
Biden nach Sieg bei US-Wahl Präsidial, empathisch und versöhnlich
Vor begeisterten Anhängern haben der designierte US-Präsident Biden und seine künftige Stellvertreterin Harris ihre Siegesrede gehalten. Und wieder schlug Biden versöhnliche Töne an. Er will Präsident aller Amerikaner sein.
Als die designierte Vizepräsidentin Kamala Harris den neuen US-Präsidenten ankündigt, gerät die Menge in Wilmington im Bundesstaat Delaware schier aus dem Häuschen. Tausende Menschen mit rot-weiß-blauen Stars and Stripes-Flaggen sind gekommen, um Joe Biden zu feiern. Es ist ein historischer Moment. Seit Jahrzehnten hat sich Biden auf diese Siegesrede vorbereitet.
"Das Volk hat gesprochen. Es hat uns einen klaren und überzeugenden Wahlsieg geliefert", sagt er stolz. "Wir haben mit den meisten Stimmen gesiegt, die je ein Präsident in der Geschichte dieses Landes gewonnen hat: 74 Millionen Stimmen!"
Biden schaut nach vorn
Der 77-Jährige gibt sich präsidial, empathisch und versöhnlich. Und er macht sich gleich an die Arbeit. Sein Ziel: die zerstrittenen Amerikaner wieder zu versöhnen. Er will, dass alle Amerikaner ihm vertrauen, nicht nur diejenigen, die für ihn gestimmt haben.
"Ich verspreche ein Präsident zu sein, der nicht spaltet, sondern eint", sagt er. "Der keine roten Staaten oder blauen Staaten sieht, sondern nur Vereinigte Staaten." Biden blickt nach vorn, spricht über die kommenden Herausforderungen seiner Präsidentschaft - die Corona-Pandemie, die Wirtschaftskrise, das Gesundheitssystem, den Rassismus, den Klimawandel und nicht zuletzt die Demokratie. Bereits am Montag will er eine Corona-Taskforce einsetzen, die am 21. Januar - am Tag nach der Amtsübernahme - die Arbeit beginnen soll.
Dass Amtsinhaber Donald Trump seine Wahlniederlage nicht akzeptieren wird, erwähnt Biden mit keinem Wort. Stattdessen forderte er auch die Trump-Unterstützer zur Versöhnung auf. Es sei an der Zeit, die scharfe Rhetorik wegzupacken, die Temperatur zu senken, einander wieder zuzuhören, erklärt Biden. "Sie sind nicht unsere Feinde. Sie sind Amerikaner."
Biden-Anhänger feiern auf den Straßen
Den ganzen Tag über hatten seine Anhänger Biden bereits gefeiert. In den meisten US-Großstädten von Washington über Chicago bis Los Angeles ertönten Hupkonzerte und Jubelschreie.
In New York erstrahlten die Wolkenkratzer in Rot-Weiß-Blau. In Washington strömten spontan Hunderte Menschen zur Black Lives Matter Plaza vor dem Weißen Haus, um Bidens Wahlsieg zu feiern. Kirchenglocken läuteten minutenlang.
Die Erleichterung bei vielen Einwohnern Washingtons war riesengroß. Die Hauptstadt gilt als demokratische Hochburg: 93 Prozent der Menschen hatten für Biden gestimmt. Fast vier Tage lang mussten seine Anhänger um den Wahlsieg der Demokraten zittern. "Wir sind so glücklich. Die beste Nachricht überhaupt! Joe Biden ist unser 46. Präsident. Und Trump ist gefeuert!", jubelt ein Ehepaar.
Briefwahlstimmen machten den Unterschied
Noch in der Wahlnacht sah es so aus, als könnte Amtsinhaber Trump die Präsidentenwahl gewinnen. Durch die späte Auszählung der Briefwahlstimmen - insbesondere im Bundesstaat Pennsylvania - konnte Biden jedoch aufholen und sich in Pennsylvania schließlich die 20 Wahlleute sichern, die nötig waren, um ihm den Wahlsieg zu verschaffen.
"Es ist fast, als hätten wir eine Meisterschaft gewonnen. Wir haben es kommen gesehen, aber man spürt richtig, wie die Last von den Schultern der Stadt abfällt", sagt der 26-jährige Adam. Und seine Nachbarin Heather hat schon mal den Champagner kaltgestellt.
Einziger Wermutstropfen für viele Amerikaner: Die Angst, dass Trump mit seiner Drohung, Bidens Wahlsieg gerichtlich anfechten zu wollen, durchkommen könnte.
Da Trump bis Januar faktisch noch Präsident ist, könne er bis dahin noch machen, was er wolle, sagt Jamal im Washingtoner Stadtteil Tacoma Park. "Das ist das einzige, was mir im Moment noch Sorgen macht."