Front-National-Erfolg bei Europawahl Politisches Erdbeben in Frankreich

Stand: 26.05.2014 13:16 Uhr

Frankreich im Schock: Der rechtsextreme Front National wurde mit gut 25 Prozent der Stimmen erstmals stärkste politische Kraft. Die Sozialisten von Präsident Hollande stürzten ab. Der Wahlsieger fordert nun Neuwahlen auch in Frankreich.

Von Ingo Bötig, ARD-Hörfunkstudio Paris

"Erdbeben." Das ist das meist zitierte Wort in den französischen Medien. Gleich gefolgt von: "historischer Sieg." Endgültige Zahlen liegen zwar noch nicht vor. Doch in den Schätzungen stabilisiert sich der Front National (FN) bei rund 25 Prozent. Der rechtsextreme FN hat die alteingesessenen Parteien der regierenden Sozialisten und der Konservativen weit abgeschlagen hinter sich gelassen.

Nach dem sichtbaren Schock am Wahlabend gibt sich Frankreichs Premierminister Manuel Valls nun betont kämpferisch: Er habe die Botschaft der Wähler verstanden. Und: "Ja, wir müssen unsere Unternehmen unterstützen, damit sie Arbeitsplätze schaffen. Ja, wir müssen die Steuern senken - vor allem die Lohnsteuer." Die sei ja förmlich explodiert, so Valls. "Vor allem für die Mittelschicht und die Arbeiter ist sie unerträglich hoch. Die wollen Verbesserungen in ihrem Portemonnaie sehen."

I. Bötig, ARD Paris, 26.05.2014 17:17 Uhr

Der Front National will Rücktritte und Neuwahlen

Der Wahlsieger Front National will sich mit diesen Ankündigungen nicht zufrieden geben. Aus dem Ergebnis bei der Europawahl müssten auch Konsequenzen in Frankreich selbst gezogen werden. Der FN will Rücktritte und dass Frankreichs Parlament neu gewählt wird.

Der Vize-Präsident der Partei, Florian Philippot, fragt deshalb öffentlich: "Werden Hollande und Valls taub bleiben?" Taub nicht. Aber Valls weist die FN-Forderung deutlich zurück: "Wir werden den Rechtsextremisten nicht das Feld überlassen. Wir haben im französischen Parlament eine Mehrheit. Und ich werde diesen Handlungsrahmen für meine Regierung nicht ändern."

Er sei überzeugt, so Valls, dass Frankreich dringend reformiert werden müsse. "Diese Aufgabe wurde lange verschlafen. Aber ich will die Menschen von diesen Reformen überzeugen." Nicht nur Frankreich, auch Europa will Valls noch stärker ins Visier nehmen: "Ich bin überzeugt, dass Frankreich seinen Platz hat in Europa. Und ich bin überzeugt, dass sich Europa neu ausrichten muss, um Wachstum und Beschäftigung stärker zu unterstützen."

Frankreichs Präsident schweigt - noch

Ein klares Bekenntnis zu Europa, aber auch eine Ansage, dass sich für alle etwas ändern muss. Nur wie? Darum wird es heute Morgen auch im Elysée-Palast gegangen sein. Präsident François Hollande hatte Valls und die wichtigsten Minister der Regierung einbestellt. Doch im Anschluss großes Schweigen: Ohne auch nur ein Wort stiegen sie in ihre Autos. Niemand weiß, ob sich der Präsident noch heute oder erst morgen zu dem Wahldebakel äußert. Wahrscheinlich morgen - wenn er beim Europäischen Rat in Brüssel ist.