
Truss-Nachfolge Showdown um die Downing Street
Bekommt Großbritannien schon heute einen neuen Premier? Rishi Sunak hat derzeit die besten Chancen auf das Amt. Woran liegt das? Und was ist die entscheidende Hürde für die Kandidatur der Ministerin für Parlamentsfragen, Mordaunt?
Bis zum Nachmittag (15.00 Uhr MESZ) können Kandidaten noch ihre Bewerbung um den Chefposten bei britischen Torys einreichen. Aufgrund der Regularien und der derzeitigen Tory-Mehrheit im Unterhaus tritt der siegreiche Kandidat oder die siegreiche Kandidatin dann auch die Nachfolge der scheidenden Premierministerin Liz Truss an. Eine Chance haben dabei jedoch nur Kandidaten, die die Unterstützung von mindestens 100 Abgeordneten der Tory-Fraktion haben.
Schafft nur ein Bewerber diese Hürde, wären schon heute die Entscheidung über den künftigen Premierminister gefallen. Sollten mindestens zwei Bewerbungen den notwendigen Rückhalt bekommen, würde zunächst die Fraktion zwischen den Kandidaten abstimmen. Sofern auch noch die Finalisten im Rennen bleiben, läge die Entscheidung bei der Parteibasis in Form einer kurzfristigen Online-Abstimmung. Bis spätestens Freitag soll die Nachfolge für Truss feststehen.
Sunak ist Favorit
Als aussichtsreichster Kandidat gilt Ex-Finanzminister Rishi Sunak. Der frühere Banker Sunak war von 2019 bis Juli diesen Jahres Finanzminister, bevor er aus Protest gegen Johnsons zahlreiche Affären zurücktrat und damit zum vorzeitigen Ende von dessen Amtszeit beitrug. Das Verhältnis der Männer galt schon zuvor als angespannt, seitdem als zerrüttet. Anfang September unterlag Sunak dann im Rennen um Johnsons Nachfolge gegen Truss.
Am gestrigen Sonntag hatte Sunak seine erneute Kandidatur formell erklärt. "Das Vereinigte Königreich ist ein großartiges Land, aber wir stehen vor einer tiefen Wirtschaftskrise", schrieb er auf Twitter. Er kündigte an, er wolle "unsere Wirtschaft in Ordnung bringen, unsere Partei einen und etwas für unser Land tun".
Sohn indisch-stämmiger Eltern
Sunak wäre der erste britische Regierungschef, der einer ethnischen Minderheit in Großbritannien angehört. Sein Lebenslauf in Kürze: 42 Jahre alt, in Southampton als Kind indisch-stämmiger Eltern geboren - sein Vater Arzt, die Mutter Apothekerin. Ausbildung an den Elite-Unis Oxford und Stanford, danach Analyst für die Investmentbank Goldman Sachs.
Sunak ist verheiratet mit Akshata Murthy, der Tochter eines indischen Stahlmagnaten. Sie gehört zu den reichsten Frauen der Welt. Das Paar hat zwei Töchter. Dass Sunaks Frau nicht offiziell in Großbritannien gemeldet war und somit Steuern in Millionenhöhe sparte, flog im Frühjahr auf. Eine legale Vorgehensweise, die aber Erklärungsbedarf mit sich brachte. Dann flatterte Sunak auch noch ein Bußgeldbescheid im Rahmen der Downing-Street-Partygate-Ermittlungen ins Haus, wegen Verstoßes gegen Corona-Regeln.

Sunak will neuer Premier werden.
Sunak gilt als klug und kalt. Was Steuerfragen angeht, so folgt er der konservativen Politik Margaret Thatchers und betrachtet Steuern nicht als Regulativ zur kurzfristigen Einkommensumverteilung. Wegen Steuerfragen legte er sich schon mit Premierminister Johnson an, und er warnte vor zu schnellen Steuersenkungen, mit denen seine Gegenkandidatin Liz Truss im September punkten konnte. Nach deren Scheitern profitiert er nun davon, dass er Truss' Kurs schon vorher als falschen Weg betrachtet hatte.
Zweite Kandidatin: Mordaunt
Penny Mordaunt, die Ministerin für Parlamentsfragen, tritt als zweite Kandidatin an. Die 49-Jährige ist an der Parteibasis beliebt und will trotz des großen Vorsprungs ihres Rivalen Sunak weiter um die nötige Unterstützung in der konservativen Fraktion kämpfen.
Die BBC berichtete am Morgen unter Berufung auf Quellen aus Mordaunts Kampagnen-Team, die frühere Verteidigungsministerin werde definitiv in einer Stichwahl der Parteibasis antreten, sofern sie die nötige Unterstützung von 100 Tory-Abgeordneten bekomme. Diese Schwelle sei "in Reichweite", hieß es am Vormittag aus ihrem Team. Mordaunt sei in Gesprächen mit Kollegen aus der gesamten Partei. Öffentlich haben sich nach Zählung verschiedener Medien jedoch erst rund 25 Abgeordnete für die Ministerin für Parlamentsfragen ausgesprochen.

Will nicht aufgeben: Mordaunt.
Noch vor Sunak hatte sie ihre Kandidatur bekannt gegeben. "Ich bin ermutigt worden von der Unterstützung durch Kollegen, die einen Neustart, eine geeinte Partei und eine Führung im nationalen Interesse wollen", teilte sie auf Twitter mit. Als Parteichefin und Premierministerin wolle sie das Land einen, die Wahlversprechen der Tories umsetzen und die nächste Parlamentswahl gewinnen.
Sollte Mordaunt in der Fraktion nicht auf mindestens 100 Stimmen kommen, wird Sunak per Akklamation der nächste Partei- und Regierungschef. Die BBC rechnet damit, dass der offizielle Amtsantritt als Premier dann auch erst am Dienstag vollzogen werden könnte, weil zuvor eine Audienz bei König Charles III. nötig wäre.