Die Nigerianerin Okonjo-Iweala soll WTO-Chefin werden (Archivbild).

WTO-Ministerkonferenz Hoffen auf Solidarität

Stand: 13.06.2022 04:30 Uhr

Nahrungsmittelkrise, Fischereirechte, Impfstoffpatente: Die Liste der umstrittenen Themen, derer sich die Welthandelsorgansiation annehmen will, ist lang. Der Weg zu Lösungen ist steinig.

Von Jule Reimer, Deutschlandfunk

Covid-19-Pandemie, eine internationale Sicherheitskrise aufgrund des Krieges in der Ukraine, eine Ernährungs- und Energiekrise sowie die Dauerkrise Klimaerwärmung: So viele Krisen gleichzeitig seien in ihrem Leben ohne Beispiel, erklärte Generaldirektorin Ngozi Okonjo Iweala bei der Eröffnung der 12. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO in Genf.

Deshalb sei es umso wichtiger, solidarisch zu sein und in multilateralen Organisationen zusammenzuarbeiten, sagte die WTO-Generaldirektorin. Handel könne Teil der Lösung sein, warb sie für eine Einigung bei der höchsten Zusammenkunft der WTO-Mitgliedsstaaten und auch dafür, die Agrarmärkte offen zu halten. Doch eine Einigung wird nicht leicht.

Proteste von Umweltorganisationen

Über 40 Staaten haben auf den Preisanstieg bei Agrargütern als Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine bereits mit nationalen Exportverboten reagiert. In Genf wird es um eine Vereinbarung gehen, mit der Dominoeffekte vermieden werden, weitere Exportbeschränkungen, in deren Folge die Preise für Getreide und Dünger noch stärker anziehen könnten.

Die WTO-Konferenz wird begleitet von protestierenden Umweltorganisationen und dem internationalen Kleinbauernverband Via Campesina. Denn Industriestaaten und Entwicklungsländer - allen voran Indien - streiten über die Frage, ob offene Märkte allein ausreichen, um insbesondere in ärmeren Ländern für Ernährungssicherheit zu sorgen.

Selbstbewusst will Indiens Regierung vorrangig die Ernte der eigenen Bauern mit Mindestpreisen über Weltmarktniveau aufkaufen statt flexibel auf Import und Export zu setzen. In den Augen der WTO eine unzulässige Subventionierung. Mitdemonstrant Yudhvir Singh, Generalsekretär der Indian Farmers Union, findet das richtig: Nahrungsmittel seien in Indien, wo noch über 60 Prozent der Bevölkerung von einem kleinen Stück Land als Existenzgrundlage abhängen, keine Commodities, keine beliebige Handelsware. Die Kleinbauern produzierten, um ihre Familien und die lokale Bevölkerung zu ernähren.

Patentstreit um Impfstoffe

Auch beim in Genf angestrebten Abkommen zum Abbau überdimensionierter Fischereisubventionen und dem Verbot der illegalen Fischerei geht es letztlich um Ernährungssicherheit, darum, auch bei Handelsfragen die Nachhaltigkeitsziele der UNO - die Sustainable Development Goals (SDGs) - zu berücksichtigen.

Ebenfalls in Genf wird die von Indien und Südafrika geforderte Patentfreigabe verhandelt. Sie soll die Produktion von Covid-19-Impfstoffen in Entwicklungsländern zu günstigen Preisen für den Export in andere Entwicklungsländer ermöglichen. Insbesondere Deutschland, Großbritannien und die Schweiz sträubten sich lange dagegen; die USA würden eine befristete Freigabe für Impfstoffe mittragen.

Kein einfacher Weg

Für den kasachischen Co-Gastgeber Timur Suleimenov ist hier eine Einigung zentral, um die Welt vor weiteren Pandemie-Krisen zu bewahren. Doch den auf dem Tisch liegenden Kompromissvorschlag der EU bewerten Nichtregierungs-organisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" als völlig ungenügend, um künftigen weltweiten Gesundheitskrisen zu begegnen.

Und die WTO muss sich um ihre Arbeitsfähigkeit sorgen. Denn die Besetzung der Richterposten werden schon seit einigen Jahren durch die USA blockiert, die eine Reform fordern. WTO-Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala zeigte sich bei der Eröffnung der WTO-Tagung dennoch vorsichtig optimistisch, dass die Konferenz zu mindesten ein bis zwei Einigungen herbeiführen könnte. Aber eins sei klar: Die Straße dahin - genau gesagt bis Konferenzende am Mittwoch - wird holprig und steinig - auch Landminen seien nicht auszuschließen, so Okonjo-Iweala.

Jule Reimer, ARD Genf, 13.06.2022 07:12 Uhr