Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission, und Viorica Dancila, Ministerpräsidentin von Rumänien, kommen zu einem Treffen.

Rumäniens EU-Ratsvorsitz Vom Musterschüler zum Problemfall

Stand: 31.12.2018 02:47 Uhr

Lange galten Rumäniens Reformen in der EU als vorbildlich. Doch ausgerechnet zur Ratspräsidentschaft des Landes ist der Prozess ins Stocken geraten. Trotzdem sollte man das Land nicht unterschätzen.

Es ist vor allem eine Regung, die man immer wieder zu sehen und zu hören bekommt, wenn man hier in Brüssel Diplomaten auf die neue Ratspräsidentschaft der EU anspricht: auf Rumänien. Dann verstummt plötzlich das Gespräch, und man erntet nur noch ein tiefes Seufzen von den Diplomaten.

Wesentlich offener kann da schon der Europaparlamentarier Manfred Weber (CSU) im Gespräch mit dem ARD-Studio Brüssel sein. Der Niederbayer führt als Spitzenkandidat Europas Christdemokraten in die kommende Europawahl:

Der dortige Staatspräsident hat öffentlich Kritik an seiner Regierung geübt, ob man genug vorbereitet ist und ob die Strukturen, ob die Administration wirklich fit dafür ist. Deshalb schauen wir mit Sorge darauf, wenngleich die Erwartungshaltung klar ist: Rumänien muss einen ordentlichen Job machen!

Die Liste der Vorwürfe ist lang

Doch nachdem die EU Bukarest lange Jahre einen geradezu vorbildlichen Aufholprozess attestiert hatte, ist davon derzeit offenbar kaum mehr etwas übrig geblieben. Statt nach vorne bewege sich das Land wieder zurück und schade sich zunehmend selbst, hatte die EU-Kommission schon Mitte November offiziell festgestellt: Korruption an allen Enden, immenser Druck seitens der sozialliberalen Regierung auf die Justiz sowie Fördergelder, die regelmäßig versickern.

Die Liste der Vorwürfe ist lang und deshalb stellt etwa der Chef der europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, nur lapidar fest, klar müsse man Rumänien respektieren:

Auf der anderen Seite können wir jetzt aber nicht darüber hinwegsehen, wenn die Regierung im eigenen Land beim Kampf gegen Korruption durch pfiffig ausgedachte Veränderungen im Gesetz dafür sorgen will, dass die ganzen Tatbestände von Korruption jetzt quasi vom Tisch gewischt werden sollen.

Noch nicht so problematisch wie Polen und Ungarn

Das darf man auch nicht, entgegnet Anneli Ute Gabanyi, fügt umgehend allerdings ein "aber" hinzu. Gabanyi war bis zu ihrem Ruhestand unter anderem als Rumänien-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) tätig. Sie gilt als Instanz in ihrem Fach. Sie sagt: Die Kritik ist im Grund richtig, man dürfe aber drei Dinge nicht vergessen: Erstens sei Rumänien noch lange nicht so weit wie Polen oder Ungarn, wo nach Ansicht vieler der Rechtsstaat akut bedroht ist.

Zweitens setzten die Rumänen selbst so viel Hoffnung in die EU wie kaum ein anderes Volk und drittens gebe es in Rumänien eine starke Opposition, die gegen die umstrittene Regierung arbeite.

Russlands Einfluss im Hintergrund

Hier müsse die EU auch aus Eigeninteresse stützend eingreifen, statt das Land zu destabilisieren - gerade vor dem Hintergrund der ständigen Sticheleien Russlands: "Die geopolitische Lage Rumäniens am Schwarzen Meer ist sehr viel dringlicher und auch sehr viel wichtiger. Wir sprechen immer nur von den baltischen Staaten und Polen, aber die 'Musik' Putins spielt meiner Meinung nach doch in Wirklichkeit am Schwarzen Meer!"

Die Aufgaben, die Rumänien in den kommenden Monaten vor sich hat, sind sowieso nicht ohne. Es gilt den Brexit, den Austritt Großbritanniens aus der EU, weiter zu managen, dann folgen im Mai die Europawahlen sowie anschließend die wohl quälende Suche nach einer neuen europäischen Regierung, sprich EU-Kommission.

Wird Rumänien vielleicht unterschätzt?

Rumänien ist dazu "technisch" in der Lage, hatte selbst EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Wochenende trotz heftiger Kritik ausdrücklich noch einmal festgestellt - oder wie es der Chef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Udo Bullmann (SPD), im Gespräch mit uns unter Verweis auf die gerade zu Ende gegangene Ratspräsidentschaft ausdrückt:

Österreich ist ein erfahrenes Land und hat uns gerade enttäuscht. Wir haben in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass es eher die kleinen Länder sind, mitunter sogar die Länder, die das erste Mal Ratspräsident sind, die sich extrem viel Mühe geben, die den ganzen Regierungsapparat einspannen, um erfolgreich zu sein. Wir wünschen jeder Ratspräsidentschaft Erfolg, aber wir werden auch darauf achten, dass die notwendigen Schritte ergriffen werden!
Malte Pieper, Malte Pieper, ARD Brüssel, 31.12.2018 00:00 Uhr