Nach Abschuss russischer Militärmaschine Türkei: "Bedauern", aber keine Entschuldigung

Stand: 26.11.2015 18:23 Uhr

Im Streit über den Abschuss eines russischen Kampfjets weist Ankara Moskaus Forderung nach einer Entschuldigung zurück. Überhaupt sei unklar, wieso die Türkei sich entschuldigen solle " für eine Situation, in der sie das Recht auf ihrer Seite hat".

Im Streit über den Abschuss eines russischen Kampfjets will sich die Türkei nicht entschuldigen, so wie es Russland gefordert hat. Es sei nicht einzusehen, dass die Türkei "für eine Situation, in der sie das Recht auf ihrer Seite hat, um Entschuldigung bittet", sagte Außenminister Cavusoglu. Seine Regierung habe dem Kreml aber "unser Bedauern über den Vorfall übermittelt".

Putin: Erwarten eine Entschuldigung

Russlands Präsident Putin hatte zuvor die Türkei wegen des Vorfalls erneut attackiert: "Wir haben noch immer keine klare Entschuldigung von der türkischen Führung erhalten." Auch gebe es "keine Zusage, die für das Verbrechen Verantwortlichen zu bestrafen". Am Dienstag hatte Putin den Abschuss als "Dolchstoß" bezeichnet, der von "Verbündeten von Terroristen" ausgeführt worden sei.

Er bedauere, dass sich die Beziehungen beider Länder derart verschlechtert hätten. "Wir halten solche verräterischen Stöße in den Rücken von jenen, die wir im Kampf gegen den Terror als Partner und Verbündeten sahen, für absolut unerklärlich", sagte der Präsident der Agentur Interfax zufolge. In Russland entstehe der Eindruck, dass die türkische Führung die bilateralen Beziehungen bewusst in eine Sackgasse treibe.

Türkei kritisiert Syrien-Strategie Russlands

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte im Hinblick auf den Abschuss des russischen Kampfflugzeugs, sein Land habe nicht gezielt Russland ins Visier genommen. Das Vorgehen sei "eine automatische Reaktion" gewesen, die mit den türkischen Verhaltensregeln in Einklang gestanden habe. Wenn sich das Land heute dem gleichen Verstoß gegenüber sähe, würde es genauso reagieren, erklärte Erdogan.

Erdogan kritisierte zudem das russische Vorgehen in Syrien: Er warf Russland vor, den Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien als Vorwand zu nutzen, um Oppositionsgruppen ins Visier zu nehmen - mit dem Ziel, den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stärken.

Recep Tayyip Erdogan

Erdogan wies die russische Forderung nach einer Entschuldigung zurück.

Russland: Strengere Kontrollen für türkische Agrarprodukte

Die Verschlechterung der Beziehung zwischen Russland und der Türkei wirken sich auch auf andere Bereiche aus: So forderte die russische Regierung die Behörde für Lebensmittelsicherheit auf, Agrarprodukte aus der Türkei verstärkt zu überprüfen. Landwirtschaftsminister Alexander Tkaschjow begründete den Schritt mit "wiederholten Verletzungen russischer Normen durch türkische Hersteller". Er nannte "verbotene und schädliche Substanzen" und stark erhöhte Pestizid- und Nitratwerte als Grund für die Kontrollen.

Putin-Sprecher Dmitri Peskow sagte, es gebe "verschiedene Gründe" für die zusätzlichen Überprüfungen. Dazu gehöre auch eine mögliche terroristische Bedrohung. Peskow legte Wert darauf, dass es kein Verbot türkischer Güter gebe. Mit Blick auf die Kontrollen sagte er: "Dies ist nur normal angesichts der unberechenbaren Handlungen der Türkei."

Flugzeugabsturz in der Türkei

Dieser Abschuss sorgt weiter für Spannungen in den russisch-türkischen Beziehungen. Laut Ankara fand er im türkischem Luftraum statt, laut Moskau über Syrien.

Es ist nicht das erste Mal, dass Russland auf geopolitische Spannungen mit wirtschaftlichen Maßnahmen reagiert. So besteht etwa seit Sommer 2014 ein Embargo auf die meisten Lebensmittel aus westlichen Ländern. Diese hatten Russland wegen seiner mutmaßlichen Verwicklungen in den Ukraine-Konflikt mit Sanktionen belegt. Auch in den Auseinandersetzungen mit Georgien und der Ukraine hatte Russland entsprechend regiert.

Die russische Regierung bereitet laut eigenen Angaben auch weitere wirtschaftliche Strafen gegen die Türkei vor. Ministerpräsident Dimitri Medwedew sagte, die Regierung solle nach dem "aggressiven Akt" ein "System von Antworten" erarbeiten, das sich unter anderem auf den Handel, den Tourismus und den Flugverkehr beziehe.

Offenbar neue Luftangriffe

Russische Kampfjets bombardierten laut Aktivisten an der Grenze zur Türkei erneut Stellungen syrischer Rebellen. Sie griffen unter anderem eine Bergregion nahe der Küste an, in der viele Angehörige der ethnischen Minderheit der Turkmenen leben. Auch eine Verbindungsstraße zwischen dem Ort Asas und dem Grenzübergang Bab al Salama sei beschossen worden, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und Aktivisten.

Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte

Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights, SOHR) sitzt in Großbritannien und will Menschenrechtsverletzungen in Syrien dokumentieren. Sie bezeichnet sich als unabhängig. Die Informationen der Beobachtungsstelle lassen sich nicht unabhängig überprüfen.