Reportage

Krise in Venezuela "Das Geld ist nichts mehr wert"

Stand: 12.02.2019 07:58 Uhr

Wieder wollen heute Tausende in Venezuela gegen die Maduro-Regierung auf die Straße gehen. Sie wünschen sich ein Ende der Krise im Land. Sie leben in einer Hyperinflation, ihre Lage wird immer verzweifelter.

In Venezuela sind für heute neue Massenproteste gegen die sozialistische Regierung von Nicolás Maduro angekündigt. Der selbst ernannte Übergangspräsident Juan Guaidó hat dazu aufgerufen. Die Menschen fordern einen Machtwechsel, weil sie sich davon einen Ausweg aus der Krise versprechen. Die wirtschaftliche Situation in dem südamerikanischen Land ist katastrophal: Lebensmittel und Medikamente sind knapp, und es herrscht Hyperinflation.

"Was ich morgens gekauft habe, ist mittags schon teurer"

Der Straßenmarkt in einem der Slums von Caracas ist schlecht besucht. Zu hoch seien die Preise, klagen die wenigen Kunden und Verkäuferinnen wie Magali Méndez. "Heutzutage muss ich sehr viel ausgeben, um sehr wenige Produkte zu bekommen", sagt sie. "Wenn der Dollarkurs steigt, schließen die Großmärkte, alles wird neu ausgepreist. Was ich morgens gekauft habe, ist mittags schon teurer."

Zehn Millionen Prozent könnte die Hyperinflation nach IWF-Schätzungen in diesem Jahr betragen. Offizielle Daten geben venezolanische Behörden seit langem nicht mehr heraus. Am Stand von Méndez kostet ein Päckchen mit zehn Babywindeln einen halben Monats-Mindestlohn, ein Kilo Maismehl ein Viertel des Mindestlohns.

Die Studentin Norma Villalobos hat sich ein halbes Kilo Bananen geleistet. Sie habe schon seit einem Monat kein Obst mehr gekauft, weil es zu teuer geworden sei, sagt sie. "Das Geld ist nichts mehr wert. Ich versuche, trotzdem noch frisches Gemüse und Obst zu essen, kaufe aber nur noch das Billigste, zum Beispiel Yucca, Kartoffeln oder eben Bananen."

Medikamente sind meist unbezahlbar

Bei Medikamenten ist es schwierig, billigere Alternativen zu finden. Vor einer Apotheke steht eine lange Schlange. Seit Jahren werden in Venezuela so gut wie keine Arzneien mehr hergestellt. Und für die wenigen Importprodukte, die es noch gibt, reicht der Lohn in der Hyperinflation nicht aus. Ein Mittel gegen Osteoporose kostet zum Beispiel vier Monatslöhne.

Weil er die Verzweiflung seiner Kunden nicht mehr ertrug, begann Javier Rojo, der Sohn eines Apothekers, im Internet Medikamentenspenden zu vermitteln. "Die Leute veröffentlichen, was sie suchen oder anbieten und wir vermitteln das Medikament und liefern es auch aus", erklärt er.

Wir haben keine Liste von Medikamenten, sondern nur das, was andere spenden. Das funktioniert über Twitter und auch WhatsApp, wo wir am Tag etwa 400 Nachrichten bekommen. Zwei Mitarbeiter bearbeiten die Nachrichten. Seit wir im letzten Jahr begonnen haben, gab es schon etwa 5000 Lieferungen.

"Humanitäre Hilfe ist nötig"

Die Spenden kommen von Angehörigen Kranker, die verstorben sind, oder von Venezolanern, die Medikamente aus dem Ausland mitbringen. Rojo hofft, dass der politische Streit über die ausländische humanitäre Hilfe endlich endet. Die Maduro-Regierung und Guaidó ringen darum, ob sie ins Land darf.

"Wenn Du den ganzen Tag mit Menschen verbunden bist, die dir schreiben: 'Ich brauche das Medikament doch nicht mehr, weil mein Kind schon gestorben ist' - solche Nachrichten bekommen wir täglich", berichtet Rojo. "Die humanitäre Hilfe ist nötig. Das Land muss sich dafür öffnen."

Der junge Mann gehört zu den 120.000 Freiwilligen, die sich nach Oppositionsangaben bereits gemeldet haben, um bei der Verteilung von Hilfsgütern zu helfen - falls sie ins Land kommen sollten.

Anne-Katrin Mellmann, Anne-Katrin Mellmann, ARD Mexiko City, 12.02.2019 06:28 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. Februar 2019 um 05:45 Uhr.