Rolf Mützenich

Krieg gegen die Ukraine Was hat es mit Kiews Liste auf sich?

Stand: 06.11.2022 18:07 Uhr

Die Ukraine führt eine Liste mit Personen, die aus Kiews Sicht russische Propagandaerzählungen verbreiten. Auch der SPD-Politiker Mützenich steht darauf, er nannte es eine "Terrorliste". Was steckt dahinter?

Von Von Rebecca Barth, WDR, zzt. Kiew

Alice Schwarzer, Rolf Mützenich, Marine Le Pen, Jeffrey Sachs - sie alle haben eines gemeinsam: Sie stehen auf einer Liste des ukrainischen "Zentrums zur Bekämpfung von Desinformation". Der Vorwurf: Sie würden russische Propaganda-Narrative verbreiten.

Doch auf der Liste des Zentrums finden sich kaum ernstzunehmende Propagandisten der russischen Staatsmedien - stattdessen eine teilweise wahllos und inkonsequent wirkende Auflistung vor allem westlicher Personen des öffentlichen Lebens. Der SPD-Fraktionschef Mützenich und der Politikwissenschaftler Johannes Varwick werden aufgelistet - aber Sahra Wagenknecht und Gerhard Schröder fehlen zum Beispiel.

SPD-Fraktionschef Mützenich hatte am Samstag beim SPD-Debattenkonvent von einer "Terrorliste" gesprochen, auf die Kiew ihn gesetzt habe. Am Abend dementierte das ukrainische Außenministerium offiziell: Eine "Terrorliste" gebe es nicht und gegen Mützenich werde seines Wissens nach auch nicht ermittelt, schrieb der Sprecher des Außenministeriums.

Reaktion auf Russlands hybriden Krieg

Auf Initiative von Präsident Wolodymyr Selenskyj nahm das "Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation" im April 2021 seine Arbeit auf: "Es wird ein Schutzschild der Ukraine werden und alles dafür tun, damit es ein Schwarzer Freitag wird für Propagandisten und Saboteure von Informationen in und außerhalb der Ukraine." 

Propaganda und Desinformation - sie waren schon vor Beginn des Krieges in der Ostukraine 2014 ein wichtiger Bestandteil des hybriden Krieges gegen die Ukraine. Geführt nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch im Informationsraum, in den Medien, im Internet, in der Ukraine, aber auch im Ausland.

Schon während der Maidan-Proteste im Winter 2013 in Kiew verbreitete Russland die Behauptung, es handele sich um einen faschistischen Putsch. Ein Mythos, der besonders Menschen in der Ostukraine Angst machte. Sie konsumierten zu diesem Zeitpunkt häufig russische Medien.

Die Ukraine sieht sich auch in einem Informationskrieg - und sie versucht ihn zu gewinnen. Das "Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation" ist da nur eine Gegenmaßnahme.

Analysezentrum ohne Sanktionsmöglichkeit

Irina Wereschtschuk, bei Gründung des Zentrums noch Abgeordnete im Parlament, heute die stellvertretende Regierungschefin, erklärte damals: "Das ist ein Koordinierungszentrum. Es wird Informationen analysieren, sammeln, zusammenfassen und dann Schlussfolgerungen zu bestimmten Informationen ziehen. Das wird hauptsächlich Falschmeldungen betreffen, die Russland verbreiten wird und auch schon verbreitet, um Aufklärung zu betreiben und vor diesen Informationen zu warnen. Das ist für uns, Politiker und für die Behörden, für alle."

Das "Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation" untersteht dem Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine und ist somit eine Regierungsbehörde. Es kann aber keine Sanktionen gegen Personen aussprechen. Zurzeit wirft es über 90 Vertretern aus Politik, Medien, Wissenschaft und Unterhaltung vor, Narrative zu verbreiten, die mit russischer Propaganda übereinstimmen. Sie alle befinden sich auf der mittlerweile bekannten Liste, die aber derzeit nicht mehr abrufbar ist.

Rebecca Barth, WDR, zzt. Kiew, 06.11.2022 16:10 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell am 06. November 2022 um 22:11 Uhr.