EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens Der "EU-Dissident" teilt wieder aus

Stand: 02.01.2009 17:58 Uhr

Es war die Neujahransprache eines Staatsmannes und sie überraschte viele - Tschechiens Präsident Vaclav Klaus zeigte sich zu Beginn der Ratspräsidentschaft seines Landes milde gegenüber Brüssel. Doch schon einen Tag später teilt er wieder kräftig aus: Der Lissabonvertrag bringe die EU einer Diktatur näher, sagt der Mann, der sich selbst "EU-Dissident" nennt.

Von Peter Hornung, ARD-Hörfunkstudio Prag

Es war ein feierlicher Moment, als sich Staatspräsident Vaclav Klaus am Neujahrstag an sein Volk wandte. Ein bisschen Pomp durfte da durchaus sein - zu hören war die traditionelle Fanfare aus der Smetana-Oper "Libuse".

Im Vorfeld hatte es viele Befürchtungen darüber gegeben, welche neuen Blitze der notorische EU-Kritiker Klaus wohl gen Brüssel schleudern werde. Doch weit gefehlt. Klaus gab sich erstaunlich milde, zeigte sich fast ein wenig beleidigt, dass man von seinem Land so viel Negatives erwarte: "Die Mitgliedschaft in der EU ist ohne Alternative für uns, und es ist unfair, wenn uns jemand etwas anderes unterstellt."

Er fuhr fort: "Wir wollen dazu beitragen, dass die EU ein wirklich demokratischer Raum wird, ein Raum, in dem die politischen Entscheidungen so nah wie möglich am Bürger getroffen werden und wo jeder Politiker gezwungen ist, sich vor dem Bürger zu verantworten, und wo Politiker effektiv kontrolliert werden."

"Doktor Klaus und Mister Hyde"

Doch schon einen Tag später trat ein anderer Klaus auf - in einem Interview mit der tschechischen Wirtschaftszeitung "Hospodarske Noviny". War Klaus gestern noch milde, ist er heute wieder aggressiv - ein Kommentator sprach bereits von "Doktor Klaus und Mister Hyde". Schon die Frage, wovor Europa im Hinblick auf die tschechische Ratspräsidentschaft am meisten Angst habe, brachte den Präsidenten offenbar auf die Palme: "Zu allererst: Ich bin gar nicht fähig, in der Kategorie 'Europa' zu denken. Ich bewundere jeden, der das tut und der meint, dass er der 'Besitzer' Europas sei und dass er für Europa sprechen könne."

Pöttering und Cohn-Bendit "Zerstörer Europas"

Den europäischen Zeitungen zufolge, so der Interviewer, habe Europa am meisten vor Klaus Angst. Dessen lapidare Antwort: "Wenn das stimmt, wäre das gut so." "Lächerlich" nennt Klaus die negative Berichterstattung ausländischer Medien über ihn. Er vertrete doch lediglich eine andere Ansicht, wie Europa aussehen solle. Die wahren Zerstörer Europas seien Menschen wie Hans-Gert Pöttering, der Präsident des Europaparlaments, oder der grüne Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit. Mit beiden hatte Klaus im Dezember einen heftigen Disput.

Die komplizierte Methode Demokratie

Der Lissabon-Vertrag, den Tschechien noch ratifizieren muss, führe zu einer "fatalen Einschränkung der Souveränität" seines Landes. Es dürfe nicht nur darum gehen, wie schnell Entscheidungen getroffen werden. "Das schnellste Entscheidungssystem ist das System der Diktatur eines Mannes, der keine Zeit verliert mit irgendwelchen übellaunigen Anmerkungen derer, die mit seiner Entscheidung nicht übereinstimmen. Als Gegensatz dazu hat man sich eine sehr langwierige, langsame und komplizierte Methode ausgedacht, die Demokratie heißt", bemerkte Klaus dazu.

Lissabon-Vertrag ein Schritt zur Diktatur?

Mit dem Lissabon-Vertrag nähere man sich der Diktatur, so Klaus, und man entferne sich von der Demokratie. Dass die weitere Integration Europas mit dem Lissabon-Vertrag den Frieden auf dem Kontinent stärke, mithin Kriege verhindere, sei offensichtlicher Schwachsinn.

Klaus offenbarte in dem Interview auch, was er von der tschechischen Ratspräsidentschaft hält. Die sei nur etwas für politische Eliten. Die normalen Tschechen werde sie überhaupt nicht berühren. Am Ende des Interviews äußerte Klaus dann aber doch versöhnliche Töne: Er selbst wolle in den kommenden Monaten keine dominierende Rolle spielen. Dramatische Auftritte seien von ihm nicht zu erwarten.