
Messerangriff auf Kollegen Suche in Paris nach dem Motiv
Stand: 04.10.2019 08:25 Uhr
Nach der Messerattacke in Paris sind Tathergang und Täter inzwischen bekannt: Ein Mitarbeiter der Polizei tötete vier seiner Kollegen. Doch warum? Ein terroristischer Hintergrund konnte noch nicht ausgeschlossen werden.
Von Martin Bohne, ARD-Studio Paris
Das Hauptquartier der Pariser Polizei als Ort eines schweren Verbrechens: Ein Angestellter wird zum Mörder von vier seiner Kollegen. Das Drama hat die politische Führung des Landes mobilisiert. Innenminister, Premierminister und der Präsident begaben sich unmittelbar nach der Schreckenstat ins Polizeipräsidium. Emmanuel Macron machte am Abend auf einer Bürgerversammlung im Süden Frankreichs kein Hehl aus seiner Beroffenheit: "Ich wollte mich sofort zu den Beamten begeben, die dieses Drama, diesen Schock erleiden mussten, um an ihrer Seite zu sein. Diese Polizeibeamten sind ausgesprochen mutige Menschen, aber einer ihrer Kollegen hat vier von ihnen getötet. Man kann sich gar nicht vorstellen, was das mit einem machen muss."
Fünf Tote nach Messerattacke im Pariser Polizeipräsidium
tagesschau 20:00 Uhr, 03.10.2019, Navina Lala, ARD Paris
Unauffälliger Täter
Täter und Tathergang sind bekannt, die Absperrungen um das Polizeigebäude im Herzen von Paris sind längst wieder aufgehoben - unbeantwortet ist aber die Frage nach dem Warum. Der 45-jährige Täter, ein auf Martinique geborener Franzose, war seit zwei Jahrzehnten im Polizeipräsidium als IT-Experte angestellt - in einer sehr sensiblen Abteilung, die sich mit Gefahren für die staatliche Sicherheit beschäftigt.
Mit so einer Tat habe man nicht rechnen können, betonte Innenminister Christophe Castaner: "Er hat niemals Verhaltensauffälligkeiten erkennen lassen, es gab nicht die geringsten Warnsignale". Ein eher unauffälliger Kollege, gab auch der Gewerkschafter Christophe Crépin im französischen Fernsehen zu Protokoll: "Aber was ich von den Kollegen mit Sicherheit weiß, ist, dass er im Streit mit seiner Vorgesetzten lag".
Persönliche Tat oder Terror?
Also ein persönlicher Rachefeldzug? Das ist vorerst offensichtlich die von den Ermittlern bevorzugte Erklärung. Jedenfalls hat die Antiterror-Staatsanwaltschaft den Fall vorerst nicht an sich gezogen.
Oder sollte es doch einen terroristischen Hintergrund geben? Der Verdacht gewann kurzzeitig an Fahrt, als eine Information die Runde machte, der Täter sei vor anderthalb Jahren zum Islam konvertiert. Bestätigt ist das nicht, und auch Nachbarn zeichnen das Bild eines ruhigen, ganz und gar nicht aggressiven Menschen. Die Wohnung des Täters außerhalb von Paris wurde mehrere Stunden lang durchsucht, seine Frau zum Verhör in Polizeigewahrsam genommen. Ergebnisse wurden bislang nicht bekannt.
Polizei arbeitet am Limit
Das Drama im Polizeipräsidium ist auch aus einem anderen Grund heikel für die Regierung. Polizeigewerkschafter stellen die Morde zumindest indirekt in einen Zusammenhang mit dem enormen Unbehagen unter den französischen Polizisten. Am Tag zuvor waren gerade Tausende Beamte durch Paris gezogen, um ihrer Wut über die miserablen Arbeitsbedingungen Luft zu verschaffen. Seit der islamistischen Anschlagsserie 2015 hat die Polizei zahlreiche Opfer zu beklagen. Die gewalttätigen Dauerproteste der Gelbwesten seit Ende letzten Jahres verschärfen die dauernde Überbeanspruchung der Einsatzkräfte noch. Millionen von Überstunden haben sich angesammelt.
51 Polizisten hätten in diesem Jahr bereits Selbstmord begangen, beklagt Nicolas Pucheu von der Polizistengewerkschaft UNSA im Sender BFMTV: "Bislang haben sich die Beamten mit ihrer Dienstwaffe erschossen. Jetzt töten wir uns schon gegenseitig. Das ist doch ein Problem." Pucheu begrüßte die schnellen Solidaritätsbekundungen von Präsident, Premier und Innenminister. Aber Gesten reichten jetzt nicht mehr, es müssten konkrete Verbesserungen folgen.
Motiv des Täters weiter unklar
Martin Bohne, ARD Paris
04.10.2019 07:36 Uhr
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