
Erdbeben in der Türkei Gerettet nach 28 Stunden Eiseskälte
Stand: 26.01.2020 18:58 Uhr
Die Zahl der Toten durch das Erdbeben im Osten der Türkei ist auf 38 gestiegen. Doch trotz Minusgraden werden immer noch Überlebende aus den Trümmern gerettet. Die Anteilnahme im Land ist gewaltig.
Von Thomas Bormann, ARD-Studio Istanbul
Eine Fernsehkamera und ein Mikrofon sind bei der dramatischen Rettungsaktion vergangene Nacht dabei: "Bitte helft mir", fleht eine junge Frau mit schwacher Stimme. Sie ist zu dem Zeitpunkt schon seit 28 Stunden zwischen den Trümmern ihrer Wohnung eingeklemmt.
Es ist bitterkalt, nachts minus acht Grad. Eine Helferin des Bergungsteams redet der jungen Frau gut zu, während andere aus dem Bergungsteam Trümmer beiseite stemmen. Und tatsächlich: Die junge Frau wird befreit. Zuvor hatten die Helfer schon die zweijährige Tochter der Frau verletzt aus den Trümmern gezogen. Beide werden jetzt in einem Krankenhaus behandelt, wie die meisten anderen der über 1600 Verletzten auch.
Einsturzgefahr erschwert die Rettung
In einer Siedlung in der Provinz-Hauptstadt Elazig ist eines von Dutzenden sechsstöckigen Wohnhäusern zusammengestürzt. Die anderen im direkten Umkreis stehen noch, teils mit Rissen in der Fassade. Aber ein Wohnblock ist nur noch ein Trümmerhaufen.
Auch hier suchen Bergungsmannschaften nach Vermissten. "Ich warte", sagt ein junger Mann mit dicker Winterjacke entschlossen. "Ich warte hier, bis mein Freund gerettet wird. Wir halten immer zusammen. Ich hoffe, sie können ihn retten."
Das türkische Fernsehen berichtet rund um die Uhr von den Bergungsarbeiten und über die Hilfe für die Opfer. Inzwischen hat die Katastrophenschutzbehörde eine erste Bilanz über Schäden gezogen: 76 Gebäude sind völlig in sich zusammengestürzt, darunter auch mehrstöckige Wohnhäuser. Weitere 1000 Gebäude wurden durch das Beben beschädigt und können vorerst nicht betreten werden.
Angst vor der Rückkehr ins eigene Heim
Die Gefahr ist groß, dass die beschädigten Häuser bei einem der vielen Nachbeben doch noch einstürzen. Viele Menschen haben die Nacht deshalb im Freien verbracht oder in Notunterkünften - wie der Sporthalle der Provinz-Hauptstadt Elazig. Die hatte das Beben unbeschadet überstanden.
Hier suchen viele Familien Schutz. "Wir gehen erstmal nicht wieder nach Hause", sagt eine Mutter. "Wir haben Angst. Unsere Wohnung hat zwar keinen schweren Schäden, aber vor allem unsere Kinder sind regelrecht in Panik wegen all dieser Nachbeben."
Fenerbahce-Fans schicken ihre Fanschals
Die Anteilnahme in der Türkei ist groß. Von überall wird Hilfe ins Unglücksgebiet geliefert. Die Fußball-Fans des Erstligisten Fenerbahce Istanbul sammelten gestern nach dem Spiel ihre Schals und ihre Mützen ein, um sie nach Elazig zu schicken, mit den Worten: "Wir sind mit Euch, ihr sollt nicht frieren."
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Thomas Bormann, ARD Istanbul
26.01.2020 12:16 Uhr
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