Trauer nach den Anschlägen in Sri Lanka
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Anschläge in Sri Lanka Was bislang bekannt ist

Stand: 24.04.2019 09:26 Uhr

Mindestens 359 Menschen wurden bei der Anschlagsserie in Sri Lanka getötet, Hunderte verletzt. Das bestätigten die Behörden. Inzwischen hat die Terrormiliz IS die Tat für sich reklamiert.

Wie war der Tathergang?

Innerhalb von 30 Minuten ist es zu Anschlägen auf die St.-Antonius-Kirche in Colombo, die St.-Sebastians-Kirche im rund 30 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Negombo sowie die Zionskirche in Batticaloa, rund 250 Kilometer östlich von Colombo gekommen. Im gleichen Zeitraum ereigneten sich Attentate auf die Luxus-Hotels Cinnamon Grand, Shangri La und Kingsbury in Colombo. Vor allem bei den Ostergottesdiensten in den Kirchen wurden viele Menschen getötet.

Stunden später wurden bei einer Explosion in einem Gästehaus zwei Menschen getötet. Nach einer achten Explosion in Dematagoda, einem Vorort von Colombo, sagte ein Polizeisprecher, dass drei Polizisten bei einem Einsatz getötet worden seien.

Die Mehrzahl oder sogar alle Explosionen sollen von Selbstmordattentätern ausgelöst worden sein.

Mitarbeiter des Hotels Cinnamon Grand berichteten der Nachrichtenagentur AFP, am Frühstücksbuffet habe ein Attentäter seinen Sprengstoff gezündet. Der Mann habe am Vorabend im Hotel eingecheckt und behauptet, beruflich in Colombo zu tun zu haben. Die von ihm angegebene Adresse und sein Name hätten nicht gestimmt.

Am Abend wurde einem Medienbericht zufolge nahe dem größten Flughafen Bandaranaike ein weiterer Sprengsatz entdeckt. Dabei habe es sich um eine Rohrbombe gehandelt, sagte der Sprecher der Luftwaffe der lokalen "Sunday Times". Eine Patrouille habe den Sprengsatz gefunden, er sei von Spezialkräften in einem kontrollierten Bereich unschädlich gemacht worden.

Nach Angaben von Ministerpräsident Ranil Wickremesinghe ist ein geplanter Anschlag auf ein viertes Hotel gescheitert.

Wie viele Opfer gab es? Woher kommen sie?

Die Zahl der Toten liegt laut Polizei bei 359. Laut UNICEF kamen auch 45 Kinder ums Leben. Zudem wurden etwa 500 Menschen verletzt.

Bislang gab es Bestätigungen dafür, dass zwei Australier, zwei Briten, mehrere US-Bürger, fünf Inder, zwei türkische Staatsbürger, eine Niederländerin, ein Portugiese, drei Dänen, ein japanischer Staatsbürger und zwei Menschen chinesischer Staatsbürgerschaft getötet wurden. Bei den Toten aus Dänemark handelt es sich um drei der vier Kinder des Milliardärs Anders Holch Povlsen, wie dessen Sprecher bestätigte.

Eines der Todesopfer der Anschläge auf Sri Lanka hatte nach Informationen des Auswärtigen Amtes neben dem US-amerikanischen auch einen deutschen Pass. Soweit bisher bekannt seien keine weiteren Deutschen unter den Opfern, teilte das Außenministerium mit.

Weiß man etwas über mögliche Täter?

Die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) hat die Selbstmordanschläge für sich reklamiert. Das IS-Sprachrohr "Amaq" berichtete in den sozialen Netzwerken, die Angreifer seien IS-Kämpfer gewesen. Kämpfer hätten "Bürger der Koalition und die christliche Gemeinschaft" attackiert, so das Propagandamedium. Mit "Bürgern der Koalition" bezeichnet der IS Staatsbürger von Ländern, die der internationalen Anti-IS-Koalition angehören, die die Terrormiliz in Syrien und im Irak bekämpft. Sri Lanka gehört der Koalition nicht an.

Damit könnten aber die Touristen in den angegriffenen Hotels gemeint sein. Das Schreiben wurde über die üblichen Kanäle in den sozialen Netzwerken verbreitet, in denen der IS auch in der Vergangenheit Anschläge für sich reklamiert hatte.

Laut Vize-Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene waren insgesamt neun Selbstmordattentäter an den Anschlägen beteiligt, darunter eine Frau. Acht von ihnen seien bislang identifiziert worden. Die meisten von ihnen seien gebildet gewesen und hätten der oberen Mittelschicht angehört, sagte Wijewardene.

Nach Einschätzung der Regierung Sri Lankas waren die Anschläge als "Vergeltung" für den Anschlag auf Moscheen im neuseeländischen Christchurch im März gedacht, wie Wijewardene im Parlament erklärte. Dazu machte "Amaq" keine Angabe. Premierminister Wickremesinghe bewertete dies zurückhaltend: "Ja, es könnte sein, dass der Anschlag auf die Moschee in Christchurch etwas damit zu tun hatte, aber sicher sind wir da nicht."

Ein IS-Verbindung hätten die Sicherheitsbehörden allerdings bereits vermutet, so der Premier. "Wir sind der Ansicht, dass es Verbindungen ins Ausland gab, mit einigen Hinweisen, dass es Verbindungen zum IS gab. Dieser Spur werden wir weiter folgen."

Die Regierung hatte zuvor eine einheimische Islamistengruppe verantwortlich gemacht. Gesundheitsminister Rajitha Senaratne beschuldigte die Organisation National Thowheeth Jama'ath (NTJ). Es sei unwahrscheinlich, dass eine lokale Gruppe einen derartigen Terrorangriff allein ausführen konnte, sagte er.

Polizei und Sicherheitskräfte haben inzwischen 40 Menschen festgenommen. Bei den Verdächtigen handle es sich um Einwohner des Inselstaats, sagte Regierungschef Ranil Wickremesinghe. Die Anschläge "zielten klar darauf ab, das Land zu destabilisieren".

Wie ist das Verhältnis der Religionen zueinander?

70 Prozent der Bevölkerung sind buddhistischen Glaubens, zwölf Prozent Hindus, fast zehn Prozent Muslime und sieben Prozent Christen.

Zwar gibt es religiöse Spannungen zwischen Buddhisten und Muslimen. Im vergangenen Jahr kam es zu Angriffen wütender Mobs der buddhistischen Mehrheit der Singhalesen gegen Muslime - angefacht von Gerüchten, die sich über soziale Medien verbreitet hatten. Doch islamistischer Terror spielte bislang keine Rolle in Sri Lanka.

Gespaltenes Land mit brüchigem Frieden

Markus Reher, MDR, tagesschau 20:00 Uhr

Die Kirchenverwaltung NCEASL, die mehr als 200 kirchliche Gemeinden und andere christliche Organisationen in Sri Lanka vertritt, hatte sich allerdings jüngst besorgt über vermehrte Übergriffe geäußert. 2018 seien 86 Fälle von Diskriminierung, Drohungen und Gewalt gegen Christen und ihre Einrichtungen bekanntgeworden. In diesem Jahr seien es bislang 26 gewesen. So hätten buddhistische Mönche wiederholt versucht, christliche Gottesdienste zu stören.

Christen gibt es in beiden großen Bevölkerungsgruppen, den Singhalesen und Tamilen. Sie gelten im Konflikt zwischen ihnen eher als Vermittler. Vor fast genau zehn Jahren war ein Bürgerkrieg zu Ende gegangen, bei dem die tamilischen Rebellen Tamile Tigers 26 Jahre lang für eine Unabhängigkeit von Sri Lanka gekämpft hatten. Seit Ende des Krieges hatte es aber keine Anschläge mehr gegeben.

Mit Informationen von Bernd Musch-Borowska, ARD Studio Neu-Delhi z.Zt. Colombo

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 21. April 2019 um 18:30 Uhr.