
US-Wahlkampf Wie Corona den Kampf um Wisconsin prägt
Stand: 12.10.2020 09:10 Uhr
Vor vier Jahren hat Donald Trump Wisconsin knapp gewonnen. Der Swing State gilt als einer der Schlüsselstaaten bei der US-Wahl und ist besonders umkämpft. Doch durch Corona ist vieles anders.
Von Katrin Brand, ARD-Studio Washington
Der schwarze Jungbulle hat die Ruhe weg. Mit Seifenschaum und Föhn wird er zurechtgemacht, damit er gleich bei der Viehmesse in Milwaukee Schaulaufen kann. Und dann? Nach der Schau? Bauer Jesse Merfeld überlegt kurz: "Der Angus-Bulle wird ein Hamburger", so ist das.
Ähnlich unverblümt ist der junge Bauer aus Columbus im Bundesstaat Wisconsin auch, wenn es um Politik geht: Keine Frage, er sei Republikaner durch und durch. Die Demokraten hätten Bauern nichts zu bieten, glaubt er. Natürlich werde er wählen gehen, und natürlich halte er die Angst vor dem Coronavirus für überzogen.
Heftiger Corona-Ausbruch im Swing State
Keine 14 Tage später wird, da wo wir uns unterhalten haben, ein Feldlazarett aufgebaut. Wisconsin kämpft mit einem heftigen Corona-Ausbruch, mitten im Wahlkampf.
Der Bundesstaat in der nördlichen Mitte der USA mit seinen sechs Millionen Einwohnern ist ein Swing State. Vor vier Jahren hat Donald Trump hier knapp gewonnen, im Moment führt Joe Biden je nach Umfrageinstitut mit drei bis zehn Prozentpunkten.
"Dieser Staat mag es zu wählen"
"Dieser Staat mag Wahlen und mag es zu wählen", sagt Bild Glauber, Journalist beim "Milwaukee Journal Sentinel", und rückt gleich ein Vorurteil zurecht: "Wisconsin besteht nicht nur aus Kühen und Käse, es hat Industrie und zehn städtische Regionen, verteilt über den Staat."
Milwaukee und die Hauptstadt Madison sind Universitätsstädte und wählen demokratisch, die ländlichen Gemeinden und Vorstädte eher republikanisch. Zum Beispiel Brookfield, eine 40.000-Einwohner-Gemeinde am Rand Milwaukees.
Es gehe um Trump oder Kommunismus, glaubt Kathy, eine Frau in den Sechzigern, die gerade aus der Stadtbücherei kommt. Und auch wenn man den Mann nicht möge, dürfe man es nicht darauf ankommen lassen. Am 3. November wolle sie persönlich wählen gehen, bei der Briefwahl befürchte sie Betrug. Dabei könnte sie ihren Stimmzettel einfach nebenan abgeben, in der Stadtverwaltung.
Schon mehr als 650.000 Briefwähler
Kelly Michaels wickelt dort die Wahlen für Brookfield ab und rät jedem, sich zu informieren, was Staat und Stadt alles unternehmen, damit jede Stimme ankommt. Sie könne sehr, sehr gewiss sagen, dass die Wahlen hier in Wisconsin sicher seien, sagt sie Michaels.
Im ganzen Staat haben bereits rund 650.000 Wähler ihre Stimme abgegeben. Vor allem die Wähler der Demokraten bevorzugen die Briefwahl - wegen Corona.
Wahlkampf stark eingeschränkt
In der Wahlkampfzentrale der Demokraten von Milwaukee, einem winzigen Ladenlokal, sind die Aktivisten aufgeregt und frustriert. Aufgeregt, weil sie eine echte Wendestimmung ausmachen, frustriert, weil Corona ihren Wahlkampf einschränkt.
"Normalerweise würden wir jetzt von Tür zu Tür gehen, anklopfen, sprechen, Material da lassen. Das können wir alles wegen des Virus nicht machen", sagt Joan, die Schatzmeisterin. Denn das würde die Botschaft Bidens gefährden, dass er verantwortlich mit Corona umgeht.
"Ein ziemlich großes Wählerexperiment"
Die Republikaner allerdings sind sehr wohl unterwegs in der Stadt. Trump selbst hatte mehrere größere Auftritte, bevor er selber krank wurde, während Biden wie immer nur mit kleineren Gruppen sprach. Das werde interessant, sagt Journalist Glauber: "Was wir hier in Wisconsin haben, ist ein ziemlich großes Wählerexperiment, welcher Wahlkampfstil am Ende funktionieren wird."
Wann das Ergebnis für Wisconsin vorliegen wird, ist noch offen. Im Moment streiten Demokraten und Republikaner noch vor Gericht, bis wann die Stimmzettel eingetroffen sein müssen.
Wisconsin: Im Swing State steigt die Nervosität
Katrin Brand, ARD Washington
12.10.2020 07:51 Uhr
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