Hoher Preis für Krisenmission EU-Millionen für Tschads Militärregime

Stand: 08.05.2009 08:02 Uhr

Viel Lob hat die EU für die EUFOR-Mission zum Schutz der Flüchtlinge in Darfur bekommen. Der Preis dafür ist hoch: 311 Millionen Euro wird Brüssel bis 2013 an die Militärdiktatur im Tschad überweisen. Das Regime Debry ist für Korruption und Brutalität bekannt.

Von Martin Durm, ARD-Hörfunkstudio Straßburg

Die Militärmission ist beendet, die Zelte sind abgeschlagen und in Brüssel hat eine Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Solana kürzlich erklärt, der Einsatz sei sehr erfolgreich verlaufen. Eine derartige  Bilanz war zu erwarten.

Der Einsatz von 3700 europäischen Soldaten aus 18 Nationen war schließlich der größte, den die Europäische Union je organisierte. Offizieller Auftrag: Schutz der Flüchtlingslager im Grenzgebiet zu Darfur und Schutz der internationalen Hilfsorganisationen.

Inoffiziell ging es der EU aber auch darum, sich in Afrika als globaler Krisenbewältiger zu profilieren. Ein Scheitern wäre da ausgeschlossen gewesen: "Es ist uns ja darum gegangen, an der Grenze zu Darfur für den Schutz der Flüchtlinge zu sorgen", sagt Karl von Wogau, der sicherheitspolitische Experte der CDU im Europäischen Parlament. „Ich glaube, das ist uns gut gelungen."

311 Millionen Euro an ein Militärregime

Von Wogau hatte selbst die europäische Truppe in diesem trockenen, ausgebluteten Landstrich besucht und von den Generälen vor Ort versichert bekommen, alles sei unter Kontrolle. Die Zufriedenheit der EU mit sich und ihrer afrikanischen Krisenmission hat allerdings ihren Preis: 311 Millionen Euro Entwicklungshilfe wird Brüssel bis 2013 in den Tschad überweisen.

Der Vertrag wurde kurz vor dem Beginn der EUFOR-Mission unterzeichnet. Das Geld fließt nun direkt in die Kassen des Militärregimes unter Machthaber Idriss Deby. "Generell sehen wir viele afrikanische Länder als unsere Partner an", sagt John Clancy, der Sprecher des EU-Kommissars. "Wir wollen unsere afrikanischen Partner dabei unterstützen, für good governance - gute Regierungsstrukturen und Stabilität - zu sorgen."

Gegen eine finanzielle Stabilisierung seines autoritären Regimes hat Idriss Deby sicher nichts einzuwenden. Aus seiner Sicht dürften die 311 Millionen Euro aus Brüssel das Entgelt dafür sein, dass er nach langem Zögern dem europäischen Militäreinsatz seine Zustimmung gab.

Tschad hat alles außer "Good Governance"

Seitdem sich Idriss Deby 1990 gewaltsam ins Präsidentenamt putschte, durchlebt er die üblichen Höhen und Tiefen afrikanischer Diktatoren: Es gibt ein Dutzend Rebellengruppen und Nachbarländer, die seinen Umsturz betreiben. Es gibt Wahlfälschung, Korruption, die Brutalität der Armee  und den gesichtslosen Schrecken, den der allgegenwärtige Geheimdienst verbreitet.

Nur eines gibt es sicher nicht im Tschad unter Idriss Deby. Good governance  - oder das, was der Sprecher des EU-Entwicklungskommissars darunter versteht: "Es muss ein bestimmter Grad von demokratischer Praxis vorhanden sein", sagt John Clancy. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass die Europäische Union Entwicklungshilfe gewährt."

Wenn es so wäre, dann dürfte die EU keinen einzigen Euro an das Deby-Regime überweisen. Dessen Menschenrechtsbilanz ist so verheerend, die Staatskorruption so abgrundtief, dass die Bundesrepublik Deutschland die Entwicklungshilfe eingestellt hat. Geld aus Berlin ist in den letzten Jahren ohnehin nur unmittelbar in Hilfsprojekte geflossen, um es dem Zugriff des korrupten Machtapparats zu entziehen.

EU als Sponsor eines diskreditierten Regimes

Brüssel nimmt es damit offenbar nicht so genau. Entwicklungskommissar Michel unterzeichnete den 311-Millionen Euro-Vertrag gemeinsam mit dem tschadischen Außenminister und machte sich damit zum Sponsor eines diskreditierten Regimes.

Afrika-Experten wie die Freiburger Politikwissenschaftlerin Helge Dickow verweisen darauf, dass die Weltbank äußerst schlechte Erfahrungen mit Debys Kreditwürdigkeit machte: Die Weltbank gewährte ihm vor wenigen Jahren einen hohen Kredit, um Ölvorkommen im Süden des Landes zu fördern.

"Dieser Kredit war an bestimmte Auflagen gebunden: Die Erdöl-Millionen sollten für soziale Projekte und Armutsbekämpfung ausgegeben werden", sagt Dickow. "Deby kündigte aber diesen Kredit 2005 einseitig auf. Und er kauft Waffen dafür. Er baut auch die Infrastruktur etwas aus. Aber das kann auch im Zusammenhang mit Rebellenbekämpfung gesehen werden. Denn: Je besser die Straßen, umso schneller kann er den Rebellen, die aus dem Sudan kommen, entgegeneilen, um sie von der Hauptstadt fern zu halten."

Ein Land sich selbst und Deby überlassen

Die Hauptstadt N'djamena ist eine der ärmsten Städte der Welt. Nachts liegt N'djamena in völligem Dunkel, weil die Stromversorgung nur dafür ausreicht, das Regierungsviertel und die Militäranlagen hell zu beleuchten. Mit dem Weltbank-Kredit hat Deby seinerzeit moderne Kampfhubschrauber gekauft. Sie stehen nun auf Militärbasen rund um die Hauptstadt.

Tschads Diktator ist in der Hauptstadt allgegenwärtig: Sprüche auf Hauswänden und Transparenten verkünden seine Wohltaten, und auf dem zentralen Markt plärren die Radiorekorder sein Loblied: "Unser Präsident Deby wird hier besungen", sagt ein Verkäufer und schaut nervös nach links und nach rechts, ob jemand zuhört. Wir lieben ihn", sagt er dann, "wir lieben unseren Präsidenten." 

Der Präsident hat allerdings seit seinem Putsch nicht viel getan, um  seinem Volk das Leben leichter zu machen. Auf der Armutsliste der Vereinten Nationen steht das Land auf Platz 171 – 177 Länder stehen dort insgesamt. Die Analphabetenquote liegt bei fast 50 Prozent, große Landesteile sind sich selbst – und Wegelagerern – überlassen.

Noch vier Jahre garantierter Geldregen

Bis zum Jahr 2013 kann Idriss Deby nun aber mit europäischem Geldsegen rechnen. Die 311 Millionen Euro Entwicklungshilfe aus Brüssel sollen laut Vertrag in die Infrastruktur und den Aufbau des tschadischen Rechts- und Justizsystems fließen.

Im Lande Idriss Debys wäre das allerdings etwas ganz Neues: "Deby verfolgt Oppositionelle. "Der wichtigste Oppositionelle Ibny Ouma wurde im Frühjahr 2008 zusammen mit anderen Oppositionsführern verhaftet", so die Politikwissenschaftlerin Dickow. "Ibny Ouma ist seitdem verschollen. Nach den Aussagen einer Untersuchungskommission ist er ein paar Tage nach seiner Verhaftung gestorben oder umgebracht worden. Das kommt letztendlich auf das selbe hinaus."

Von solchen Tatsachen lässt man sich bei der Brüsseler EU-Kommission aber nicht beirren: "Wir haben die Möglichkeit, die Gelder zu kontrollieren", sagt John Clancy. "Wir tun, was in unserer Macht steht, um die Verwendung der Mittel zu überprüfen. Schließlich geht es da ja um das Geld der europäischen Steuerzahler. "