Lobbyisten und Berater in der EU Ins richtige Licht gerückt

Stand: 17.03.2018 17:01 Uhr

Außenpolitik ist nicht nur Sache von Diplomaten und Politikern. So wie Konzerne und Verbände engagieren auch viele Staaten Lobbyisten, um Entscheidungen der EU zu beeinflussen. Zu den interessantesten Zielen zählen EU-Parlamentarier.

Von Silvia Stöber, tagesschau.de

Die Krise in der Ukraine hat einen Krieg der Informationen zwischen Ost und West ausgelöst, wie es in den vergangenen Jahren nur bei wenigen Ereignissen und auch nur in Ansätzen zu erleben war.

Akteure auf diesem Feld sind neben Politikern und staatsnahen Medien auch PR-Agenturen, Berater und Nichtregierungsorganisationen. Sie versuchen, im Auftrag von Regierungen oder Parteien das Bild von Staaten oder politischen Kräften in der öffentlichen Meinung zu prägen und so politische Entscheidungen zu beeinflussen.

Informationsmix lenken

Thomas Eymond-Laritaz von der Agentur APCO Worldwide in London beschreibt seinen Job so: "Meine Arbeit besteht darin, eine Balance an Informationen in der Öffentlichkeit herzustellen." Was öffentlich diskutiert werde, sei nicht die Realität, sondern ein Mix aus Informationen, den es im Auftrag der Kunden zu lenken gelte. "Dazu benötige ich eine Story, die nicht nur in Bezug auf die Realität vor Ort korrekt ist. Sie muss auch verstanden werden und ankommen", erklärt Eymond-Laritaz. Ansprechpartner seien Leute, die an prominenter Stelle ihre Meinung äußerten: Journalisten, Think Tanks, Experten und Politiker.

Der Franzose beriet unter anderem den bulgarischen Premierminister Simeon Sakskoburggotski, den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili und den ukrainischen Oligarchen Viktor Pinchuk. Früher arbeitete er für die Büros der französischen Premiers Lionel Jospin und Jean-Pierre Raffarin.

Lobbying für Janukowitsch

Wer Einfluss auf Entscheidungen der EU nehmen will, sollte neben wichtigen Medien vor allem Abgeordnete des EU-Parlaments und der EU-Staaten sowie deren Regierungen anvisieren, erklärt Amanda Paul vom Brüsseler Think Tank European Policy Centre.

Oft treten politische Rivalen aus einem Staat in Brüssel gegeneinander an. Auch der inzwischen aus der Ukraine geflohene Präsident Viktor Janukowitsch und seine Partei der Regionen setzten auf Lobbying. Zwar lehnte Janukowitsch es im November 2013 ab, das EU-Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen, und löste damit die Protestwelle auf dem Maidan in Kiew aus. Doch arbeitete noch bis zu seiner Flucht aus Kiew im Februar eine Organisation daran, in Brüssel und Berlin ein pro-europäisches Image von ihm und seiner Partei zu zeichnen.

Dieses Europäische Zentrum für eine moderne Ukraine (European Center for a Modern Ukraine, ECFMU) ist im Transparenzregister der EU aufgeführt als in Brüssel registrierte Nichtregierungsorganisation. "Auch wenn die Organisation vorgab, unabhängig zu sein, so wusste doch jeder in Brüssel, dass sie ein Lobby-Instrument für die Partei der Regionen war", erzählt Paul. Dies ging aus dem Inhalt ihrer Newsletter und E-Mails hervor, die 2012 noch Leonid Koschara als Präsident der Organisation unterzeichnete. Damals war er Parlamentsabgeordneter der Partei der Regionen und außenpolitischer Berater Janukowitschs. Ende 2012 wurde er Außenminister.

Am 14. November 2013 luden das ECFMU und die Wirtschaftsberatungsfirma "Berlin Economics" in Berlin zu einer Veranstaltung über die östlichen EU-Nachbarländer. Es sprach der ehemalige EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen. Auf dem Panel saß unter anderem der ukrainische Vizepremier Oleksandr Vilkul von der Partei der Regionen, der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder war als Podiumsgast angekündigt, nahm aber nicht teil.*

Wertvolle Kontakte zu EU-Politikern

Keine zwei Wochen später verärgerte Janukowitsch die EU mit der verweigerten Unterschrift und seinem Auftritt beim EU-Gipfel in Vilnius nachhaltig. Ohnehin hatten dessen Rivalen Julia Timoschenko und Wladimir Klitschko bereits ganze Arbeit geleistet.

Timoschenko, die wie Janukowitsch Lobbyisten für sich arbeiten ließ, und Klitschko verfügten über etwas noch weitaus Wertvolleres: direkte Kontakte zu EU-Politikern. Timoschenko fand Unterstützer in der Grünen-Europaabgeordneten Rebecca Harms und im Christdemokraten Elmar Brok, der Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament ist. Beide setzten sich vehement für ihre Freilassung aus dem Gefängnis ein. Sie begründeten dies als notwendiges Signal für den Umgang mit politischen Gefangenen in der Ukraine.

Klitschko wiederum hatte bereits 2006 Verbindungen zur Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew geknüpft und baute seine Kontakte bis hin zur Europäischen Volkspartei (EVP) aus, an deren Treffen auch regelmäßig Kanzlerin Angela Merkel teilnimmt. "Eine Mitgliedschaft in der EVP ist das beste PR-Instrument", sagt die Expertin Paul.

Meister des politischen Lobbyings

So trat Klitschko bei einer EVP-Veranstaltung am Rande des EU-Gipfels Ende November auf. Dort in Vilnius konnte er sich der guten Ratschläge kaum erwehren. Zu den Ratgebern zählte der Franzose Raphaël Glucksmann, Berater des eben aus dem Amt geschiedenen georgischen Präsidenten Saakaschwili. Auch politische Mitstreiter des einstigen "Rosenrevolutionärs" waren zugegen. Sie erwiesen sich in den vergangenen Jahren geradezu als Meister des Lobbyings in eigener Sache. Nicht nur gaben sie Millionen für PR-Firmen dies- und jenseits des Atlantiks aus. Sie verfügen auch über hervorragende Kontakte vornehmlich unter konservativen Politikern in der EU.

Saakaschwili selbst gelang es in den ersten Jahren seiner Präsidentschaft, mit Charme und Intelligenz Politiker für sich einzunehmen. Zusätzlich teilten Polen, Balten und Schweden mit ihm einen gegen Russland gerichteten Patriotismus. Politiker aus diesen Ländern hielten auch noch zu Saakaschwili, nachdem er 2008 zum Ausbruch des Krieges mit Russland beigetragen hatte.

Ein Orden für ein Wort

Bei der Interpretation der Ereignisse um den Krieg spielte die Agentur Aspect Consulting in Brüssel eine Rolle, aber auch Politiker wie der polnische Europaparlamentarier Chryzstof Lisek.  Der EVP-Abgeordnete erstellte 2011 einen Bericht über Georgien, auf dessen Grundlage das Parlament eine Resolution verabschiedete. Darin wurden die von Georgien abtrünnigen Gebiete Südossetien und Abchasien erstmals nicht mehr als "abtrünnig" bezeichnet, sondern als von Russland "okkupiert", was einseitig die georgische Sichtweise reflektiert.

Ausdrücklich als Dank dafür verlieh Saakaschwili kurz darauf Lisek den Orden des Heiligen Georg, die höchste Auszeichnung Georgiens. Bei einem Interviewtermin präsentierte Lisek Fotos von der Verleihung und hob hervor, dass Saakaschwili zudem noch in einer Rede die Bedeutung seines Berichts hervorgehoben habe. Auch habe er den georgischen Präsidenten auf seinem Weingut in Kachetien besuchen dürfen.

Eine Provokation Russlands

Noch sehr viel weiter gingen einige estnische Politiker mit ihrer Solidarität für Georgien. Zu ihnen zählt Indrek Tarand, der ebenfalls Saakaschwili beraten hatte und 2009 zum EU-Abgeordneten gewählt wurde. Er wollte den Georgiern im Krieg 2008 zu Hilfe eilen und organisierte eine Gruppe Freiwilliger, die mit Waffen in das Kriegsgebiet geschickt werden sollten.

Die damalige estnische Regierung erteilte jedoch keine Genehmigung, Waffen und Uniformen der Reservearmee mitzunehmen. Außerdem war der Krieg bereits zu Ende, als die Freiwilligen ankamen. Sie errichteten schließlich Unterkünfte für die Kriegsflüchtlinge. Kritiker warfen Tarand vor, einen Militärschlag Russlands gegen den NATO-Staat Estland zu provozieren. Einer der damaligen Mitorganisatoren und ebenfalls Berater Saakaschwilis, Eerik Niiles Kross, bewirbt sich derzeit um einen Sitz im Europaparlament. Sollte er gewählt werden, so steht zu vermuten, wird auch er sich in Brüssel für die georgische Sache einsetzen.

Expertin Amanda Paul hält das Verhalten vieler EU-Abgeordneter für intransparent und korrupt und das Europaparlament in Fällen wie jenem der ukrainischen Politikerin Timoschenko für stark polarisiert.

Zweifel am Register für Lobby-Organisationen

Seit 2011 gibt es ein freiwilliges Register des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission für Lobby-Organisationen. Nur wer dort registriert ist, soll Zugang zum Europäischen Parlament erhalten. Allerdings betrachten Kritiker das Register als schwaches Instrument. Derzeit wird es einer Evaluierung unterzogen. Doch bemängelt die Organisation ALTER-EU, dass dieser Prozess weder glaubwürdig noch sinnvoll sei, da zum Beispiel die freiwillige Registrierung beibehalten werden soll.

Dass Lobbying-Bemühungen auch ohne Erfolg bleiben können oder ins das Gegenteil des Erwarteten umschlagen können, zeigt sich nicht nur bei Janukowitsch. Auch Klitschko und Timoschenko werden inzwischen sehr viel nüchterner gesehen. Und Saakaschwilis Partei verlor nicht nur zu Hause Wahlen. Die in Brüssel aufdringlich vorgebrachte Kritik am politischen Konkurrenten führte zu einem Überdruss, der Saakaschwilis Ansehen weiteren Schaden hinzufügte.

*In einer früheren Version hatten wir berichtet, Philipp Mißfelder habe an dem genannten Podium teilgenommen. Das ist nicht so.