Ursula von der Leyen gibt nach ihrem Treffen im Europäischen Parlament eine Erklärung ab.

Von der Leyen in Brüssel Kandidatin im Kreuzverhör

Stand: 10.07.2019 20:42 Uhr

"Leidenschaftlich, aber wolkig": Ihre Skeptiker konnte von der Leyen in Brüssel noch nicht überzeugen. Die Kandidatin für das EU-Spitzenamt stand drei Fraktionen Rede und Antwort.

Es war keine leichte Aufgabe für Ursula von der Leyen in Brüssel: Vom Vormittag bis zum frühen Abend stellte sie sich am Mittwoch den Fragen vieler Abgeordneter. Sie hat Fraktionschefs des Europäischen Parlaments getroffen und dessen Präsidenten David-Maria Sassoli.

Ursula von der Leyen mit dem Präsidenten des Europa-Parlaments Sassoli

Ursula von der Leyen traf unter anderem den Präsidenten des Europaparlaments Sassoli.

Von der Leyen kündigte an, sich für eine Reform des Spitzenkandidatenprinzips einzusetzen und so das Parlament zu stärken. Denn das Europäische Parlament sei das Herz der europäischen Demokratie und sie selbst eine Europäerin aus dem Herzen heraus und aus Überzeugung. Dennoch räumte sie ein: Es sei ein holpriger Start.

Stundenlang Antworten auf die Fragen

Sie ist bei der Gruppe der Sozialisten und Sozialdemokraten gewesen, bei den Liberalen, die sich jetzt "Renew Europe" nennen und bei den Grünen. Bis zu zwei Stunden lang dauerten die einzelnen Anhörungen in den Fraktionen.

Von der Leyen hatte auf alle Fragen Antworten: Zur Migration und zu Flüchtlingen auf dem Mittelmeer sagte sie, das sei ein schwieriges Thema - sie wisse das. Zum Verhältnis Europas zu Russland, meinte die CDU-Politikerin, der Kreml verzeihe keine Schwäche. Hier müsse Europa immer aus einer Position der Stärke heraus auftreten.

Und dann war da auch die Frage, warum denn die Dänin Margrethe Vestager nicht Kommissionspräsidentin werden sollte, die doch zumindest irgendwie eine Spitzenkandidatin der europäischen Liberalen gewesen sei. Sie respektiere Vestager sehr, antwortete von der Leyen. Das habe sie immer deutlich gemacht.

Vielen blieb sie zu unkonkret

Die deutsche Noch-Verteidigungsministerin versuchte mit ihren Antworten Sympathien zu gewinnen und inhaltlich zu punkten, doch vielen blieben ihre Antworten zu unkonkret. Die FDP-Europaabgeordnete Nicola Beer nannte von der Leyens Auftritt "leidenschaftlich, aber wolkig".

Timo Wölken von der SPD fehlt Klarheit bei den Themen Klimaschutz und Migration: "Bei der Frage der CO2-Reduktion hat sie gesagt, sie möchte 50 Prozent, wir möchten aber 55 Prozent, bei der Migration hat sie nur von der Frontex-Stärkung gesprochen, aber nicht davon, Menschen aus Seenot zu retten. Für uns auf wichtige Fragen keine klare Antwort."

Worauf es den Grünen ankommt, wenn sie von der Leyen am kommenden Dienstag in Straßburg mitwählen sollen, hatte die Fraktionschefin Ska Keller bereits mehrfach deutlich gemacht: "Für uns ist das Programm vorne - beim Klimaschutz, bei Rechsstaatlichkeit, bei der Flüchtlingsrettung oder sozialer Gerechtigkeit."

Grünen-Spitzenkandidatin Ska Keller

Ska Keller macht die Zustimmung der Grünen zu von der Leyen von deren Programm abhängig.

Grüne wollen gegen von der Leyen stimmen

Und die Grünen bleiben von der Leyen gegenüber skeptisch. Am Abend teilte die Fraktion mit, gegen von der Leyen stimmen zu wollen. Die Antworten von der Leyens auf Fragen bei einer Anhörung in ihrer Fraktion seien "enttäuschend" gewesen, erklärte die Ko-Fraktionsvorsitzende Keller. "Wir haben keinerlei konkreten Vorschlag gehört - sei es zur Rechtsstaatlichkeit oder zum Klima." 

Sie und die Liberale Gruppe im Europaparlament haben die Befragung live im Internet gestreamt. Das hatte es so noch nicht gegeben und soll für Transparenz auf dem Weg der deutschen Politikerin zur Spitze der Europäischen Kommission sorgen. Schließlich sei ihre Nominierung durch die Staats- und Regierungschefs alles andere als transparent gewesen, heißt es etwa bei den Grünen.

Von dort kommt auch der Vorschlag, die Abstimmung über von der Leyen im Europaparlament bis zum September zu verschieben. Ob es für diese Idee eine Mehrheit gibt, ist aber nicht sicher. Genauso wenig wie es bis jetzt die Wahl von der Leyens zu ersten europäischen Kommissionspräsidentin ist.

Holger Beckmann, Holger Beckmann, ARD Brüssel, 10.07.2019 17:57 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 10. Juli 2019 um 20:00 Uhr.