
Auslieferung Puigdemonts Deutsches Urteil Problem für Spaniens Justiz
Stand: 12.07.2018 17:54 Uhr
Der katalanische Separatistenführer Puigdemont kann in Spanien vor Gericht gestellt werden - jedoch nur wegen Veruntreuung, nicht wegen Rebellion. Dies bedeutet für Spanien ein Dilemma.
Von Marc Dugge, ARD-Studio Madrid
Den spanischen Regierungschef Pedro Sánchez erreichte die Nachricht in Brüssel. Auf dem NATO-Gipfel muss er sich mit einem rebellischen amerikanischen Präsidenten auseinandersetzen. Die Entscheidung über Spaniens Rebellen Nummer Eins, Carles Puigdemont, kommentiert er nur sehr kühl: "Richterliche Entscheidungen sind nicht zu bewerten, sondern zu respektieren. Das macht diese Regierung: Entscheidungen zu respektieren - egal ob sie in Spanien, Belgien, Deutschland oder wo auch immer getroffen werden."
Wichtig für die spanische Justiz sei, so Sánchez, dass die Angeklagten für ihre Taten in Spanien zur Verantwortung gezogen würden. Das werde auch passieren.
Keine Anklage wegen Rebellion gegen Puigdemont
Dabei ist alles andere als sicher, ob und wann das geschehen wird. Knackpunkt ist das Thema Rebellion. Nach dem Willen des zuständige spanischen Ermittlungsrichters Pablo Llarena sollte sich Puigdemont in Spanien für den Tatbestand der Rebellion verantworten.
Rebellion ähnelt dem deutschen Hochverrat. In Spanien stehen darauf bis zu 30 Jahre Haft. Die deutschen Richter konnten diesen Vorwurf nicht nachvollziehen. Daher kann Puigdemont nun in Spanien nicht mehr wegen Rebellion angeklagt werden. So will es das System des Europäischen Haftbefehls.
Die Entscheidung aus Schleswig-Holstein kommt nicht überraschend. Für den spanischen Ermittlungsrichter bedeutet sie eine heftige Schlappe. Die katalanischen Separatisten dagegen applaudieren den deutschen Richtern.
"Heute ist der Tag, an dem ein Märchen zu Ende gegangen ist, das der spanische Staat auf jede erdenkliche Art und Weise zu stricken versucht hat. Wir wissen nun, dass Präsident Puigdemont nicht für das Delikt Rebellion ausgeliefert werden wird, weil es keine Rebellion gab", sagt der katalanische Regionalpräsident Quim Torra.
Was wird aus den anderen Anklagen?
Mit der Entscheidung aus Deutschland hat Untersuchungsrichter Pablo Llarena aber jetzt noch ein zusätzliches Problem: Rebellion unterstellt er nicht nur Puigdemont, sondern auch den anderen führenden Separatisten, die derzeit in Untersuchungshaft sitzen. Es ist offen, ob er sich damit begnügen wird, Puigdemont nur wegen Veruntreuung den Prozess zu machen. Richter Llarena könnte daher den Europäischen Haftbefehl zurückziehen.
José Pérez Gómez vom Richterverband Francisco de Vitoria erklärt dazu: "Ich denke, es wäre richtig, den Haftbefehl zurückzuziehen. Denn sonst würden die Ermittlungen sehr verkompliziert. Wir hätten es sonst mit einigen Angeklagten zu tun, denen Rebellion zur Last gelegt wird und einem oder einigen wenigen Angeklagten nur Veruntreuung."
Für Pérez Gómez zeigt der Fall Puigdemont die Schwächen des Europäischen Haftbefehls. Es könne nicht sein, dass ein Gericht in Deutschland die Ermittlungsarbeit eines spanischen Gerichts vorwegnehme und mit seinen Entscheidungen Fakten schaffe.
"Wie würde es denn die deutsche Gesellschaft aufnehmen, wenn ein spanischer Richter entscheiden würde, der deutschen Justiz einen mutmaßlichen Straftäter vorzuenthalten? Oder wenn ein Bundesland bestimmte Maßnahmen ergreift, um sich abzuspalten. Das sind sehr gravierende Tatbestände, die das deutsche Gericht meiner Meinung nach nicht ausreichend gewürdigt hat."
Pérez Gómez ist mit dieser Meinung in Richterkreisen nicht allein. Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein dürfte in den kommenden Tagen grünes Licht für die Auslieferung geben. Ob sie stattfindet, ist aber immer noch offen.
Spanische Reaktionen auf Puigdemont-Entscheidung
Marc Dugge, ARD Madrid
12.07.2018 20:40 Uhr
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