
Selenskyj spricht vor UN "Wo ist der Sicherheitsrat?"
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat dem UN-Sicherheitsrat Versagen vorgeworfen. Er forderte einen sofortigen Kriegsverbrecherprozess gegen Moskau. Vor dem spanischen Parlament rief er Europa auf, Russland die Stirn zu bieten.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in einer Video-Ansprache vor dem UN-Sicherheitsrat in New York gefordert, dass Russland umgehend für die Gräueltaten an Bewohnern der Stadt Butscha zur Rechenschaft gezogen wird. "Butscha ist leider nur eines von vielen Beispielen dafür, was die Besatzer getan haben", sagte Selenskyj.
Es sei nicht anderes als die Handlungen von Terroristen und handele sich um die schlimmsten Kriegsverbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg. Er forderte einen sofortigen Kriegsverbrecherprozess gegen das russische Militär, vergleichbar mit den Nürnberger Prozessen.
Bilder von Gräueltaten an Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha und in anderen Ortschaften haben international Entsetzen ausgelöst. Die Ukraine macht russische Truppen dafür verantwortlich, die den Ort mehrere Wochen besetzt hielten, bevor sie sich vergangene Woche zurückzogen. Russland hingegen spricht von einer "inszenierten Provokation" der Ukraine, allerdings ohne bisher Beweise oder Belege vorgelegt zu haben. Russland hatte bereits am Montag angekündigt, Beweise vorzulegen.
Selenskyj fordert Reform des Veto-Systems
Selenskyj warf dem UN-Sicherheitsrat Versagen vor. "Wo ist der Sicherheitsrat? Es ist offensichtlich, dass die zentrale Institution der Welt zum Schutz von Frieden nicht effektiv arbeiten kann." Entscheidungen des Sicherheitsrats seien aber für den Frieden in der Ukraine notwendig.
Er forderte die UN zu einer Reform des Veto-Systems im Sicherheitsrat, mit dem unter anderem Russland Resolutionen blockieren kann. Alles müsse getan werden, damit das internationale Gremium effektiv handeln könne.
Russland gehört aus historischen Gründen mit den USA, China, Frankreich und Großbritannien zu den ständigen Mitgliedern im UN-Sicherheitsrat, die mit ihrem Veto-Recht Entscheidungen stoppen können.
Vergleich mit Guernica
Selenskyj sprach außerdem in einer Video-Schalte vor dem spanischen Parlament. In seiner Rede verglich er das Leiden der Menschen in seinem Land mit den Zerstörungen während des spanischen Bürgerkriegs. "Wir befinden uns im April 2022, aber es scheint so, als ob es April 1937 sei, als die ganze Welt vom Angriff auf ihre Stadt Guernica erfuhr", sagte Selenskyj. Die kleine baskische Stadt war bei einem Luftangriff der deutschen Legion Condor während des Bürgerkrieges weitgehend zerstört worden, bis zu 2000 Menschen starben.
Die Demokratien Europas rief er auf, Russland die Stirn zu bieten. "Europa muss stark sein und aufhören, Angst zu haben", forderte er. "Unterstützen Sie uns mit Waffen und Sanktionen", beschloss er seine Rede unter dem Beifall der Parlamentarier, die sich von ihren Plätzen erhoben. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez sagte Selenskyj in einer kurzen Erwiderung die weitere volle Unterstützung seines Landes zu und rief Russlands Präsidenten Wladimir Putin auf, den Krieg zu beenden.
UN: Mindestens 1500 Zivilisten getötet
Die UN bestätigten unterdessen fast 1500 getötete Zivilisten in der Ukraine. 2195 Zivilisten seien verletzt worden, sagte die UN-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo vor dem UN-Sicherheitsrat. Sie bezog sich dabei auf Zahlen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Genf (OHCHR). Dabei handele es sich allerdings nur um die dokumentierten Opferzahlen, die Dunkelziffer sei wahrscheinlich sehr hoch, sagte DiCarlo. "Das OHCHR glaubt, dass die eigentlichen Zahlen deutlich höher liegen."