Uiguren in Xinjiang Totale Überwachung und Umerziehung

Stand: 06.08.2018 10:45 Uhr

Die Heimat der rund zehn Millionen muslimischen Uiguren in China ist zu einem beispiellosen Überwachungsstaat geworden - mit modernsten Methoden und einem Netz an Umerziehungslagern. 

Metalldetektoren vor Restaurants, Hotels und Moscheen. Kameras, Checkpoints, ein immenses Aufgebot an Sicherheitspersonal - Bilder aus der Provinz Xinjiang gleichen einem Hochsicherheitstrakt. China vereint hier zwei Dinge: den vermeintlichen Kampf gegen Terrorismus und ein Überwachungs-, Kontroll-, und Sanktionsregime gegen eine ethnisch-religiöse Minderheit.

Im Visier des chinesischen Staates sind die Uiguren, ein muslimisches Turkvolk in Xinjiang. Sophie Richardson ist Direktorin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Hongkong. "Die Uiguren mussten 40 Jahre lang mit ansehen, wie ihre Religion unterdrückt und ihre Identität ausgelöscht wurde", sagt sie. "Das hat verständlicherweise zu einer großen Verbitterung gegenüber der Provinz- und Zentralregierung geführt."

Massiver Druck nach Unruhen

In Xinjiang leben etwa zehn Millionen Uiguren, rund die Hälfte der Einwohner. 2009 wurden bei Unruhen während des Fastenmonats Ramadan in der Hauptstadt Urumqi fast 200 Menschen getötet. 2014 starben 90 Menschen, als Uiguren gegen ihre Unterdrückung protestierten.

Der chinesische Staat macht dafür extremistische uigurische Gruppen verantwortlich und führt einen rigorosen Anti-Terror-Kampf. Auf Kritik oder Protest hat Chinas Regierung regelmäßig mit noch mehr Repression und Überwachung reagiert.

Paramilitärische Polizei patrouilliert in Urumqi

Paramilitärische Polizei patrouilliert in Urumqi, der Hauptstadt der Provinz Xinjiang.

Hunderttausende in Umerziehungslagern

Im Namen von Sicherheit und Stabilität wurde die Religionsfreiheit der Uiguren immer weiter eingeschränkt. Heute hat Xinjiang ein Netz an sogenannten Umerziehungslagern, sagt Maya Wang, China-Expertin der Organisation Human Rights Watch in Hongkong: "Wir wissen, dass in ganz Xinjiang die Leute in diesen Lagern gehalten werden."

Es gehe darum, ihre Gedanken zu steuern, sie umzuerziehen und loyal gegenüber der Kommunistischen Partei Chinas zu machen, sagt die Menschenrechtlerin. "In diesen Lagern werden die Menschen gezwungen, patriotische Lieder zu singen, auf die Partei und Xi Jinping. Sie müssen Hoch-Chinesisch und Schriftzeichen lernen. Und sie werden bestraft, wenn sie nicht mitmachen."

Videos, in denen Uiguren in den Lagern patriotische, chinesische Lieder singen müssen, kursieren im Netz. In die Köpfe der Menschen soll die Kommunistische Partei Chinas, nicht der Islam. Wie viele Inhaftierte es in diesen Lagern gibt, ist unklar. Die Schätzungen von Wissenschaftlern und Menschenrechtsorganisation reichen von 120.000 bis zu über eine Million.

Religionsverbot und Massenüberwachung

Unterdrückt wurden die Uiguren schon vorher, aber in den vergangenen zwei Jahren hat sich die Situation in Xinjiang dramatisch verschärft, sagt Wang.  "Es gibt nicht nur die unrechtmäßigen Umerziehungslager mit Hunderttausenden Inhaftierten. Der Staat hat auch die Ausübung des Islam in Xinjiang quasi gesetzlich verboten." Die Menschen dürften nicht beten und nicht im Alltag "Allah" sagen. "Sie werden mit Hilfe modernster Massenüberwachungstechnologien beobachtet. Jede Bewegung in der Region wird verfolgt."

Die Sicherheitsbehörden in Xinjiang bauen außerdem eine umfassende Biometrie- und DNA-Datenbank aller Bürgerinnen und Bürgern zwischen 12 und 65 Jahre auf. In dieser Datenbank werden Blutgruppe, Fotos des Gesichts, ein Iris-Scan, Fingerabdrücke und DNA-Proben gespeichert.

Regierung leugnet Unterdrückung

Chinas Regierung nimmt zu alledem kaum Stellung. Auch die Lager sind offiziell nicht bestätigt. Zum Thema Xinjiang sagt Außenamtssprecher Lu Kang: "Die Menschen aus verschiedenen ethnischen Gruppen leben ein zufriedenes und harmonisches Leben und genießen Religionsfreiheit. Xinjiangs soziale Stabilität und langfristige Sicherheit ist im Interesse aller Menschen in Xinjiang. Die chinesische Regierung schützt die Rechte der Bürger nach dem Gesetz."

Die Bundesregierung verschärfte kürzlich ihre Sicherheitshinweise für Reisen nach Xinjiang. Und warnt dabei vor vorübergehenden Festnahmen und Durchsuchungen. In Xinjiang agiert das autokratische China mit der Kontroll- und Überwachungstechnologie des 21. Jahrhunderts, im Namen von Stabilität, Kontrolle und Anti-Terrorismus.

Axel Dorloff, Axel Dorloff, ARD Peking, 06.08.2018 09:25 Uhr