis bei Neuen Rechten und Rechtsextremen Zuspruch findet, lässt sich an Aussagen nachvollziehen, die er bei einer Veranstaltung des Magazins "Compact" in Magdeburg im März 2016 gemacht hatte. Dort trat er mit dem AfD-Politiker André Poggenburg auf, der zum ultrarechten Flügel der Partei zählt.

Klimaitis behauptete, die politische Elite des Westens wolle die Völker im Einflussgebiet der EU mit fremden Ethnien vermischen und so die Nationen weiter zersetzen. Er sprach von einer "Rassenvermischung". Der Widerstand dagegen müsse gestärkt werden, dieser werde durch die AfD repräsentiert.

"Faktor hybrider Kriegsführung"

In Litauen ist Klimaitis nicht nur als Berater des ehemaligen Präsidenten Brazauskas bekannt. Viele Bürger dort sehen in ihm einen Agenten Russlands. Außenminister Linas Linkevicius bezeichnete Klimaitis' Aktivitäten in Deutschland als offensichtlichen "Faktor hybrider Kriegsführung  Russlands".

Linas Linkevicius

Litauens Außenminister Linkevicius spricht sieht in Klimaitis' Aktivitäten einen "Faktor hybrider Kriegsführung Russlands".

Hintergrund ist, dass Klimaitis in den 90er-Jahren in Litauen vor Gericht stand, weil er für den sowjetischen KGB in Litauen und in Westeuropa tätig gewesen sein soll. Die dazu vorgelegten Akten reichten dem Gericht jedoch nicht als Beweis aus. Er sei von höchster Instanz freigesprochen worden, wie Klimaitis betont.

Deckname "Hans Heitmann"

In den Dokumenten, die in einem litauischen Sammelband zur Geschichte veröffentlicht wurden, ist allerdings auch von Verbindungen von Klimaitis zum Ministerium für Staatssicherheit der DDR die Rede.

Tatsächlich befindet sich im Archiv der Stasi-Unterlagenbehörde eine 172 Seiten umfassende Akte. Tagesschau.de liegen Dokumente daraus vor. Berichtet wird darin, dass Klimaitis zwar litauische Wurzeln habe, aber in der Bundesrepublik geboren worden sei und dort gelebt habe. Es sei sein Wunsch gewesen, zunächst in die DDR und dann nach Litauen zu gehen, das damals Teil der Sowjetunion war.

Klimaitis habe am 23. Februar 1979 Asyl in der DDR beantragt. Um auswandern zu können, erklärte sich Klimaitis den Unterlagen zufolge bereit, in der Bundesrepublik für die Staatsorgane der DDR aktiv zu werden. Auch habe er zugestimmt, den Decknamen "Hans Heitmann" zu verwenden, und er habe zwei Mal 250 D-Mark für die "Erfüllung der Aufträge für die Organe der DDR" erhalten.

"Aufgabe exakt erfüllt"

Der Abschlussbericht des zuständigen Stasi-Offiziers vom 5. Mai 1982 hält fest, es habe fünf Treffen auf DDR-Territorium gegeben.

Klimaitis sei zu verdächtigen Personen und Mitgliedern einer "kriminellen Menschenhändlerbande", wie Fluchthelfer in der DDR benannt wurden, instruiert und beauftragt worden. "Diese Aufgabe erfüllte der Kandidat exakt", heißt es.

Dessen Angaben zu einer Person hätten sich bei einem Gegencheck der Stasi als korrekt erwiesen, steht in einem weiteren Dokument. Von sich aus habe Klimaitis zudem Kontakt zu einem ehemaligen Bundeswehroffizier angeboten, der für die DDR hätte arbeiten können.

Nach fünf Treffen habe Klimaitis den Kontakt abgebrochen und nicht auf Verabredungsangebote reagiert - bis er am 28. September 1981 am Grenzübergang Friedrichstraße in Berlin erneut einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei zurückgewiesen und eine ständige Reisesperre für die DDR eingeleitet worden.

Im Interview mit tagesschau.de hatte Klimaitis erklärt, er habe niemals in die DDR übersiedeln wollen. Solche und ähnliche Behauptungen seien in Litauen in den frühen 90er-Jahren Teil einer politischen Kampagne gegen ihn gewesen, bei der er als KGB-Agent verunglimpft werden sollte. Zudem hatte er erklärt: "Ich arbeite nicht für die Russen, bin kein Agent, weder von den Russen, noch von irgendeinem anderen Land oder einer Organisation und bekomme kein Geld von Russland."

Auf Nachfragen zu den Unterlagen der Stasi-Unterlagenbehörde reagierte Klimaitis bislang nicht. Zumindest aber werfen diese Dokumente Fragen über den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen auf und dazu, für welche Ziele und Interessen er wirklich steht, wenn er bei Veranstaltungen wie jener der AfD in Magdeburg auftritt.

Mitarbeit: Fausta Simaityte, Vilnius