Eduard Heger (l-r), Maia Sandu, Wolodymyr Selenskyj, Robert Golob und Andrej Plenkovic, bei der Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung in Butscha

Gedenken an die Opfer von Butscha "Die Welt wird nicht vergessen"

Stand: 31.03.2023 18:37 Uhr

Gefoltert, erschlagen, vergewaltigt, erschossen - vor einem Jahr verübten russische Soldaten in dem Kiewer Vorort Butscha schreckliche Gräueltaten. Heute wurde in der Ukraine der Opfer gedacht.

Von Andrea Beer, ARD Kiew

"Das Wort hat der Präsident", heißt es an diesem grau verhangenen 31. März in Butscha, wo an das Ende der russischen Besatzung vor einem Jahr erinnert wird. "Butscha war unbekannt und ist nun eine Stadt, die die Welt nie vergessen wird", so Wolodymyr Selenskyj.

In der Ukraine finde ein Kampf um "die Gründung der freien Welt statt", so das Staatsoberhaupt weiter. "Wir gewinnen diesen Kampf und das russische Böse wird genau hier in der Ukraine besiegt". Die Menschheit gewinne, aber sie müsse sich an jede ukrainische Stadt erinnern, deren "Heldentum und Widerstandsfähigkeit allen eine Zukunft gibt. Allen, die das Wichtigste schätzen: das Leben".

Menschen in Butscha gedenken der Opfer der russischen Gräueltaten vor einem Jahr

Tobias Dammers, ARD Kiew, tagesthemen, tagesthemen, 31.03.2023 22:15 Uhr

Ein unvergesslich grausames Bild

"03. - 31.03.2022 - 28 Tage" - das steht auf dem schlichten, braunen Gedenkstein in Butscha, der an die Russland vorgeworfenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erinnert. Leichen von Zivilisten auf den Straßen, Massengräber, Zerstörung, Berichte von Exekutionen, Vergewaltigungen und Plünderungen durch Angehörige der russischen Armee.

Nach dem Ende deren Besatzung vor einem Jahr bot sich der Welt ein unvergesslich grausames Bild dessen, was russische Okkupation für die Menschen in der Ukraine bedeutet.

Menschen nehmen an einer Gedenkveranstaltung am "Taras Schewtschenko Platz" in Butscha teil.

Den ganzen Tag gab es in Butscha mehrere kleinere Veranstaltungen.

"Es war schrecklich"

Auch Switlana Adamina denkt heute besonders intensiv daran zurück: "Es war schrecklich. Es gab kein Wasser, keinen Strom und kein Gas. Es war kalt, als die Russen hier waren. Wir richteten uns Feuerholz in der Nähe jedes Eingangs, um zumindest etwas kochen zu können. Wenigstens einen Tee."

Drei Tage später sei sie Wasser holen gegangen, und auf dem Gehweg sei ein toter Mensch gelegen. "Ich konnte nicht erkennen, ob es eine Frau oder ein Mann war. Die Leute haben die Leiche bedeckt, mit etwas Schwarzem, und legten Steine und Ziegel darauf."

"Eine besondere Narbe im Herzen"

Irpin, Borodjanka, Hostomel oder Butscha. Im gesamten Gebiet Kiew wurden laut Generalstaatsanwaltschaft mehr als 1400 Zivilisten getötet. In 9000 Fällen ermittelt die Justiz wegen Kriegsverbrechen. Alleine in Butscha kamen weit mehr als 400 Menschen ums Leben, daran erinnert Bürgermeister Anatolj Fedoruk. 419 Bürgerinnen und Bürger seien gefoltert und erschlagen oder erschossen worden, so Fedoruk.

Die Bilder gingen um die Welt. Genau wie die von der völlig zerstörten Voksalna Straße. Dort dankt der Bürgermeister heute allen die am Wiederaufbau der Stadt beteiligt sind und er erinnert an den Tag an dem die russische Armee Butscha besetzte. Der 27. Februar sei im Leben jeder Familie, jedes Einzelnen, der Stadt und des Staates ein besonderes Kapitel, eine besondere Narbe im Herzen, so Fedoruk weiter.

Wir können den Besatzern weder vergeben noch etwas vergessen. Aber wir sind zugleich verpflichtet, alles Erdenkliche zu tun, damit das Leben weitergeht. Und dazu gehört auch die Renovierung der Voksalna Straße.

Der Bewohner Wladimir hat an diesem Gedenktag gemischte Gefühle: "Einerseits war es ein Sieg, andererseits geht das alles weiter, also kann ich das nicht kommentieren, weil die Aussichten sehr schwierig sind. Niemand kann etwas sagen. Also lasst uns hoffen und abwarten, dass es eines Tages vorbei ist."

Staats- und Regierungschefs in Butscha

Zu dem Gedenken in Butscha sind auch die Staats- und Regierungschefs aus der Slowakei, Slowenien, Kroatien und Moldau in die Ukraine gereist. Die moldauische Präsidentin Maja Sandu erhält als erste nach Selenskyj das Wort. Das kleine Nachbarland der Ukraine hat viele Geflüchtete aufgenommen und ein Teil Moldaus ist seit mehr als 30 Jahren von russischen Truppen besetzt.

"Wir bewundern den Mut und die Entschlossenheit mit der die Verteidiger der Stadt die russischen Invasoren zurückgeschlagen haben. Wir trauern um die unschuldigen Opfer", so Sandu in ihrer Rede. "Viele wurden getötet, andere gefoltert, vergewaltigt, traumatisiert. Die demokratischen Länder müssen zusammen daran arbeiten, dass die Verbrechen bestraft werden. Wir müssen das Signal senden, dass Gewalt niemals toleriert werden darf, weder in der Ukraine noch anderswo."

Den ganzen Tag gibt es in Butscha mehrere kleinere Veranstaltungen. Auf der "Allee der Helden" auf dem Friedhof von Butscha wurden Blumen niedergelegt. Dort gibt es auch zahlreiche Gräber mit nicht identifizierten Toten. Am Abend versammeln sich Bürgerinnen und Bürger und entzünden Kerzen - zum Gedenken an die Befreiung vor einem Jahr.

Andrea Beer, Andrea Beer, ARD Kiew, 31.03.2023 17:17 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 31. März 2023 um 12:00 Uhr.