
Wahl in Südafrika Dem ANC drohen Stimmenverluste
Stand: 08.05.2019 05:15 Uhr
Präsident Ramaphosa predigt Geduld, doch viele Südafrikaner sind ernüchtert: 25 Jahre nach dem Ende des Apartheid-Regimes droht dem ANC bei der Parlamentswahl ein Denkzettel.
Von Jana Genth, ARD-Studio Johannesburg
Die Wahlsendungen im Fernsehen klingen wie ein Showdown in einem Spielfilm. Denn das Leben der Südafrikaner ist nicht gerade einfach, und da wundert es nicht, wenn Menschen ernüchtert klingen.
"Unsere Führer sind nicht für das Volk da. Sie versprechen das, halten es aber nicht. Ich werde nicht wählen gehen, weil niemand etwas für uns tut",
sagt Aik Munau. Er bewohnt eine Wellblechhütte am Ostkap, weit entfernt von einer Stadt. Er ist arbeitslos wie fast jeder in seiner Siedlung.
Da nützt es auch wenig, wenn Präsident Cyril Ramaphosa um Geduld bittet: "Wir müssen da durch. Ich weiß, dass die Menschen alles sofort wollen, sie sind ungeduldig. Es ist aber eine weite Reise. Einigkeit und Erneuerung zu erreichen, das dauert lange. Das geht nicht an einem Tag."
Beginn der Parlamentswahl in Südafrika
tagesschau 12:00 Uhr, 08.05.2019, Thomas Denzel, ARD Johannesburg
"Wenn wir uns aufraffen, wird alles gut"
Ramaphosa verspricht, gegen Korruption zu kämpfen und hat behutsam damit begonnen, seit er die Geschäfte von seinem Vorgänger Jacob Zuma übernommen hatte. Elizabeth, die in Pretoria lebt, spricht deshalb von bedingungslosem Vertrauen: "Früher konnte ich gar nichts machen, und jetzt habe ich immerhin das bisschen, was ich habe. Unsere Regierung sagt, man dürfe nicht warten, bis etwas Gutes geschieht. Wir müssen selbst etwas tun. Wenn wir uns aufraffen, wird auch alles gut. Ich halte bis zuletzt zum ANC. Denn eines Tages wird alles gut sein."
ANC hat an Ansehen verloren
Dennoch hat der ANC an Ansehen verloren, und möglicherweise wird die Partei, die seit 1994 pausenlos regiert hat, abgestraft. 62 Prozent der Stimmen hatte sie zuletzt, vor fünf Jahren. Dagegen hält Mmusi Maimane, der Chef der Demokratischen Allianz, der im Wahlkampf bis zuletzt kämpferische Töne angeschlagen hat:
"Genug ist genug. Nach 25 Jahren leeren Versprechungen stehe ich für den Wechsel. Zu Lebzeiten sollen die Menschen noch Wasseranschluss bekommen, in jedem Haushalt soll es ein Einkommen geben. Südafrikaner sollen nicht mehr sagen können, sie wären vergessen worden."
Auf Stimmenfang mit der Forderung nach Enteignungen
Maimane hat seine Wähler dort sicher, wo Menschen enttäuscht sind und nicht aus alter Verbundenheit ihr Kreuz machen. Lehlogonolo Tabane hat er überzeugt. Er lebt im Nordwesten, nah an der Grenze zu Botswana: "Ich glaube der Demokratischen Allianz. Wenn sie gewählt wird, dann kann sie vieles verbessern. Ich werde für Herrn Maimane stimmen. Ich habe Hoffnung und setze auf das, was er sagt."
Letzte Umfragen stellen dem ANC nur noch 50 Prozent in Aussicht. Und die größten Oppositionsparteien stehen in direkter Konkurrenz. Die linksradikale EFF punktet bei großen Teilen der Bevölkerung mit der Forderung nach einer entschädigungslosen Enteignung von Land und Betrieben.
Die Prognose von Politikwissenschaftler Bill Johnson ist die: "Es sieht so aus, als würden bei den Ergebnissen zwei Punkte bemerkenswert werden. Die Demokratische Allianz, die seit 25 Jahren immer gewonnen hat, könnte zurückfallen. Und die EFF könnte erheblichen Stimmenzuwachs bekommen und in dieser Wahl triumphieren."
Das Schwellenland Südafrika, dessen Wirtschaft auf dem Kontinent nur noch Rang 2 erreicht, steht an einem Scheideweg. Oft genug ist von einer Schicksalswahl die Rede oder - wie im Fernsehen - vom Moment der Wahrheit.
Katerstimmung vor den Wahlen in Südafrika
Jana Genth, ARD Johannesburg
08.05.2019 06:38 Uhr
Video
Audio
Aus dem Archiv
Weitere Meldungen aus dem Archiv vom 08.05.2019 und vom 07.05.2019
- Alle Meldungen vom 08.05.2019 zeigen
- Alle Meldungen vom 07.05.2019 zeigen