
Stichwahl in Tschechien Wer zieht in die Prager Burg?
In Tschechien beginnt die zweitägige Stichwahl ums Präsidentenamt. Dabei treffen zwei grundverschiedene Kandidaten aufeinander: der Ex-NATO-General Pavel trifft auf Ex-Ministerpräsident Babis. Wer sind die beiden und wofür stehen sie?
Bis vor ein paar Monaten war Petr Pavel in Tschechien gefragt, wenn es galt, militärische Krisen oder Kriege zu erklären - zum Beispiel den russischen Angriff auf die Ukraine. Immer häufiger wurde der pensionierte General und frühere Vorsitzende des Militärausschusses der NATO aber auch als Präsidentschaftskandidat gehandelt. Den ersten Wahlgang gewann er mit hauchdünnem Vorsprung vor Ex-Regierungschef Andrej Babis. Nun geht der 61-Jährige als Favorit in die Stichwahl am Freitag und Samstag. Nach 20 Jahren mit polarisierenden Präsidenten verspricht der Quereinsteiger einen Neuanfang - würdevoll, weltoffen und klar westlich-orientiert.
Babis: Unternehmer und Ex-Ministerpräsident
Babis inszeniert sich als Kämpfer für die Interessen der Menschen. Seinen Konkurrenten bezeichnet er als "Marionette" der konservativ-liberalen Fünf-Parteien-Koalition. Diese hatte Babis, den Chef der größten Oppositionspartei ANO, bei der vorigen Parlamentswahl knapp geschlagen und die Regierungsgeschäfte von ihm übernommen.
Der 68-Jährige besitzt eines der größten Unternehmen des Landes - den Agrofert-Konzern mit rund 250 Firmen in der Chemieindustrie oder der Lebensmittelproduktion sowie die MAFRA-Mediengruppe. Für seine Kritiker ist der "tschechische Trump oder Berlusconi" ein Populist, der vor allem seine eigenen Interessen verfolgt und das Land in Richtung Ungarn führen würde. Für seine Anhänger ist Babis der einzige Politiker, der so reich ist, dass er nicht stehlen müsse.
Babis und Pavel vertreten die beiden Lager der gespaltenen tschechischen Gesellschaft. Ihre Karrieren weisen jedoch Ähnlichkeiten auf. Beide haben sich zu kommunistischen Zeiten angepasst und sich in ihren Berufsfeldern hochgearbeitet: Babis im Außenhandel, Pavel im Militär. Beide sind in die Partei eingetreten. Pavel begann einen Kurs für den militärischen Nachrichtendienst, den er im demokratischen Tschechien zu Ende führte.
Babis wird in seiner slowakischen Heimat als informeller Mitarbeiter des kommunistischen Geheimdienstes geführt. Hier enden die Gemeinsamkeiten: Babis klagt dagegen vor Gerichten, Pavel bezeichnet diesen Teil seiner Biografie als Fehler, den er durch seine Arbeit nach 1989 gutzumachen versuche.
Pavel will "Ruhe und Ordnung" wiederherstellen
Ex-General Pavel hat sich als erster Repräsentant aus dem früheren Ostblock bis ins höchste militärische Amt in der NATO hochgearbeitet. Der Offizierssohn wurde Fallschirmjäger und stieg nach der Wende schnell im Militär auf. Er ließ sich in Großbritannien weiterbilden und kämpfte im Jugoslawien-Krieg. Unter seinem Kommando konnten französische Soldaten befreit werden, wofür er Orden auch in Frankreich erhielt.
Als Generalstabschef führte er drei Jahre lang die tschechische Armee. Der parteilose Pavel wirbt damit, "Ruhe und Ordnung" wiederherzustellen. Gesellschaftlich gibt er sich liberal, ist offen für die Homo-Ehe, für Klimaschutz und weitere Hilfe für die Ukraine. In der Pandemie gründete er eine Initiative, die Corona-Helfer unterstützt.
Corona-Krise verschlafen?
Babis hat nach Ansicht vieler als Regierungschef die Corona-Krise verschlafen. Allerdings wuchs die Wirtschaft, die Renten stiegen. Als Sohn eines Außenhandelsvertreters ist er in einem internationalen Umfeld unter anderem in der Schweiz und in Frankreich aufgewachsen. Er trat in die Fußstapfen seines Vaters und baute nach der "Samtenen Revolution" aus dem staatlichen Chemiebetrieb seinen Agrofert-Konzern auf.
2011 gründete Babis seine Protestpartei ANO - die "Aktion unzufriedener Bürger", drei Jahre darauf wurde er Finanzminister. Schließlich führte er vier Jahre lang eine Minderheitsregierung mit den Sozialdemokraten - geduldet von den Kommunisten. Sein Motto: "Den Menschen helfen".
Wirbel um Babis-Äußerung
Im Wahlkampf heißt das für den Orban-Bewunderer vor allem, den Menschen in Tschechien mehr zu helfen, den Menschen in der Ukraine weniger. Pavel wolle das Land als Soldat in einen Krieg ziehen, er selbst würde als Präsident einen Friedensgipfel einberufen.
Den NATO-Partnern in Polen und dem Baltikum will Babis im Falle eines Angriffs zunächst auch nicht beistehen, sagt er in einer Talkshow. Er schicke niemanden in den Krieg, er wolle Frieden. Nach einem internationalen Aufschrei musste er zurückrudern. Doch der Image-Schaden ist da: Während der Rest Europas über Panzer-Lieferungen an die Ukraine entschied, musste die tschechische Politik erklären, dass sie selbstverständlich ihren militärischen Verpflichtungen nachkommen werde - egal unter welchem Präsidenten.