Waffen des US-Herstellers Smith & Wesson.
Reportage

Erneute Klage der Regierung Wie US-Waffen die Gewalt in Mexiko befeuern

Stand: 11.10.2022 03:17 Uhr

Jährlich werden etwa 200.000 US-Waffen nach Mexiko geschmuggelt. Die mexikanische Regierung verklagt deshalb nun erneut deren Hersteller. Derweil geht das Leiden der Menschen weiter.

Es war der 9. Dezember vor zwei Jahren, erinnert sich Maria. Ihr Neffe hatte wie jeden Morgen gegen 6.00 Uhr das Haus verlassen, um zum Treffpunkt für die Erntehelfer im Zentrum des Ortes zu laufen. Ein Pickup bringt die jungen Männer von dort zu Limettenfeldern.

Doch kurz bevor er den Treffpunkt erreichte, raste ein Motorrad mit zwei jungen Männern auf ihn zu: Einer feuerte mit einer Waffe drei Mal auf ihn ab. Eine Kugel erwischte ihn tödlich am Kopf.

Warum ist das nur passiert? Er war doch noch so jung, fast noch ein Kind. 15 Jahre alt. Kurz danach haben sich die Leute den Mund zerrissen. Er sei sicherlich in Geschäfte mit den kriminellen Banden verwickelt. Dabei hat er nur gearbeitet und geschlafen. Er hatte noch nicht einmal eine Waffe.

Immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen

Wenn sie daran denkt, ist sie immernoch verzweifelt. Ein ganzes Jahr lang konnte sie danach nicht arbeiten, erzählt sie. In dem Ort kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den zwei vorherrschenden kriminellen Gruppen: Carteles Unidos und dem Kartell Jalisco Nueva Generación.  Zuletzt vor einem Jahr.

Unweit von Marias Haus ist ein Wohngebäude komplett zerlöchert. Fünf Tage konnten die Bewohner von Buenavista nicht auf die Straße - Tag und Nacht hörten sie Schüsse. An Waffen mangelt es den Kartellen nicht. Sie bekommen sie auf dem Schwarzmarkt - von einer einfachen Pistole bis hin zu Sturmgewehren vom Typus AK-47.

Bis zu 90 Prozent der Waffen kommen illegal aus den USA

Zwischen 70 und 90 Prozent der Waffen werden illegal aus den USA nach Mexiko geschmuggelt. Dagegen will die mexikanische Regierung vorgehen. Sie hat bereits vor einem Jahr eine Klage gegen Waffenhersteller wie Smith & Wesson und weitere Unternehmen auf den Weg gebracht.

Die nachlässige Art und Weise, in der Waffen in den Vereinigten Staaten verkauft werden, macht es Kriminellen leichter, Zugang zu ihnen zu bekommen, so lautet der Vorwurf. 10 Milliarden Dollar Schadenersatz und Wiedergutmachung hatte die mexikanische Regierung dafür gefordert.

200.000 Waffen pro Jahr

Zwar wurde die Klage nun nach einem Jahr vom zuständigen Richter in den Vereinigten Staaten abgewiesen, doch die mexikanische Regierung geht nun in Berufung, kündigt der mexikanische Außenminister Marcelo Ebrard an.

In rund einem Jahr haben wir 55.996 Waffen konfisziert. Davon sind 21.430 lange leistungsstarke Waffen. Der illegale Handel mit diesen Waffen übersteigt zahlenmäßig und was die Schusskraft angeht bei Weitem alles, was wir in einem Jahr für unser Militär und die Polizei kaufen.

Schätzungen zufolge werden jedes Jahr rund 200.000 Waffen nach Mexiko geschmuggelt.

Immunität für die Waffenindustrie

Obwohl das Gericht Sympathie für das Volk von Mexiko empfinde, sei es ans Gesetz gebunden, hatte der Richter betont. Für den mexikanischen Außenminister Marcelo Ebrard hat der US-Richter in seiner Stellungnahme Mexiko trotzdem Recht gegeben.

Mit anderen Worten: Die Herkunft der Waffen ist nachgewiesen. Es ist erwiesen, dass sie für diese Waffen verantwortlich waren. Und diese sind für Morde in Mexiko verantwortlich. Der Richter hält jedoch das 2005 in den Vereinigten Staaten verabschiedete Gesetz aufrecht, das der Waffenindustrie Immunität in Bezug auf den Einsatz der Waffen gewährt.

Die mexikanische Regierung hat nun auch eine zweite Klage auf den Weg gebracht. Sie richtet sich gegen fünf spezifische Waffenhändler im benachbarten US-Bundesstaat Arizona, erklärte Ebrard in einer Videobotschaft. In dem neuen Fall sind nun Waffengeschäfte ins Visier geraten, die in den Städten Tucson, Phoenix und Yuma liegen. Sie sollen systematisch Waffen an Strohmänner verkauft haben, die im Auftrag vom organisierten Verbrechen handelten. 

Und die geschmuggelten Waffen landen auch in den Händen von Jugendlichen in Buenavista, kritisiert Maria.

Die Jungs hier im Ort denken, sich einem Kartell anzuschließen und eine Waffe zu haben, sei das Beste. Sie glauben, dass es der beste Job ist, den sie kriegen können. Auch mit 14, 15 Jahren schon. Das ist hier normal.
Anne Demmer, Anne Demmer, ARD Mexiko, 11.10.2022 05:56 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 11. Oktober 2022 um 05:55 Uhr.