Fragen und Antworten zur Europawahl Eine Stimme für Europa

Stand: 05.05.2014 13:24 Uhr

Die Europawahl markiert eine kleine Revolution: Erstmals seit mehr als 60 Jahren gilt bei einer bundesweiten Wahl keine Fünf-Prozent-Hürde. Doch was ist noch neu? Und wieviele Stimmen hat jeder Wähler? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen zur Europawahl.

Von Zusammengestellt von David Rose, tagesschau.de

Wer wird bei der Europawahl gewählt?

Bei der Europawahl 2014 entscheiden die wahlberechtigten Bürger in der EU, welche Abgeordneten in den kommenden fünf Jahren im Europäischen Parlament sitzen. Insgesamt sind diesmal 751 Sitze zu vergeben. Aus jedem der 28 EU-Staaten kommt eine festgeschriebene Zahl von Abgeordneten. Wie viele das jeweils sind, richtet sich im Wesentlichen nach der Einwohnerzahl des Landes. Deutschland entsendet die zugelassene Maximalzahl von 96 Volksvertretern ins Europaparlament. Estland, Luxemburg, Malta und Zypern kommen dagegen nur auf die Mindestzahl von sechs Mandaten. Die Europawahl umfasst letztlich 28 getrennte Wahlen in den EU-Mitgliedsstaaten. Denn die Bürger haben mit ihrer Stimme nur Einfluss darauf, welche Politiker die Sitze im Europaparlament bekommen, die ihrem Land zustehen. Die deutschen Wähler entscheiden also über die 96 deutschen Sitze im Europaparlament, die zyprischen Wähler über die sechs Sitze Zyperns.

Wann finden die Wahlen statt?

Das ist von Land zu Land unterschiedlich. In Deutschland und den meisten anderen Staaten werden die Bürger am 25. Mai an die Wahlurnen gerufen. Um aber verschiedene Traditionen zu berücksichtigen, ist EU-weit lediglich ein Zeitkorridor zwischen dem 22. und dem 25. Mai festgelegt. So finden in Großbritannien und den Niederlanden, wo in der Regel an einem Donnerstag gewählt wird, die Europawahlen bereits am 22. Mai statt, in Irland am 23. Mai und in vier Ländern am 24. Mai. In drei EU-Staaten (Tschechien, Frankreich und Italien) sind die Wahllokale an zwei Tagen geöffnet. Die amtlichen Ergebnisse aus allen EU-Staaten dürfen jedoch frühestens am Sonntagabend (25. Mai) um 23 Uhr veröffentlicht werden, weil dann die letzten Wahllokale in der EU schließen. In Deutschland sind die Wahllokale von 8 Uhr bis 18 Uhr geöffnet.

Wer darf wählen?

In der Bundesrepublik sind bei der Europawahl alle Deutschen wahlberechtigt, die mindestens 18 Jahre alt sind. Ausnahmen gelten nur für jene, die außerhalb der EU leben und noch nie oder nur vor sehr langer Zeit in Deutschland gelebt haben und auch keine andere unmittelbare Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik nachweisen können. Deutsche, die in einem anderen EU-Staat wohnen, können selbst entscheiden, ob sie die Europaabgeordneten ihres Gastlandes mitwählen wollen oder die deutschen Vertreter im Europaparlament. Umgekehrt sind auch Bürger anderer EU-Staaten in der Bundesrepublik wahlberechtigt, wenn sie seit mindestens drei Monaten hier leben und mindestens 18 Jahre alt sind. Allerdings müssen sie sich entscheiden, ob sie hier oder in ihrem Heimatland ihre Stimme abgeben wollen. Ein doppelte Stimmabgabe in beiden Ländern ist verboten.

Wie viele Stimmen hat jeder Wähler?

Bei der Europawahl in Deutschland hat jeder Wähler eine Stimme. Sie wird für die Liste einer Partei abgegeben. Die Reihenfolge der einzelnen Kandidaten auf diesen sogenannten geschlossenen Listen legen die Parteien vorher fest. Die Wähler haben darauf - anders als zum Beispiel bei vielen Kommunalwahlen - mit ihrer Stimmabgabe keinen Einfluss.

Wie viele Parteien stehen zur Wahl?

In Deutschland treten bei der Europawahl 25 Parteien und Vereinigungen an. Fast alle kandidieren dabei in allen 16 Bundesländern mit einer gemeinsamen Bundesliste. Eine Ausnahme bilden nur die beiden Unionsparteien, die sich keine Konkurrenz machen wollen. Die CDU tritt daher in 15 Bundesländern mit Landeslisten an und ist in Bayern nicht wählbar. Die CSU tritt dagegen nur in Bayern mit einer Landesliste an. Damit stehen deutschlandweit auf allen Stimmzetteln 24 Parteien zur Wahl.

Gilt bei der Europawahl die Fünf-Prozent-Hürde?

Nein. Die Fünf-Prozent-Hürde, die noch bei der Europawahl 2009 galt, erklärte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2011 für verfassungswidrig. Die daraufhin vom Bundestag beschlossene Drei-Prozent-Hürde verstieß laut einem Urteil der Karlsruher Richter vom Februar 2014 ebenfalls gegen das Grundgesetz. Das führt dazu, dass bei der Europawahl 2014 in Deutschland keine Sperrklausel mehr gilt. Kleine Parteien haben dadurch gute Chancen, zumindest mit einem Abgeordneten ins Europaparlament einzuziehen. Hätte bei der Wahl 2009 bereits die Sperrklausel gefehlt, hätten 13 deutsche Parteien Abgeordnete nach Straßburg entsendet.

Wie funktioniert die Sitzverteilung?

Europaweit folgen die Europawahlen dem Grundsatz der Verhältniswahl. Das bedeutet, dass die Sitze an die Parteien entsprechend ihrem Stimmenanteil vergeben werden. Nach dem Wegfall der Fünf- bzw. der Drei-Prozent-Hürde werden dabei in Deutschland im Prinzip alle Parteien berücksichtigt. Um einen der Sitze zu gewinnen, genügen hierzulande voraussichtlich bereits knapp ein Prozent der Stimmen. Die Sitzverteilung errechnet sich dabei nach dem sogenannten Divisorverfahren mit Standardrundung (nach Sainte-Laguë/Schepers). Demzufolge werden die Zweitstimmenergebnisse aller Parteien jeweils durch dieselbe Zahl geteilt: den Divisor. Die Ergebnisse werden dann gerundet und ergeben die Mandate jeder Partei. Damit bei dieser Rechnung immer genau die Zahl der zu vergebenden Sitze herauskommt, muss der passende Divisor bei jeder Wahl durch Probieren neu ermittelt werden.

Was ist neu im Vergleich zur vorigen Europawahl?

Aus deutscher Sicht ist der Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde ein großer Unterschied. Denn dadurch haben weitaus mehr Parteien eine realistische Chance, ins Europarlament einzuziehen. Neu ist auch, dass Deutschland nur noch 96 Abgeordnete nach Straßburg schickt. Bisher waren es 99. Diese Veränderung ist eine Folge des Vertrags von Lissabon. Die Gesamtzahl der Abgeordneten sinkt nach der Wahl ebenfalls: von derzeit 766 auf dann 751.

Als demonstrative Neuerung gehen die großen Parteienfamilien jeweils mit einem europäischen Spitzenkandidaten in den Wahlkampf. Diese Politiker werden zugleich als Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten präsentiert. Offiziell sollen die Wähler damit auch Einfluss auf die Besetzung des wichtigsten Postens innerhalb der zentralen Verwaltung der EU bekommen.

Hinter dem Vorgehen der Parteien verbirgt sich aber auch ein Machtkampf zwischen dem Europaparlament und dem Europäischen Rat der 28 Staats- und Regierungschefs. Denn diese dürfen gemäß dem Vertrag von Lissabon zwar einen Bewerber für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten vorschlagen. Ihn zu wählen, ist aber die Aufgabe der Abgeordneten. Die europäischen Parteifamilien haben sich vor diesem Hintergrund bereits darauf festgelegt, dass sie nur einen Kommissionspräsidenten wählen wollen, der vorher als Spitzenkandidat bei der Europawahl ins Rennen gegangen ist und der damit aus ihren Reihen kommt.

Die Staats- und Regierungschefs sehen das anders. Sie wollen ihr Vorschlagsrecht nicht durch einen Automatismus beschneiden lassen. Denn wenn das Europaparlament einen Kandidaten ablehnt, können die Abgeordneten nicht einfach einen anderen an die Spitze der EU-Kommission wählen. Vielmehr muss dann der Europäische Rat einen weiteren Personalvorschlag machen, über den wieder das Europaparlament abstimmen muss. De facto ist also ein Konsens zwischen den Abgeordneten und den Regierungen der 28 EU-Staaten notwendig.